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Architektur fiir große Opfer

Der Altar des Artemisions

«... In denfrüheren Abschnitten meines
Werkes habe ich erzählt, daß die Samier
Rhoikos, Philaios’ Sohn, und Theodorus,
Telekles ’ Sohn, die Erfinder davon waren,
Erz aufs genaueste zu schmelzen; diese
gossen es auch als erste. Von Theodoros
habe ich nichts mehr gejunden von Wer-
ken aus Bronze; aber im Heiligtum der
ephesischen Artemis gegen das Gebäude
zu, das die Gemälde enthält, befindet sich
eine steineme Brüstung (Thrinkos) über
dem Altar der Protothronie genannten
Artemis; aufder Brüstung steht unter an-
deren Statuen am Ende auch ein Frauen-
standbild, eine Arbeit des Rhoikos, die
die Ephesier Nacht nennen. Dieses
Standbild ist nun sowohl nach seinem
Aussehen älter als das der Athena in Am-
phissa wie roher in der Arbeit ...»
Pausanias X 38, 3-7; Übersetzung E. Meyer

Abb. 76 Modell des Altares im Ephesos-
Museum in Wien. Blick auf die zum Tempel
hin geschlossene hohe Altarwand mit Säu-
lengliederung. Darunter Sockel mit Latten-
zaunmotiv. Auf dem Dach Akrotere: Pferde
mit Wagenlenkem (vgl. Abb. 80).

Indes bemerkte Strabon (XIV 23), «der
Altar dagegen sei fast ganz von Werken
des Praxiteles voll gewesen.»

Der Altar wird entdeckt

Der Altar des Artemisions (Abb. 76, 77)
wurde erst viel später als die übrigen gro-
ßen Altäre entdeckt, nämlich 1965. Seine
Erforschung hat aber gezeigt, daß gerade
er eine wichtige Rolle bei der Erfindung
der grundsätzlich neuen architektoni-
schen Form der Monumentalaltäre spielte.

Sein Fundament liegt im Westen des
Artemisionareals und ist heute von einer
hohen modernen Mauer umgeben. Es
umschließt einen nach Westen offenen,
31,90 X 16,67 m großen Hof und weist
zwei Steinschichten auf, von denen jede
etwa 0,36 m hoch ist und sich aus tra-
pezoid und polygonal geschnittenen, un-
verklammerten Blöcken zusammensetzt.
Die untere Steinschicht ist durchgehend,
die obere dagegen nur noch an wenigen
Stellen im Süden, Osten und Norden er-
halten. Auf der unteren Fundament-
schicht sind Aufschnürungen in Form
von Ritzlinien erhalten. Die seitlichen
Flügel (im Süden und Norden) des Kalk-

steinfundamentes sind ca. 3,90 m breit.
Die östliche Seite, die durch die über die
Fänge des Fundamentes laufende Bau-
fuge in der Form der Aufschnürungslinie
zweigeteilt ist, mißt 4,10 m Breite. Im
Westen war der Hof außerdem noch von
ca. 1,80 - 1,90 m breiten Zungenfunda-
menten eingeschlossen. Die Breite des
Altares läßt sich durch die im Süden und
Norden erhaltenen Aufschnürungslinien
auf 39,75 m bestimmen.

Dieses U-förmige Fundament ist im
Süden, Norden und Westen von einem
gleichzeitig verlegten, ebenfalls aus
polygonal geschnittenen Kalksteinblök-
ken bestehenden Fundament gerahmt,
welches durch Rinnen in größere Recht-
ecke unterteilt wird, die zum Ablaufen
von Wasser gedient haben müssen. Auf
einen Teil dieses Fundamentes war Carl
Humann bei seiner Grabung mit Otto
Benndorf 1895 gestoßen. Dieses sog.
Platzfundament umschließt einen west-
lich an den Südflügel angrenzenden Risa-
lit, in dessen exzentrischen, annähernd
runden Trichter eine von Südwesten
kommende Wasserleitung mündete. Sie
besteht aus 0,20 m starken Bleirohren,
die in Abständen von 0,83 m mit trommel-
artigen 0,37 m starken Marmormuffen

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