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Kultbauten mit Apsis

41

Oberkante liegt tiefer als die Krone des
Tempels C und der Stylobat des Kroisos-
tempels. Das zugehörige Bauwerk war
jedenfalls älter als Tempel C und auch als
der Kroisostempel, da deren Fundamente
das gekurvte Fundament gestört haben.
Dieses Bauwerk belegt, daß es schon vor
der Errichtung des Tempels C im Bereich
der Zentralbasis ein weiteres monumen-
tales Bauwerk gab, welches wahrschein-
lich ebenfalls ein Heiligtum war.

Zu den älteren, eventuell selbständigen
Bauten gehört auch ein als Naiskos (klei-
nes Heiligtum in Tempelform) bezeich-
netes Gebäude, das in der Flucht der
Westkante des Hekatompedos liegt. Die-
ses war ebenfalls von zahlreichen Brand-
schichten umgeben, in denen Kleinfunde
lagen, wie zum Beispiel der Elfenbein-
widder (Abb. 27), dessen Vorderbein fiir
eine Opferhandlung hochgebunden ist.
Auch ein westlich hiervon gefundener
Apsidenbau (Abb. 41) war ein unabhän-
giges Bauwerk, wahrscheinlich ebenfalls
ein Kultbau. Sein Alter ist schwer zu be-
stimmen, da er nicht aus lagerhaften
Kalkmergelblöcken, sondern aus großen
rundlichen Steinen erbaut ist; auf seinem
Boden fand sich ein polychromes Terra-
kottafragment einer Kopfprotome, die
wahrscheinlich von einem Pithos (Vor-
ratsgefäß) stammt. Ebenfalls von dort
stammt ein auf beiden Seiten dekoriertes
Fragment «ephesischer Ware» (Abb. 42).

Zu diesem Komplex gehört auch eine
im Schnitt trapezförmige Rinne, welche
südlich des Apsidenbaues und des Nais-
kos in Richtung auf die Quelle in der
Altaranlage verläuft. Eine noch ältere
gepflasterte Anlage, vielleicht ein Weg,
ist unterhalb des Naiskos freigelegt wor-
den; dieser Weg verläuft in Richtung
auf die sog. Eschara, den Brandopfer-
herd im Inneren des späteren Hofaltares.

In welche Himmelsrichtung wurden
Opfer, und welche Weihgaben
wurden dargebracht?

Bei den in diesem Kapitel vorgestellten
frühen Kultanlagen läßt sich keine Be-
stimmung der Opferrichtung durchfüh-
ren, wie dies bei dem Hekatompedos und
dem dreibasigen Ensemble im Inneren
des großen Hofaltares der Fall ist. Hier
soll aber daran erinnert werden, daß die
Ost-West-Richtung für den Kult, wie zum
ersten Mal durch den Peripteros der geo-
metrischen Zeit fixiert, zwar die häufig-
ste, aber nicht die einzige Kultorientie-
rung gewesen ist. Während des Schlach-
tens der Opfertiere konnte der Priester
zwar theoretisch stehen, wo er wollte, da

es aber beim Opfer auch einen Bezug zu
einem Kultbild und wahrscheinlich auch
zu bestimmten Gestirnen gab wie der auf-
oder untergehenden Sonne, scheint die
Orientierung der Kultstätten selbst auch
zur Identität des Kultes gehört zu haben
(Abb. 69).

Es ist auffällig, daß bei den Opferplät-
zen im Zentrum des Heiligtums viel
weniger archaische Lampen und Wasser-
gefäße (Hydrisken) gefunden wurden als
im Westen beim Hofaltar und dem Hekta-
tompedos. Diese Beobachtung läßt den
Schluß zu, daß bei ersteren weniger
nächtliche Feiern und Wasserspenden
stattfanden als bei letzteren. In älteren
Schichten fehlen Lampen und Hydrisken
überhaupt. Offenbar fanden im 6. Jh.
v. Chr. mehr nächtliche Feiern als zuvor
statt.

Der Vergleich der Funde aus diesen
frühen Kultplätzen zeigt, daß besonders
Hinweise auf weibliche Gottheiten zu-
tage kommen. Wir können uns daher vor-
stellen, daß nebeneinander mehrere weib-
liche Gottheiten verehrt wurden. Zu die-
sen gehört sicher Demeter, wie auch aus
Strabon hervorgeht, eine weitere dürfte
Kybele gewesen sein, vielleicht verehrte
man aber auch Leto, die Mutter von Arte-
mis und Apoll. Da Kroisos nach Herodot
der ephesischen Artemis das Vermögen
seines Feindes Sadyattes versprochen
hatte, muß Artemis bereits vor seinem
Regierungsantritt eine Rolle gespielt
haben. Wie ihre Bedutung zu diesem
Zeitpunkt zu bewerten ist, bleibt unge-
wiß.

42

Die im Artemision gefundenen Gold-
und Elfenbeinstatuetten, die sich typolo-
gisch von der Kultstatue im geometri-
schen Peripteros unterschieden, sind,
wie weiter unten (s.S. 76f.) dargelegt
werden wird, offenbar auf die Göttinnen
Demeter, Kybele und vielleicht Leto zu
beziehen. Kybele läßt sich mit zwei El-
fenbeinstatuetten verknüpfen, die im
Typus der Koren dargestellten Statuetten
können vielleicht auf Demeter oder ihre
Tochter Kore hinweisen. Die wenigen
männlichen Terrakotten, die im Artemi-
sion gefunden wurden, schließen auch
die Verehrung einer männlichen Gottheit
nicht aus, vielleicht ist hier an den litera-
risch überlieferten Apollonkult zu den-
ken.

Erst durch die Entdeckung der sowohl
räumlich als auch zeitlich nebeneinander
existierenden Kultbasen des 7. Jhs. v. Chr.,
die bis etwa 560 v. Chr. — dem Beginn
des Baues des archaischen Tempels - in
Benutzung waren, wird der Sinn der Sta-
tuetten aus Elfenbein und Gold klar: sie
sind die Repräsentantinnen der an diesen
kleinen Kultbauten verehrten Gottheiten.
 
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