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Gold verändert alles

nen, die in eine Blüte eintauchen. Die
Löwen und auch der Stier sind im gesam-
ten orientalisch-griechischen Bereich
Symbole von Macht und Kraft. Daher ist
es auch nicht verwunderlich, daß viele
unserer Darstellungen Anhänger oder
Amulette sind, da derjenige, der diese
trägt, sich damit symbolisch die Stärke
des entsprechenden Tieres aneignet.

Wir kommen nochmals auf das ein-
gangs skizzierte Phänomen des anatoli-
schen Einflusses auf die ephesische
Kunst zurück. Als Beispiel für dieses
Phänomen in Marmor sei das Relief eines
Löwen angeführt (Abb. 97), das als Spo-
lie im Fundament der SW-Ecke des spät-
klassischen Tempels gefunden wurde.
Wie bereits gesagt, spielt der Löwe als
Sinnträger in Anatolien eine besondere
Rolle.

Dieser Löwe, ein eklektisches Werk
par excellence, gehört zum Relief einer
Basis, auf welcher möglicherweise ein
Weihgeschenk stand. Sein nach rück-
wärts gewandter Kopf ist leicht nach
unten gesenkt, der Rachen aufgerissen.
Weibliche und männliche Elemente sind

in dieser Darstellung vereint: einerseits
werden die Zitzen der Löwin angegeben,
andererseits weist die Darstellung die
lange Mähne des männlichen Löwen auf.
Die linke Vorderpranke liegt über der
rechten, dieses Motiv der übereinander
gekreuzten Pranken ist dem ägyptischen
Motivschatz entlehnt. Die heraushän-
gende Zunge des Tieres stammt dagegen
aus der hethitischen Darstellungsweise.
Sie bildet bis zum Ende der mittelhethiti-
schen Periode das unerläßliche Kennzei-
chen des Löwen. Auch die warzenför-
mige Verdickung auf der Stirn ist nicht
ohne Bedeutung: sie ist die Stilisierung
der Furchung des in Wut geratenen
Löwen, wie er in der urartäischen, assy-
rischen und späthethitischen Kunst vor-
kommt.

Die Darstellung dieses Löwen ist ein
schönes Beispiel für das Zusammenflie-
ßen von Motiven aus verschiedenen Kul-
turen in der archaischen Zeit. Neue Vor-
stellungen konnten sowohl mit einem
besonderen Material, wie Gold, oder
besonderen Motiven publikumswirksam
dargestellt werden. Denn die grund-

legend neuen Konzepte, die durch die
lydischen Kaufleute auch in Ephesos ein-
gebracht werden, trafen auf die gesell-
schaftliche und künstlerische Bereit-
schaft, verschiedenste auswärtige Kultu-
ren nicht nur zu akzeptieren, sondern
auch auf sie einzugehen.

Bernstein, Gold und Elfenbein

Diese Weihgeschenke aus dem Artemi-
sion weisen unter zwei Aspekten gesehen
eine Hierarchie auf: erstens hinsichtlich
des Materials, aus dem sie gefertigt sind,
und zweitens hinsichtlich der Wahl der
Lebewesen, die dargestellt werden. Die
bedeutendsten Objekte - auch von der
Seite der Stifter her gesehen - sind jene
aus Bernstein, Gold und Elfenbein. Tiere,
die hochrangige Geltung hatten, wie
Löwen und Falken, sind daher häufig aus
Gold oder Elfenbein gefertigt. Eine wei-
tere Hierarchie versinnbildlicht den Rang
der Lebewesen im Hinblick auf Gott-
heiten und Menschen. So kann ein Löwe
sowohl einem Lyderkönig als auch der
 
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