2.2 Leitbilder und Modelle der Klinischen Psychologie
2.2 Leitbilder und Modelle der Klinischen Psychologie
Welche Annahmen, Vorverständnisse, Definitionen und Vorgehensweisen sind für die Klinische
Psychologie prägend? Wie in <=> 2.2.1 hergeleitet wird, gibt es traditionellerweise zwei Ebenen, auf
denen solche Leitbilder und Modelle angeordnet sind (in Kapitel ^> 2.3 werden wir dann noch eine
dritte Ebene kennenlernen):
Die erste Ebene {•=> 2.2.2) stellen sehr umfassende Leitbilder dar, die auch noch weit über die
Klinische Psychologie hinausreichen und die historisch durch den Grad der Verbindung zur Medizin
oder zu den Sozialwissenschaften geprägt sind. Deshalb werden diese hier als Rahmenmodelle
bezeichnet, von denen drei unterschieden werden {organisches Rahmenmodell <=> 2.2.1.1,
psychosoziales Rahmenmodell ^ 2.2.1.2, biopsychosoziales Rahmenmodell ^> 2.2.1.3).
Weniger weitreichend - und deshalb auch auf einer darunter liegenden Ebene anzusiedeln - sind
solche Modelle, die in der Klinischen Psychologie verwurzelt sind. Diese klinisch-psychologischen
Modelle {<=> 2.2.3) beschäftigen sich mit gleichen oder ähnlichen Phänomenbereichen, insbeson-
dere mit psychischen Störungen und deren Behandlung. Untereinander unterscheiden sie sich aber
dennoch hinsichtlich ihrer allgemeinen Grundannahmen, ihrer Menschenbildannahmen und ihrer
Forschungsprogramme. Hier werden wir uns mit fünf dieser Modelle befassen, die als major
approaches bezeichnet werden können. Dies sind das psychoanalytische Modell (<=> 2.2.3.1), das
humanistische 2.2.3.2), das verhaltenstheoretische (•=> 2.2.3.3), das kognitive (•=> 2.2.3.4) und
das interpersonale Modell (<=> 2.2.3.5).
2.2.1 Paradigmen, Forschungsprogramme und Modelle
„Außergewöhnliche Diversität in Konzepten und Methoden, in den Arten der For-
schungsinstrumente und der gesammelten Daten, in den angegangenen Problemen und
akzeptierten Lösungskriterien charakterisieren den Status der Forschungsaktivität, den
Thomas Kuhn (1962; dt. 1978) als prä-paradigmatische Phase beschrieben hat". Mit die-
sen Worten leiteten Orlinsky und Howard (1978, p. 283; ÜdA.) einen Übersichtsartikel
über Psychotherapie ein, und sie stellten fest, daß diese Charakterisierung mit nur weni-
gen Abweichungen die psychotherapeutische Forschung ebenso beschreibt wie auch de-
ren Praxis. Diese Aussagen sind auch heute noch aktuell und lassen sich sogar auf an-
dere Teile der Klinischen Psychologie generalisieren, z.B. auf die Pathopsychologie.
Nach dem Wissenschaftshistoriker T. S. Kuhn läßt sich die Entwicklung der einzel-
nen Wissenschaften nach dem Vorherrschen bestimmter übergreifender Perspektiven
kennzeichnen. Diese Paradigmen sind dadurch definiert, „daß einige anerkannte Bei-
spiele für konkrete wissenschaftliche Praxis - Beispiele, die Gesetz, Theorie, Anwen-
dung und Hilfsmittel einschließen - Vorbilder abgeben, aus denen bestimmte festgefügte
Traditionen wissenschaftlicher Forschung erwachsen" (Kuhn, 1978, S. 25).
Paradigmen sind also in erster Linie Leitbilder, die den Theorien des jeweiligen Ge-
genstandsbereichs vorgeordnet sind, und die von den Mitgliedern einer wissenschaftli-
chen Gemeinschaft gemeinsam vertreten werden. Zum anderen können konkrete For-
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2.2 Leitbilder und Modelle der Klinischen Psychologie
Welche Annahmen, Vorverständnisse, Definitionen und Vorgehensweisen sind für die Klinische
Psychologie prägend? Wie in <=> 2.2.1 hergeleitet wird, gibt es traditionellerweise zwei Ebenen, auf
denen solche Leitbilder und Modelle angeordnet sind (in Kapitel ^> 2.3 werden wir dann noch eine
dritte Ebene kennenlernen):
Die erste Ebene {•=> 2.2.2) stellen sehr umfassende Leitbilder dar, die auch noch weit über die
Klinische Psychologie hinausreichen und die historisch durch den Grad der Verbindung zur Medizin
oder zu den Sozialwissenschaften geprägt sind. Deshalb werden diese hier als Rahmenmodelle
bezeichnet, von denen drei unterschieden werden {organisches Rahmenmodell <=> 2.2.1.1,
psychosoziales Rahmenmodell ^ 2.2.1.2, biopsychosoziales Rahmenmodell ^> 2.2.1.3).
Weniger weitreichend - und deshalb auch auf einer darunter liegenden Ebene anzusiedeln - sind
solche Modelle, die in der Klinischen Psychologie verwurzelt sind. Diese klinisch-psychologischen
Modelle {<=> 2.2.3) beschäftigen sich mit gleichen oder ähnlichen Phänomenbereichen, insbeson-
dere mit psychischen Störungen und deren Behandlung. Untereinander unterscheiden sie sich aber
dennoch hinsichtlich ihrer allgemeinen Grundannahmen, ihrer Menschenbildannahmen und ihrer
Forschungsprogramme. Hier werden wir uns mit fünf dieser Modelle befassen, die als major
approaches bezeichnet werden können. Dies sind das psychoanalytische Modell (<=> 2.2.3.1), das
humanistische 2.2.3.2), das verhaltenstheoretische (•=> 2.2.3.3), das kognitive (•=> 2.2.3.4) und
das interpersonale Modell (<=> 2.2.3.5).
2.2.1 Paradigmen, Forschungsprogramme und Modelle
„Außergewöhnliche Diversität in Konzepten und Methoden, in den Arten der For-
schungsinstrumente und der gesammelten Daten, in den angegangenen Problemen und
akzeptierten Lösungskriterien charakterisieren den Status der Forschungsaktivität, den
Thomas Kuhn (1962; dt. 1978) als prä-paradigmatische Phase beschrieben hat". Mit die-
sen Worten leiteten Orlinsky und Howard (1978, p. 283; ÜdA.) einen Übersichtsartikel
über Psychotherapie ein, und sie stellten fest, daß diese Charakterisierung mit nur weni-
gen Abweichungen die psychotherapeutische Forschung ebenso beschreibt wie auch de-
ren Praxis. Diese Aussagen sind auch heute noch aktuell und lassen sich sogar auf an-
dere Teile der Klinischen Psychologie generalisieren, z.B. auf die Pathopsychologie.
Nach dem Wissenschaftshistoriker T. S. Kuhn läßt sich die Entwicklung der einzel-
nen Wissenschaften nach dem Vorherrschen bestimmter übergreifender Perspektiven
kennzeichnen. Diese Paradigmen sind dadurch definiert, „daß einige anerkannte Bei-
spiele für konkrete wissenschaftliche Praxis - Beispiele, die Gesetz, Theorie, Anwen-
dung und Hilfsmittel einschließen - Vorbilder abgeben, aus denen bestimmte festgefügte
Traditionen wissenschaftlicher Forschung erwachsen" (Kuhn, 1978, S. 25).
Paradigmen sind also in erster Linie Leitbilder, die den Theorien des jeweiligen Ge-
genstandsbereichs vorgeordnet sind, und die von den Mitgliedern einer wissenschaftli-
chen Gemeinschaft gemeinsam vertreten werden. Zum anderen können konkrete For-
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