3 Definition psychischer Störungen
3.4 Die Häufigkeit psychischer Störungen
Warum brauchen wir Daten über die Häufigkeit psychischer Störungen? In erster Linie natürlich, um
einzuschätzen, wie hoch der Bedarf an professioneller Hilfe für die Betroffenen ist. Genauere Analy-
sen der Verbreitung und Verteilung von psychischen Störungen geben ferner Aufschluß über kriti-
sche Entwicklungen (z.B. über die Zunahme von Abhängigkeiten), Brennpunkte oder Schwachstel-
len der Versorgung in einer Gesellschaft.
Über die Verbreitung von psychischen Störungen in der Bevölkerung verfügen wir heute über
ein reichhaltiges Wissen, da zu diesem Thema seit Ende der 70-er Jahre umfangreich und metho-
disch anspruchsvoll geforscht wurde. Einige dieser Studien, über die hier berichtet wird, wurden
auch im deutschen Sprachraum durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, daß etwa ein Fünftel bis zu
einem Viertel der Bevölkerung an psychischen Beeinträchtigungen leiden, die die Kriterien für psy-
chische Störungen erfüllen. Damit sind psychische Störungen - wenn man sie als behandlungsbe-
dürftige Krankheiten betrachtet - die häufigste Krankheitsform überhaupt.
Verbreitung und Verteilung psychischer Störungen liefern die grundlegenden Daten, um
den Bedarf an psychosozialer GesundheitsVersorgung zu ermitteln, verschiedene Ver-
sorgungsangebote einzurichten und die Leistungsfähigkeit der psychosozialen Gesund-
heitswesen zu beurteilen. Differenziertere Analysen dieser Daten - z.B. die Aufschlüsse-
lung nach Personengruppen mit erhöhtem Störungsrisiko - können darüberhinaus auch
erheblich zur Aufklärung von ätiologischen Bedingungen beitragen, indem sie auf psy-
chosoziale, ökologische, biologische oder multiple Risikobedingungen aufmerksam ma-
chen. Gelegentlich wird der Bestand an psychisch beeinträchtigten Personen sogar zur
Bewertung des „gesunden" bzw. „kranken" Zustandes eines Staatswesens oder von Ge-
sellschaftsformen herangezogen. Kennt man allerdings die vielfältigen methodischen
Probleme, die sich bei der Untersuchungen der Häufigkeit psychischer Störungen stel-
len, sind solche Schlußfolgerungen reichlich fragwürdig. Die methodischen Probleme
werden ausführlicher im Zusammenhang des epidemiologischen Forschungsansatzes
dargestellt (•=> 5.2.3).
Mindestens drei Parameter sollten bei der Interpretation von Häufigkeitsangaben im-
mer berücksichtigt werden, einerseits die Population, auf die sich die Untersuchung be-
zieht, andererseits die Art und Weise der Stichprobengewinnung sowie als drittes der
Zeitraum, der der Beobachtung zu Grunde gelegt wird. Es ist unmittelbar nachvollzieh-
bar, daß die Bewertung der Störungsraten abhängt von der angezielten Population:
Wenn eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe untersucht wird, sind andere Stö-
rungsraten zu erwarten als bei einer Erhebung in allgemeinärztlichen Praxen, da die
administrativen Bedingungen der allgemeinärztlichen Gesundheitsversorgung bereits
den Zugang filtern. Einerseits wird nur ein Teil der Versorgungsbedürftigen erfaßt, an-
dererseits könnten Personen, die an körperlichen Krankheiten leiden, auch besonders an-
fällig sein für psychische Störungen. Auch die Art der Stichprobengewinnung spielt
eine große Rolle. Beispielsweise hat die Schwelle, ab der das Vorliegen einer psychi-
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3.4 Die Häufigkeit psychischer Störungen
Warum brauchen wir Daten über die Häufigkeit psychischer Störungen? In erster Linie natürlich, um
einzuschätzen, wie hoch der Bedarf an professioneller Hilfe für die Betroffenen ist. Genauere Analy-
sen der Verbreitung und Verteilung von psychischen Störungen geben ferner Aufschluß über kriti-
sche Entwicklungen (z.B. über die Zunahme von Abhängigkeiten), Brennpunkte oder Schwachstel-
len der Versorgung in einer Gesellschaft.
Über die Verbreitung von psychischen Störungen in der Bevölkerung verfügen wir heute über
ein reichhaltiges Wissen, da zu diesem Thema seit Ende der 70-er Jahre umfangreich und metho-
disch anspruchsvoll geforscht wurde. Einige dieser Studien, über die hier berichtet wird, wurden
auch im deutschen Sprachraum durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, daß etwa ein Fünftel bis zu
einem Viertel der Bevölkerung an psychischen Beeinträchtigungen leiden, die die Kriterien für psy-
chische Störungen erfüllen. Damit sind psychische Störungen - wenn man sie als behandlungsbe-
dürftige Krankheiten betrachtet - die häufigste Krankheitsform überhaupt.
Verbreitung und Verteilung psychischer Störungen liefern die grundlegenden Daten, um
den Bedarf an psychosozialer GesundheitsVersorgung zu ermitteln, verschiedene Ver-
sorgungsangebote einzurichten und die Leistungsfähigkeit der psychosozialen Gesund-
heitswesen zu beurteilen. Differenziertere Analysen dieser Daten - z.B. die Aufschlüsse-
lung nach Personengruppen mit erhöhtem Störungsrisiko - können darüberhinaus auch
erheblich zur Aufklärung von ätiologischen Bedingungen beitragen, indem sie auf psy-
chosoziale, ökologische, biologische oder multiple Risikobedingungen aufmerksam ma-
chen. Gelegentlich wird der Bestand an psychisch beeinträchtigten Personen sogar zur
Bewertung des „gesunden" bzw. „kranken" Zustandes eines Staatswesens oder von Ge-
sellschaftsformen herangezogen. Kennt man allerdings die vielfältigen methodischen
Probleme, die sich bei der Untersuchungen der Häufigkeit psychischer Störungen stel-
len, sind solche Schlußfolgerungen reichlich fragwürdig. Die methodischen Probleme
werden ausführlicher im Zusammenhang des epidemiologischen Forschungsansatzes
dargestellt (•=> 5.2.3).
Mindestens drei Parameter sollten bei der Interpretation von Häufigkeitsangaben im-
mer berücksichtigt werden, einerseits die Population, auf die sich die Untersuchung be-
zieht, andererseits die Art und Weise der Stichprobengewinnung sowie als drittes der
Zeitraum, der der Beobachtung zu Grunde gelegt wird. Es ist unmittelbar nachvollzieh-
bar, daß die Bewertung der Störungsraten abhängt von der angezielten Population:
Wenn eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe untersucht wird, sind andere Stö-
rungsraten zu erwarten als bei einer Erhebung in allgemeinärztlichen Praxen, da die
administrativen Bedingungen der allgemeinärztlichen Gesundheitsversorgung bereits
den Zugang filtern. Einerseits wird nur ein Teil der Versorgungsbedürftigen erfaßt, an-
dererseits könnten Personen, die an körperlichen Krankheiten leiden, auch besonders an-
fällig sein für psychische Störungen. Auch die Art der Stichprobengewinnung spielt
eine große Rolle. Beispielsweise hat die Schwelle, ab der das Vorliegen einer psychi-
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