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Bastine, Reiner [Hrsg.]
Klinische Psychologie (Band 1): Grundlegung der allgemeinen klinischen Psychologie — Stuttgart, Berlin, Köln, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.16129#0213

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4.2 Grundbegriffe und Arten der Klassifikation

4.2 Grundbegriffe und Arten der Klassifikation

Zunächst werden in diesem Kapitel wichtige Begriffe geklärt, so daß der Leser ein Verständnis dafür
entwickeln kann, welche Vorgehensweisen und Probleme mit Klassifikationen zusammenhängen
4.2.1).

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten und Methoden, wie Klassifikationssysteme gebildet werden
können. Kategoriale Systematiken {•=> 4.2.2), dimensionale Systematiken (•=> 4.2.3) und typolo-
gische Systematiken {<=> 4.2.4) unterscheiden sich in ihren Vorannahmen über die Beziehungen
psychischer Störungen zueinander und über die Ziele von Klassifikationssystemen.
Lange Zeit wurde im Zusammenhang mit der psychiatrischen Nosologie auf dem Hintergrund des
Konzeptes der qualitativ voneinander unterscheidbaren Krankheitseinheiten an der Verbesserung
der „klassischen" kategorialen Systematiken gearbeitet. Die Auffassung von quantitativen Unter-
schieden zwischen psychischen Störungen führte zur Entwicklung von dimensionalen Systematiken.
Diese Systematiken gründen auf einer mehrdimensionalen Feststellung des psychischen Zustandes
einer Person. Typologische Systematiken versuchen die Nachteile von kategorialen Systematiken
dadurch zu überwinden, daß sie mithilfe von korrelierenden Kriterien Typen psychischer Störungen
bilden.

4.2.1 Grundbegriffe

Im Unterschied zu einer Nomenklatur, die lediglich eine ungeordnete Aufzählung von
Begriffen, Bezeichnungen oder Namen beinhaltet, werden an eine Klassifikation oder
eine Systematik höhere Anforderungen gestellt. Der Begriff Klassifikation bezeichnet
das Einteilen von bestimmten Phänomenen oder Personen in Gruppen oder Kategonen,
die sich durch gemeinsame Merkmale oder Beziehungen auszeichnen. Grundlage dafür
sind strukturelle Analysen von Merkmaiskonfigurationen, mit denen einander ähnliche
Phänomene einer gemeinsamen Klasse oder Kategorie zugeteilt werden. Meistens wer-
den diese Kategorien durch ein schrittweises Zusammenfassen von (psychologischen)
Charakteristika auf verschiedenen Abstraktionsebenen gebildet, z.B. durch die Bildung
von Syndromen aus häufig gemeinsam auftretenden Symptomkonfigurationen (<=> 3.3.2).
Mit der Klassifikation soll eine sinnvolle und zweckmäßige Systematik - ein Klassifika-
tionssystem - erstellt werden, d.h. eine wissenschaftlich fundierte und nach bestimmten
Gesichtspunkten geordnete Einteilung der Kategorien oder Klassen.

Im wissenschaftlichen Zusammenhang wird anstelle von Klassifikationssystem auch
von einer Taxonomie gesprochen, d.h. einem Ordnungssystem, mit dem Gegenstände
nach voneinander abgrenzbaren, natürlichen Einheiten eingeteilt und gemäß ihren Be-
ziehungen zueinander aufgebaut werden. Der Begriff Taxonomie hat auch noch eine
metatheoretische Bedeutung und bezeichnet dann die Art und Weise, wie Klassifikati-
onssysteme erstellt oder analysiert werden. Um eine Klasse (gr.: Taxon) zu definieren,
werden ein oder mehrere festgelegte Kriterien herangezogen. Wird eine Taxonomie auf

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