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Bastine, Reiner [Hrsg.]
Klinische Psychologie (Band 1): Grundlegung der allgemeinen klinischen Psychologie — Stuttgart, Berlin, Köln, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.16129#0132

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2 Grundlagen der Klinischen Psychologie

2.3 Grundlegung der Allgemeinen Klinischen Psychologie: das
Allgemeine Klinische Modell

Für die Klinische Psychologie ist nicht nur interessant, welche unterschiedlichen Rahmenvorstellun-
gen und Modelle 2.2) das Fach kennzeichnen. Sowohl für die effektive Forschung als auch für -
die verantwortungsvolle und fundierte klinisch-psychologische Praxis besteht die Notwendigkeit,
Merkmale und Grundsätze des Faches, die sich als Konsens aus den vielfältigen Strömungen her-
ausbilden, zu identifizieren. In diesem Abschnitt wird dieser Versuch mit dem Ziel unternommen,
Grundlagen für die Allgemeine Klinische Psychologie zu schaffen.

Dafür sind zum einen die systematischen oder strukturellen Merkmale des Faches kennzeich-
nend, wie sie auch schon in ^ 12.2 dargestellt wurden (Definition, Klassifikation, Ätiopathogenese,
Psychodiagnostik und Intervention). Außerdem sind beide Bände dieses Lehrbuches nach diesen
strukturellen Gesichtspunkten konzipiert.

Zum anderen wird das Fach als Ganzes durch bestimmte inhaltliche und methodologische
Grundannahmen charakterisiert, die Hintergrund und Basis der spezifischeren klinisch-psychologi-
schen Modellvorstellungen bilden. Sie erlauben aus einer übergeordneten Perspektive die Einord-
nung und den Vergleich der verschiedenen klinisch-psychologischen Modelle. Die hier vorgenom-
mene Grundlegung der Allgemeinen Klinischen Psychologie geht von sechs Grundsätze aus: psy-
chologische Perspektive 2.3.1), biosozialer Kontext {<=> 2.3.2), Entwicklungsorientierung
2.3.3), normative Orientiemng 2.3.4), komplexe dynamische Kausalbeziehungen (<=> 2.3.5) so-
wie plurale methodologische Orientiemng (^> 2.3.6).

Angesichts der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der klinisch-psychologischen Modell-
vorstellungen stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die verschiedenen For-
schungsprogramme zur Klinischen Psychologie als Ganzes stehen. Die Frage läßt sich
auch zuspitzen: Gibt es unter diesen Vorstellungen überhaupt Gemeinsamkeiten? Wel-
che Positionen sind nicht strittig? Auf welchen grundlegenden Annahmen basiert die
Klinische Psychologie als Ganzes?

Wie nicht anders zu erwarten, gibt es auf solch grundsätzlichen Fragen verschiedene
Antworten. Vermutlich am häufigsten wird auf den Pluralismus der klinisch-psycholo-
gischen Ansätze mit dem Verabsolutieren eines einzelnen Ansatzes reagiert, der dann
als „der Wirklichkeit am nächsten kommend", als „grundlegender", als „reichhaltiger"
oder mit einer ähnlichen Attribution versehen und damit als den anderen überlegen aus-
gewiesen wird. Besonders in Zeiten der Modellkonkurrenz, in denen es um Anerken-
nung, materielle Unterstützung und die wirtschaftliche Existenz einzelner Ansätze geht,
erhält diese Haltung Auftrieb. Schwächen oder Einseitigkeiten des jeweiligen Modells
werden versucht, nachträglich auszugleichen und durch neue Konzepte zu ergänzen, um
in der Konkurrenz mit anderen Modellvorstellungen mithalten zu können (für die Psy-
chotherapie vgl. Linsenhoff et al., 1982).

Ein anderer Weg besteht darin, die verschiedenen Modellvorstellungen eklektisch zu-
sammenzuführen, d.h. aus jeder Konzeption einzelne Elemente herauszunehmen und -
meistens unter dem Gesichtspunkt ihrer Nützlichkeit oder Effizienz - miteinander zu

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