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Bastine, Reiner [Hrsg.]
Klinische Psychologie (Band 1): Grundlegung der allgemeinen klinischen Psychologie — Stuttgart, Berlin, Köln, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.16129#0193

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3.2 Normen und Werte

nalen Kriterien (•=> 3.2). Welche Auffälligkeiten und ab welchem Ausmaß diese als
Störungen bewertet werden, unterliegt dem Einfluß soziokultureller und wissen-
schaftlich begründeter Wert- und Funktionsvorstellungen. Die Abgrenzung zwi-
schen (gravierenderen) psychischen Störungen und (weniger gravierenden) einfa-
chen, alltäglichen Lebensproblemen sowie kleineren, vorübergehenden Störungen,
wie Hemmungen oder Ängsten, fällt daher oft schwer. „Jeder geht durch das Leben
und leidet oder toleriert eine Vielfalt von psychischen Störungen, von denen einige
chronisch sind (z.B. Persönlichkeitstörungen), so wie jeder auch unter einer Viel-
zahl von körperlichen Störungen leidet oder sie toleriert, von denen einige chro-
nisch sind, wie z.B. Kurzsichtigkeit. Der Umfang, in dem eine bestimmte Person
„psychisch krank" ist, ist lediglich eine Frage des Grades, der Art und des Lebens-
zeitpunktes" (Widiger & Trull, 1991, p. 112; ÜdA.). Außerdem sind bei diesen Be-
wertungen immer auch die jeweiligen Umstände zu berücksichtigen, unter denen
psychische Auffälligkeiten auftreten: Panikartige Zustände können beipielsweise
durchaus eine angemessene Reaktion auf lebensbedrohende Situationen im Krieg,
bei Bombenangriffen, bei Verfolgung, bei Geiselnahme, Attentaten oder Fährun-
glücken sein.

Gestützt auf die Annahme komplexer dynamischer Kausalitätsbeziehungen im

Modell der Allgemeinen Klinischen Psychologie muß die Definition psychischer Stö-
rungen konsequenterweise darauf verzichten, psychische Störungen auf bestimmte
Ursachenfaktoren zurückzuführen - etwa auf „psychische" oder „soziale" Bedingun-
gen. Damit soll von vorneherein und programmatisch ein breites Spektrum ver-
schiedener ursächlicher Bedingungen einbezogen werden, die in der Lage sind,
komplexe ätiologische Wechselbeziehungen zwischen psychischen, sozialen und
somatischen Faktoren und zeitliche Entwicklungsprozesse zu berücksichtigen. Dies
hat auch Konsequenzen für den Symptombegriff der Allgemeinen Klinischen Psy-
chologie (ausführlich ^3.3.3).

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