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Die Hand der Uemelis.'
Roman
von
Eumkb August König.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
„Aber Sie wollen mir auch nicht für die Pension
garantiren!" versetzte Frau Siebet. „Wird sie verringert
oder mir ganz entzogen, so nehme ich keine Rücksicht
mehr, Herr Rabe."
„Auch nicht auf Ihre eigene Person?"
„Meine Person werde ich zu sichern wissen. Ich habe
auch über alle Eventualitäten nachgedacht und für jeden
möglichen Fall meine Pläne zurecht gelegt, -um im ge-
eigneten Augenblick nicht überrascht zu werden."
Der glühende Blick Räbe's ruhte mit durchdringen-
der Schärfe auf ihr, ein Zug unerschütterlicher Ent-
schlossenheit umzuckte seine Lippen.
„Und glauben Sie, ich habe das nicht
gethan?" fragte er.
„Ich zweifle daran nicht, aber ich werde
mich auch zu schützen wissen. War der alte
Gärtner Ihnen gefährlich geworden?"
Als ob eine Schlange ihn plötzlich gebissen
habe, fuhr Rabe erschreckt zusammen, im
nächsten Moment richtete er sich hoch auf,
und seine Haltung war so drohend und her-
ausfordernd, daß Frau Siebet unwillkürlich
einen Schritt zurücktrat.
„Weshalb erinnern Sie mich an ihn?"
fragte er.
„Er war auf dem Gute der einzige Diener
aus jener Zeit."
„Und was weiter?"
„Man sagt, er habe sich das Leben ge-
nommen."
„Das ist die Wahrheit. Der Mann war
ein Trunkenbold, er sollte entlassen werden,
Gründe genug, die zu solcher Thal verleiten
können. Zweifeln Sie vielleicht daran?"
Frau Siebet schlug die Augen nieder, sie
konnte diesen flammenden Blick nicht ertragen,
der glühende Haß, der in ihm loderte, schien
sie vernichten zu wollen.
„Ich habe keine Zweifel geäußert," erwie-
derte sie, „ich sand es nur auffallend, daß
der alte Mann sich selbst das Leben ge-
nommen haben soll."
„So hüten Sie auch ferner sich, Zweifel
zu äußern," sagte Rabe in warnendem Tone,
„die Folgen könnten auf Sie zurückfalten,
in solchen Dingen verstehe ich keinen Scherz."
„Sie wollen mir drohen," erwiederte
die alte Frau, die jetzt ihre volle Fassung
wieder gefunden hatte, „vergessen Sie nicht,
was ich Ihnen gesagt habe, verliere ich meine
Pension, so — "
„Redensarten!" fiel Rabe ihr in's Wort.
„Ich drohe Ihnen nicht, ich warne Sie
nur. Und Sie werden Wohl thun, wenn

Sie die Warnung beherzigen, und noch einmal gebe ich
Ihnen den Rath^ die Verlobung zu lösen."
Frau Siebet zuckte die Achseln, der Gutsbesitzer wollte
sich schon der Thüre nähern, hastig vertrat sie ihm den Weg.
„Wo sind die Papiere Hälm's?" fragte sie.
„Die Papiere?" wiederholte Rabe betroffen.
„So sagte ich," nickte die alte Frau. „Haben Sie
nicht daran gedacht? Halm hat von drüben jedenfalls
Papiere mitgebracht, und unter diesen könnten sich No-
tizen befinden, die möglicherweise ohne sein Geständnis)
Alles enthüllen."
Willibald Rabe hatte die Brauen hoch hinaufgezogen,
er blickte die Frau eine Weile starr an, es war un-
zweifelhaft, me diese Möglichkeit hatte er noch nicht
gedacht.
„Die Papiere sind wahrscheinlich im Besitze des
Untersuchungsrichters," erwiederte er.
„Wenn das Gericht damals sein Gepäck konfiszirt

hat, dann allerdings, aber es wäre möglich, daß dies
übersehen wurde."
„Es ist gut, daß Sie mich darauf aufmerksam
machen," sagte der Gutsbesitzer aus seinem Brüten er-
wachend, „ich werde nur darüber Gewißheit zu ver-
schaffen suchen. Ueber die Pension rede ich mit meiner
Schwester, seien Sie einstweilen ohne Sorgen."
Er eilte hinaus, Frau Siebel folgte ihm mit der
brennenden Kerze und leuchtete ihm die Treppe hinunter.
Unten im Korridor hörte er eine Thüre knarren,
das feiste, glatt rasirte Gesicht des Antiquars sah ihn
mit boshaftem Grinsen an. Er eilte vorbei, die Be-
merkung, die ihm folgte, hörte er nicht, sie wär nichts
weniger als schmeichelhaft für ihn.
Irr Fieberhaft verließ er das Haus, die Besorgnisse
der ehemaligen Wärterin ließen ihm keine Ruhe.
Er begriff nicht, daß er selbst nicht daran gedacht
hatte, daß er so leichtfertig darüber hinweggegangen war;
jetzt konnte es schon zu spät sein, wenn die
Papiere sich bereits in den Händen des
Gerichts befanden, so waren sie natürlich
für ihn verloren.
Ohne Verzug eilte er in das Hotel, in
welchem der Verhaftete logirt hatte, man
kannte ihn in diesem Gasthofe nicht, wenig-
stens erinnerte er sich nicht, die SchweÜe
desselben jemals überschritten zu haben.
Er verlangte, mit dem Besitzer des Hotels
zu reden, und als er diesen: gegenüberstand,
fragte er ihn, ob er sich jenes Amerikaners
noch erinnere.
Der Wirth bejahte, die Erinnerung schien
ihm unangenehm zu sein, seine Stirne zog
sich in Falten.
„Und wo ist sein Gepäck geblieben?"
fragte Rabe.
„Es besteht aus einem Koffer, einer Reise-
tasche und einem Plaid," erwiederte der
Wirth, „das Alles befindet sich in meinem
Zimmer."
„Sehr'Wohl, ich wünsche, daß Sie es
mir verabfolgen," sagte der Gutsbesitzer,
tief aufathmend, „die Rechnung des Herrn
werde ich berichtigen."
„Und wer hat Sie bevollmächtigt, das
Gepäck in Empfang zu nehmen?"
„Sie haben allerdings ein Recht zu dieser
Frage, da Sie mich nicht kennen," erwiederte
Rabe, der in seiner Aufregung an diesen
Einwurf nicht gedacht hatte. „Ich werd
Ihnen eine Empfangsbescheinigung nach-
träglich, spätestens bis übermorgen schaffen."
„Damit kann mir wenig gedient sein."
Der Gutsbesitzer zog die Brauen zu-
sammen.
„Schenken Sie mir kein Vertrauen?"
fragte er barsch. „Wenn ich Ihnen mein
Wort darauf gebe, daß Sie die Empfangs-
bescheinigung erhalten werden, so —"
„Mein Herr, ich bin für diese Effekten
dein Verhafteten sowohl, wie dem Gericht

Bernhard Ernst v. Bülow, Staatssekretär im Auswärtigen Amte des deutschen Reichs.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Koitz. (S. 3t3.)
 
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