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Y

AUR J







rirte Familien-Zeitung.

Iahrg. 1898.





_ _ den Kopf.

Der Mut zum Glück.

Roman




Ä von
Hedwig Gchmeckebier-Erlin.
(Nachdruck verboten.)



Erltes Kapitel. ;
rer Kranz hängt zu hoch, Chriſtine; man liest
das „Willkommen“ in der Mitte nicht deut-
lh ME. ciute nur, gnädige Frau
„Meinen Sie nichts, Chriſtine, sondern

sehen Sie nach, wer draußen iſt; es hat
geklingelt.“

_ Frau Major Arens, eine Dame in den fünfziger |

Jahren, mit scharfen, verbitterten Zügen, ſchaute nach
der Uhr. Schon acht! Sie kam spät, wenn sie's war.

„Guten Abend, Mutter!“ sagte da eine müde, ton-
îüloſe Stimme, und kraftlos, als könne ſie ſich

nicht länger aufrecht erhalten, sank eine junge

Ftazichsettolt in einen der zunächſtſtehenden

tühle.

i "l dlich, Hildezard! Du machſt dich ſel-

ten. – Nein, nein, Chriſtine, laſſen Sie das

; je t. § ;

t Ein strenger Blick der Dame wies das
Mädchen, das die gewünſchte Aenderung des

HBlumenſchmuckes vornehmen wollte, hinaus.
Hierdurch wurde Hildegards Aufmerkſamkeit

hauf das über dem Eingang eines Seitenzim-
mers prangende Gewinde gelenkt.

„Einen Totenkranz, Mutter?“ fragte sie
leiſe. „Und ſchon jetzt?“

„Das sind unbehagliche Scherze! Hoffent-
lich haſt du's nicht ganz vergeſſen, deiner
Schwester einen freundlichen Empfang vorne
zubereiten. Sie wird dein früheres Mäd-
chenſtübchen beziehen, daher der Kranz über
der Thür. Hübſch, nicht wahr? Nur tiefer
hängen muß er.“

„Elsa!“ Ein zärtlich sinnendes Lächeln
huſchte über das Gesicht der jungen Frau.
„Das arme Ding! Oder vielmehr Arme
Mutter! Denn dich enttäuſchen ja wohl die
Erbſchaftsoffenbarungen nach Tantens Tode
U G n gl cce Vie Me irc
Töchter giebſt du jahrelang von dir, läßt
sie ſogar ihren Vatersnamen ablegen = alles
in der nunmehr zerſtörten Hoffnung, ihr da-
hurt) fitié geſicherte Zukunft zu schaffen; die
andere able...

Hildegard ſtockte, ihr Blick verdüſterte
sich. Dann fuhr sie mit veränderter Stimme
fort: „Was gedenksſt du in deinen beſchränkten
Verhältnissen mit Elſa anzufangen? Laß
ſie zu mir kommen!“

Abwehrend ſchüttelte die Frau Major

„Nein, auf keinen Fall! Ich

Ilnſt

nageln Sie ihn etwas tiefer an. Doch erſt



wollte wohl, daß du einen reichen Mann heiratetest,
will aber nicht, daß dieser Mann glaubt, auch deine
Schwester ernähren zu müssen.“ :
_ Cs folgte keine Antwort. In sich verſunken, als
hätte ſie das Geſprochene gar nicht vernommen, saß die
junge Frau da und ſtarrte geradeaus.
yMeorgen ~ flüſterten ihre Lippen plötllich, und
tödliches Erschrecken flog über ihre Züge. „Morgen,
Mutter, das wollt’ ich dir ja ſagen
Etwas Ratloſes, Verängstigtes sprach aus ihren
Augen: ihre Hände ſchlangen ſich fest ineinander.
„Mutter!" brach's dann in wilder, qualvoller Leiden-

ſchaft aus ihr heraus, „morgen bei Tagesanbruch iſt er

vielleicht ſchon tot! Er = er, den ich lieb habe, den
ich all mein Lebtag lieben werde, obwohl ich einem an-
deren angehöre als sein Opfer und Schauftück!“

Frau Arens war tief erblaßt. „Rede! Was ist ge-
ſchehen?“ sagte ſie ſchroff.

Sie wollen ſich duellieren – morgen in aller
rah... kam es so weit?“

„Wie es kam?" hauchte Hildegard, lehnte sich im



Konzert im Dachzimmer.
Nach einem Gemälde von J. Müller-Maßdorf. (S. 258)



Stuhl zurück und ſenkte die Lider. „Der Zufall führte
mich in dieſem Sommer an der See mit dem Doktor
zuſammen; darüber ſind meinem Manne ganz grundlose
und falſche Verdächtigungen zu Ohren gekommen.“

„Nun, und weiter?“ forſchte Frau Arens mit der
Ruhe eines Menſchen, der an traurige Ueberraſchungen
des Schicksals gewöhnt iſe.

„Du weißt, wie eiferſüchtig er iſt. Er ſuchte also
den Doktor alsbald auf, es gab einen Streit zwiſchen
ius und der Zweikampf wird der Schluß von allem
ein.' ;
„Hoffentlich,“ sagte Frau Arens hart, „wird die
Gerechtigkeit gegen den Mann entscheiden, der dir
deinen häuslichen Frieden nahm.“ .

"t it einem Laut des Entſetzens fuhr Hildegard in
ie Höhe.

„Und das = das ſprichſt du? –~ Du glaubſt, ich
könnte leben, wenn er fiele?“

_Frau Arens hatte ſich erhoben. Die Rechte auf die
Tiſchkante gestützt, stand sie hoch aufgerichtet vor ihrer
Tochter. „Und wenn der Vater deines Kindes das
Opfer deiner thörichten Leidenſchaft würde?“

Dumpf stöhnend ſchlug die junge Frau

die Hände vors Gesicht. „Dann ~ o Gott!

~ dann dürfte ich ebenfalls das Leben nicht
mehr ertragen! Fällt aber keiner von ihnen,
dann dauert mein Kampf fort ~ und ich will

Frieden haben, Mutter!“ .
„Dächteſt du an dein Kind, Hildegard,
o wüßtesſt du, wo du deinen Frieden zu

lu haſt. Du beſitzeſt eben kein Pflicht-

gefühl. .

Qu . & z; t f; 1

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sche Röte, und ſie beugte ſich ein wenig
gegen ihre Mutter vor. „Mein Leben ist
| U tm m s VU
des seligen Vaters und den deinen. Ich
ein Kind thun kann, als ich den Mann mei-

ner Liebe aufgab, um einen anderen zu hei-
naten, deſſen Verhältniſſe dir zuſagten. Von
da an bemühte ich mich redlich, dem Willen
dieses Mannes meinen eigenen zu opfern."

Eine ungeduldige Handbewegung der
Mutter war der einzige Widerſpruch, wäh-
rend sie ſich ins Sofa zurückgleiten ließ.

„Ich mache dir keine Vorwürfe, Mut-
ter," fuhr Hildegard fort. „Aber was unbe-
ſiegbar bleibt, was höher und höher wächst,
so tauſendmal ich's auch niederkämpfe, das iſt
die Liebe, die in meinem öden Daſein
Ut! ſchlug. Sie ist stärker als du, als
alles !“ :

„Schweig, Unselige!“ Heller Zorn über
die Tochter, die es wagte, der Mutter ſolche
Worte zu ſagen, loderte aus den Augen der
verbitterten Frau. ,Verſuche es nicht, deine
ſündhafte Thorheit mit ſündhafter Schwäche
zu entſchuldigen.“

V F §ildegars neigte den Kopf und sah zu

oden.

ordnete mich dir unter, Mutter, wie es nur
 
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