Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

DOI Heft:
Heft 1/2
DOI Artikel:
Clericus, L.: Das sogenannte Künstlerwappen
DOI Artikel:
Gmelin, L.: Die Mannesmannröhren im Kunsthandwerk
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0023

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
€s existirt eine Sage von einer merkwürdigen Fehde zwischen
der Straßburger Malerzunft und den Herren von Rappoltstei», weil
beide dasselbe Mappen, drei weiße Schilde in rothem Felde, geführt.
Die Sage ist oft angefochten worden, kann aber doch eine» historischen
Hintergrund habe», wen» — die Herren von Rappoltstei» am Ende
in der That auch Farbentöpfe im Schilde gefühlt hätten. Rappolts-
weiler ist von Alters her berühmt durch seine »teintureries et manu-
factures de toiles peintcs avec teinturerie, principalement pour rouge
d'Andrianople« — man wird sich schon an die Annahme gewöhnen

müssen, daß ungemein viele hochadelige Wappen einen gewerblichen
Ursprung haben. Die elsäßischen Dynasten standen sicherlich modernen
vorurtheilen sehr ferne und hatten keilien Anlaß, sich des industriellen
Grundes ihrer Wohlhabenheit zu schämen, so wenig wie die Eigen-
thümer von Papiermühlen, welche die heutzutage als Laurentiusroste,
Pallisaden u. dgl. angesprochenei:, derb gezeichneten Drahisiebe für
Büttenpapier iin Schilde führten, dieselben aber auf dem Helm aus prak<
tischen Gründen iu runder Form anbrachten, wie idj schon einmal
in der „Papierzeitung" ausgeführt habe.


’or wenig mehr als einem Jahre erregte die
Erfindung der Gebrüder Mann es mann,
Röhren durch ein Schrägwalzverfahren her-
zustellen, nickst nur in beu Kreisen der Tech-
niker, sondern allgemein das größte Aufsehen; man stand
hier vor einer förmlichen Revolution in der Technik.
Deiln während bis dahin alle Lisenröhren, sofern sie nicht
gegossen wurden, dn>ckiBiege» und Znsamnienschweißen von
Eisenblech hergestellt werden mußten, und sie somit
Ungleichheiten der Struktur besaßen, die sich beiin ver-
arbeiten oft sehr unangenehm bemerkbar machten, trat
hier plötzlid^ ein Material ans, weldfes als ein durchaus
homogenes mit keidstigkeit das bisher iiblidjc überall
da aus dem Felde schlagen mußte, wo man sich nicht
mit dein bloßen geraden Rohre begnügte, also ganz
besonders bei jeder künstlerischen Verarbeitung.

Innerhalb des Gebietes der Kunstschlosserei ist
darum dem neue» Material eine große Zukunft gesichert
namentlich bei den Belenchtungskörpern, da ja nicht
allein das Gas, sondern and? die Drähte für Glüh'
lichter der Röhren als Leitung bedüifen; während die ge<
wöhnlichen Eisenröhren bei Verarbeitung zu gebogenen
Armen sehr häufig (fast zu 30 °/o) an den Schweißnähten
ansrissen und alle etwa an denselben anzubringenden Ver-
zierungen anfgelöthet werden mußte», ist ein Aufreißen
der Mauiiesmannröhren wegen ihrer Nahtlosigkeit ausge-
sichloffen und das etwa anznbringende Blattwerk rc. kann
ohne Gefahr für die Rohrseele angeschweißt, also so-
lider befestigt werden als es bisher
durch Löthung möglich war. Ebenso
können diese Rohre ohne Rachtheil in
'hrer ganzen Länge in foldjc mit ellip-
k'lchein, quadratischem oder andeiem
^‘‘crfdjuitt — mit oder ohne schranbeu-
förniige Drehung—um-
geschmiedet werden; ein-
gehende praktische ver-
suche seitens mehrerer
Runstschmiede haben
dies bestätigt. Ja es
lassen sich sogar mehr-
fache Verschlingungen
Mit sehr engen Bieg-
ungen Herstellen, nach
Art der Abbildung auf
Seite ;5. Auch in rein
dekorativer Hinsicht bie-
tet das Material Vor-

züge, weldfe sich namentlich bei Gebilden von axialer Ge-
staltung, also z. B. bei mehrarmigen Leuchtern, ausnutzen
lassen; alle radial von der Axe ansstrahlenden Theile
schweißt man jetzt nicht mehr einzeln an, sondern bildet
sie aus dein Rohr selbst, während man Abiveichnngen von
der cylindrischen Grnndsorni, Ausbauchungen, tvulste,
Einziehungen u. s. w. durch Zusainmenstauchen oder Ans-
einaudeltreiben des glühenden Rohres Herstellen kann.

mmm

Blumen, wie man sie häufig als Endigungen von
Gitterstäben anbringt, werden künftig nur noch aus
Mannesinann-Rohr gemacht werden; Leuchter mit reichen
Füßen ans Blattwerk, dnrdchrochenem und gewnndenem
Schaft, belaubten Armen u. s. w., weld^e bisher aus
vielen Stücken zusanimengesihweißt werden innßten,
lassen sich ans Ulannesmannrohr verhältnißniäßig leidst
Herstellen, indem matt das Rohr nach Bedarf spaltet
und die dadurch entstehenden Lappen zu Blättern,
Spiralen, Leudsterarmen u. s. w, verarbeitet. Die auf
Seite oben gegebenen Abbildungen eines halb- und
eines ganzfertigen mehrarmigen Leudsters überheben
uns einer näheren Erläuterung.

Ein besonders reiches Beispiel geben wir in dem
hierneben dargestellten, von Hofknnstschlosser R. Kirsch
gefertigten Lüster, welcher ans 21 Stücken Mannesmann-
rohr znsatnmengefügt ist; wenn wir bei demselben etwas
länger verweilen, so geschieht es namentlich, um auf
diejenigen Theile desselben aufmerksam zu machen,
welche nicht deni Rohrcharakter oder der axialen Ent-
wickelung entsprechen und dennoch sich aus dem Rohr
leidster Herstellen lassen als aus dem gewöhnlichen Ma-
terial. Denn wenn uns and; die Herstellungsweise des das
Mittelrohr einklammernden Blatt- und Blnmenwerkes
sofort einlendstet, da es sich hier blos um ausgeschnittene
und ausgesdstniedete Rohrslücke handelt, welche über das
Hauptrohr geschoben sind, so erfordert es doch einige
Aufmerksamkeit, um and? bei den übrigen Guiamenten
die Lntstehlingsweise ans Rohr zu
erkentten. Der Lüster besitzt sechs Arme,
wovon je drei gleidjarlig ausgebildet
sind; das eigentliche Lritnngsrohr ist
jeweils begleit,t von starken Ranken,
welche nur nod; an einigen Stellen
Reste des Rohres er-
kennen lassen. Be-
tradstet man zunächst
den links im Profil
sidstbaren Arm, der
in anderer Ansicht
and? vorn - rechts zu
sehen ist, so bemerkt
man, daß das (Orna-
ment im wesentlichen
aus 3 «tigleidj großen
L-förmigen Biegungen
besteht, an deren ver-
einigungsstellen noch
die letzten Reste des Rohres zu sehen sind. Der mittlere
L-Bogen, welcher von dem Leitungsrohr durchsetzt wird,
ist an dieser Dnrchdringunasstelle breit auseinander
gebogen, wozu etwa die eine Längs-Hälfte des Rohr-
stückes nöthig war; die andere Längshälfte ist theils
für den ober», theils für den unter» L-Bogen ver-
wendet und zwar unter sorgfältiger Ausarbeitung zu
Blattranken. — Die andern drei Arme, von denen man

Lüster.
 
Annotationen