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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Kunst und Kunsthandwerk im Dienst der Naturkunde
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0086

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werks gutgeschrieben werden, so ist dies in noch höherem Grad der
Fall bei den Nachbildungen niederer Seethiere ans gefärbtem Glas.
Venn man freilich unter kunstgewerblichen Gebilden nur solche ver-

Kanne.

Aus einem Gemälde von Rogier von der lveyden in der Alten jDinakothek.
Gezeichnet von (£. Fr. weysser.

stehen will, welche zugleich irgend einem Gebrauchszweck dienen oder
wenigstens dem Grundgedanken nach einem solchen zu dienen bestimmt
sind, dann mußte man auch jene genauen Nachbildungen von Natur-
gebilden ausschalten; so gut indessen jede moderne Marmorcopie einer
antiken Statue als ein Merk der hohen Kunst angesprochen werden
wird, so gut dürfen wir jene Nachbildungen als Merke der Klein-
kunst beanspruchen.

Einige Beispiele mögen darlegen, welch' hoher Grad von Kunst-
fertigkeit und von Beherrschung der Glastechnik zur Ausführung dieser
Arbeiten gehört. Eines dieser Thiere — eine Tintcnfischart (Chiro-

teuthis Veranyi) — besitzt etwa so—<0 lange, vielfach gewundene
Fühler, die nicht 2 mm dick sind und mit zahllosen, etwa 2 mm langen
Dornen besetzt sind; all' die kleinen Sauger, dann die gallertartigen
Leiber, Flossen rc. sind mit einem ganz erstaunlichen Geschick uachge-
macht. Ganz besonders schön und complicirt ist die Blasenqualle (?by-
salia Arethusa), welche zum Theil aus einem Gewirre von band-,
schlauch-, perlschnurartigen, bald ein-, bald mehrfarbigen Saugern
besteht. Das Erstaunlichste aber findetjsich bei den Radiolaricn, die
sich eigentlich nnr in ihren einfachsten Exemplaren beschreiben lassen;
ein solches „einfaches" Beispiel (blelioLpkiaera acrinota) besitzt zu innerst
eine etwa 2>/- cm dicke Kugel, ans lauter kleinen Knöpfchen bestehend,
von welchen (radial) Draht-Fäden von 7—(o cm Länge ausgehcn,
diese Fäden durchbrechen eine Kugelstäche von etwa 7 cm Durchmesser,
welche aber selbst in ein Glasfadengeflecht mit sechsseitigen Maschen
von s mm Weite aufgelöst erscheint. Derartige Gebilde würden in
jeder Ausstellung als Meisterstücke angestaunt werden; hier thun sie
bescheiden den Dienst als Lehrmittel.

Waren die obengenannten Nachahmungen von Pflanzen das
Werk englischer kjände, (eines AK. Mi n torn und dessen Schwester), so
können wir dagegen die ungleich kunstreicheren Glasgebilde als
deutsche Arbeit bezeichnen; ihr Verfertiger ist L. Blaschka in
Kosterwitz bei Dresden. Ende der soer Jahre kam derselbe auf den
Gedanken, natnrgeschichtlich interessante Gegenstände zu wissenschaft-
lichen Zwecken in Glas zu modelliren; dieses Verfahren, welches der-
selbe bald in Gemeinschaft mit seinem Sohne Rudolf ausübte, kam
zuerst an botanische» Arbeiten, später an Seethiermodellen zur An-
Wendung. Durch gründliche Kenntnisse im Zeichnen und Modelliren,
sowie vieljährige theoretische und praktische Studien in der Zoologie
und in der vergleichenden Anatomie wurde eine hohe Vollkommenheit
erreicht. Die Modelle fanden im Laufe von etwa 28 Jahren Lin-
gang in zahlreiche naturgeschichtliche Museen der ganzen Erde; am
meisten besitzt das Ausland, Amerika und England, wo sie kaum
in einem Mnseum fehlen, dann Japan, Indien, Neuscelaud rc., am
wenigsten Deutschland, wo sich nnr in einigen preußischen Universi-
täten (z. B. Berlin und Königsberg) größere Sammlungen davon
beflnden. Seit einigen Jahren sind Vater und Sohn wieder zur Bo-
tanik zurückgekehrt und ausschließlich für das neue botanische Museum
der blarvarä-Gniversity in Cambridge Mass. (vereinigte Staaten von
Nordamerika) damit beschäftigt, Glas-Modelle von amerikanischen
Pflanzen und von deren analytischen Details zu fertigen. Der überaus
große Beifall, den diese Arbeiten in Auicrika fanden, führte im Jahr
Z8Y0 zum Abschluß eines Vertrags, nach welchem Vater und Sohn
gegen festes Gehalt zur Herstellung des Werkes „Die Typen der
Pflanzenwelt von Amerika" auf eine lange Reihe von Jahren ver-
pflichtet worden sind. Sind die Modelle der nieder» Seethiere nach
Abbildungen (z. B. nach bfäckel) angefertigt worden, so werden da-
gegen diese Pflanzenmodelle sammt den zugehörigen mikroskopischen
Analysen nach der Natur ausgeführt.

Das ist doch wohl ein Erfolg, den sich das deutsche Kunst-
Handwerk— wenn auch nur als rein nachahnrende Klein knust —
auf seine Rechnung setzen darf; mögen ihm mit der Weltausstellung
in Lhicago noch zahlreiche andere Nachfolgen. L. G.

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OCnfene kunstgewerblichen (DustenblsKen.

Taf. 22: Theekessel, Entwurf von Bildhauer Gottlieb Wil-
helm, München.

Taf. 55: K amin > Gfe u, Skizze von Prof. I. K l o u c e k, Prag.

Taf. 54: Spanische Aufnäharbeiten, ans der Samm-
lung des f. Bildhauers I. Krauth, Frankfurt a. M., nach Photo-
graphie von I. kjanfstängl, Frankfurt a. M., gezeichnet von F. A.
Weinzierl, München. Näheres hierüber s. Seite 72 in dem Aufsatz
über spanische Aufnäharbeiten.

Taf. 25: Rococo-Schrank, entworfen und ausgeführt von
Jof. Kugler, München.

Taf. 2s: Tafelaufsatz, nach Angabe» von Archit. Schäffler

entworfen und ausgeführt von Eifeleur Karl Rothmiiller, beide
in München. Der Aufsatz besteht aus Silber und ist ein Geschenk,
welches dem Lommerzienrath Wagner zu dessen silberner Kochzeit
von Freunden dargebracht wurde.

Taf. 57 & 58: Vertäfelung in Schloß velthurns bei
Klausen, Süd-Tirol, ausgenommen und gezeichnet von Architekt kfans
Kirchmayr, München. Diese Vertäfelung schließt sich an jenen auf Tafel
8 & 9 gegebenen Theil an. Als Verfertiger ist nach den Forschungen
Or. David Schön heer's laut der Brixener Baukostenrechnung nicht
der auf S. 28 genannte Meister Tschül, sondern kans S pin»ei dc r,
Tischlermeister in Meran anzunehmeu.

Hierzu

„Beiblatt" 5lr. jr.

verantw. Red.: Prof. L. Enieliii. — kerausgegeb. v. baycr. Kunktgewerbeverei». — Druck u. Tomm.-Verl. von Nnorr fy lbirtb in München.

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