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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

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Heft 11/12
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Riegl, Alois: Spanische Aufnäharbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0075

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Nr. \. Spanische Aufnäharbeit.

Aus dem Besitz des Bildhauers I. Kraut h in Frankfurt a/M.

MMW

Von Or. Alois Riegl.

NachdruÄ verboten.

ämintliche in diesen Blättern zur Abbildung ge-
langenden Aufnäharbeiten, die Bordüren Nr. (
bis (0 und das Flächenmuster Nr. p, erweisen
sich schon auf den ersten Blick als zu einer fest-
geschlossenen Gruppe zusammengehörig, da dieselben durch
wegs-sogenannte reciproke Muster zur Schau tragen. Ihnen
sollen auch unsere Ausführungen im Texte vornehmlich gelten;
die vier auf Tafel 5q. dargestellten Stücke, wurden haupt-
sächlich zu den: Zwecke herangezogen, um die Besonder-
heiten jener ersten Gruppe gegenüber den übrigen Aufnäh-
arbeiten der Renaissance, mit besonderer Berücksichtigung
der spanischen, schärfer und anschaulicher zu beleuchten.

Die voranzuschickende Aufzählung der über den Gegen-
stand vorliegenden Vorarbeiten wird uns nicht lange auf-
halten. Lady Alford ist bisher die einzige gewesen, die
in ihrem Need lew ork as art der Aufnäharbeit oder
Applikationsstickerei (cutwork, opus consutum) eine selb-
ständige, aus Denkmälern ausgebaute historische Würdigung
hat zu Theil werden lassen. Von den Besonderheiten der
spanischen Aufnäharbeiten ist aber in dem bezüglichen
Tapitel (Needlework 5. 2^l^ ff.) ebensowenig die Rede,
wie von reciproken Mustern. Dagegen hat F. Lipper-
heide (Die dekorative Kunststickerei I. Die Aufnäharbeit)
von dem Vorkommen reciproker Muster aus älteren Arbeiten
dieser Art und den Beziehungen derselben zur spanischen
Maureske bereits kurze Notiz genommen, allerdings nicht
in der historischen Einleitung, die in: Wesentlichen bloß
ein Auszug aus Lady Alfords obcitirten Ausführungen
ist, sondern im Lause der technischen Erörterungen (a. a. (D.
S. HZ, Hfi), was übrigens sehr natürlich erscheint, da ja
das reciproke Muster, wie wir sehen werden, bei der
mosaikartigen technischen Ausführung erhebliche Erleichter-
ungen in der Arbeit und Ersparungen an Material ermög-
lichte. So finden wir in der erwähnten Publikation von
F. Lipperheide unsere Nr. 6 in Farbendruck, ferner zwei
breitere Bordürenmuster nach den: gleichen Schema in
Schwarzdruck (a. a. G. Fig. s50, (5(), abgebildet. Die
Zahl der erhaltenen Originale dieses Charakters ist keine

sehr große; in der reichen Sammlung von Ausnäh-Arbeiten,
die das kk. Oesterreichische Museum besitzt und in welcher
sich auch von Arauth erworbene spanische Arbeiten befinden,
begegnet uns bloß ein einziges Stück mit reciprok gemusterter
Bordüre. Nachdem es gleichwohl gelungen ist, in diesen
Blättern eine so stattliche Auswahl davon zusammen-
zubringen, sind wir aus Grund dessen nunmehr in Stand
gesetzt, die Eigenthümlichkeiten dieser technisch und kunst-
historisch gleich interessanten Alasse von Stickereien näher
und gründlicher zu erörtern.

Eingangs scheinen nur noch einige aufklärende Worte
darüber nothwendig, woraus sich die Annahme einer
spanischen Provenienz der zu behandelnden Stücke gründet.
Dieselbe erscheint in den weitaus meisten Fällen dadurch
sichergestellt, daß die Originale sich in: Besitze des ver-
storbenen Bildhauers I. Arauth in Frankfurt a. Main
befanden, der seine Sammlung textiler Aunstgegenstände,
wie allgemein bekannt, in Spanien zusammengebracht hatte.
Die Nr. 8, c» und i \ wurden von perrn Pros. Gmelin
in: South-Aensington - Museum ausgenommen, wo die
Originale gleichfalls als spanischer Perkunst bezeichnet sind;
wir haben keinen ersichtlichen Grund, an der Stichhaltigkeit
dieser Zuweisung zu zweifeln.

Die charakteristische Eigenthümlichkeit der uns hier
vornehinlich beschäftigenden Alasse von Aufnäharbeiten be-
steht, wie schon n:ehrsach betont wurde, in der Reciprocität
der daran zur Verwendung gekonnnenen Muster. Reci-
prokc Muster sind bekanntlich diejenigen, an denen ein ein-
ziges Motiv in stetiger Wiederkehr die Verzierung der ge-
fammten gegebenen Fläche in der Weise bestreitet, daß
zwischen den nebeneinandergereihten Motiven kein Grund
frei bleibt, sondern Motiv neben Motiv ohne Lücke an-
einander paßt. An den Bordüren tritt dieses Verhältniß
klarer entgegen als an größeren Innenfüllungen, da an
jenen das immer wiederkehrende Einzelinotiv in regelmäßiger
Alternirung einmal von unten nach oben, dann wieder
verkehrt von oben nach unten gerichtet erscheint. Das
Voneinanderscheiden der beiden Richtungen wird für das

Seitschrift des bayer. Aunstgewerbe.Vereins München.

(892. Heft U 2 12. <»g. 1.)
 
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