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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

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Heft 7/8
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Vogel, F. Rudolf: Ueber amerikanisches Kunstgewerbe
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0062

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52 -l'

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Auf das Abweichende in der Möbeltischlerei ist schon hin-
gewiesen, doch sind alte Kommoden und Schreibtische unseren Ge-
schmackes aus der letzten Ejälfte des vorigen Jahrhunderts in farbigem
Holz mit oder ohne Intarsien und Beschläge sehr gesucht, ebenso
Truhen und reich geschnitzte Sitzbänke für Kissenauflager, womöglich
nach alten Vorbildern, auch reich geschnitzte Standuhren. Die Betten,
obwohl aus gesundheitlichen Rücksichten in Eisen, Messing und Bronze
bevorzugt, sind breite, sogenannte zweischläfrige oder wenigstens \a}i
Betten mit hohem, reich ausgestattetem Kopfstück; Himmelbetten sind
als ungesund verworfen. Kleine Sachen, wie Schatullen, Nähtische rc.
haben gute Aussicht auf Verkäuflichkeit. Die gewöhnliche Tischlerei
steht drüben, dank den wundervollen und verschiedenfarbigen hölzern
und den ausgezeichneten Arbeitsmaschincn, sowie den hohen An-
forderungen, die der Amerikaner stellt, aus höherer Stufe als bei uns.

Auch die Drechslerei steht drüben auf einer sehr hohen Stufe, weil
das Bedürfniß ein größeres ist, besonders große Stücke wie Säulen rc.
werden viel verwendet, und bieten unsere mittelalterlichen oder Früh-
renaissance-Drechslereien gute Vorbilder dafür. Kopien alter Spinn-
räder und Aehnliches würden einen sehr guten Absatz drüben erzielen.

Auch die Elfenbeinschnitzerei hat in ihrer vielfältigen An-
wendungsweise große Aussicht auf Erfolg; der Amerikaner liebt, wie
wiederholt betont, reiche Schnitzereien und hat das Geld, sie zu bezahlen.

Im Anschluß hieran will ich gleich die Bilderrahmen be-
sprechen; sie sind meist glatt und schlicht aus feinem Holz, oft ver-
goldet oder bronzirt, wohl bei breiten schlichten Rahmen mit nur
leicht aufgesetzter plastischer Ranke auf einer Ecke verziert. Aus ver-
schiedenfarbigen Hölzern zusammengesetzte Rahmen sind häufig, und
ist besonders das graue, seidenglänzende Wurzelmaserholz mit vielen
Augen beliebt, von vergoldeten oder andersfarbigen Profilen einge-
faßt; aber auch reich geschnitzte Rahmen tief ausgestochen in spät-
gothischen oder Renaissanceformen, in Naturholz oder vergoldet. Zur
Eindeckung der Bilder, wie auch für Fenster und Schränke wählt der
Amerikaner das dicke geschliffene Spiegelglas mit Facette; gute Stiche
oder Radirungen dürften als Sujets gewählt werden, für lichte
Aquarelle sind altelsenbeinfarbige Rahmen mit Gold abgesetzt modern.
Kleine Rahmen hängen selten an der Wand, sind vielmehr auf
Stasfeleicn untergebracht.

Die keramische Kunst steht drüben auf sehr (? d. Red.) hoher
Stufe und steht mit ihren Fabrikaten den berühmtesten europäischen
Manufakturen fast ebenbürtig an der Seite; in Vasen sind künstlerisch
schöne oder eigenartige Formen und Farbengebung sehr beliebt, besonders
wo es sich um Farbeneffekte für Zimmerausstattung handelt. Alle
künstlerisch mit der Hand gemalten Verzierungen, sei es Porzellan,
Majolika, Fayence oder Fliesen und Friese haben große Aus-
sicht auf Erfolge, z. B. in sich abgeschlossene ornamentirte Fliesen für
Untersätze, Jardinieren und ähnliche Gebrauchsgegenstände, sowie fort-
laufende Dessins für Kaminumrahmungen, hier besonders Pflanzen-
ornamente und Thiergestalten und Innendekorationen, auch größere
Darstellungen für Wandflächen rc.

Ls wird ausgefallen sein, daß ich der Vefen noch keine Er-
wähnung gethan habe. Die Lentralheizung ist vorherrschend, daneben
sind nur die bekannten amerikanischen eisernen Defen für Dauerbrand
in Gebrauch, die im Sommer meist sortgenommen werden. Kachel-
öfen kennt man gar nicht; sie würden höchstens als Kuriosum Lhancen

haben, dann müßten es möglichst abenteuerliche Formen und Aus-
schmückungen sein oder ganz alte Luther- oder Tiroleröfen, höchstens
würden reiche, mächtige Kaminaufbauten in Majolika für großstädtische
Zwecke Aussicht haben, vielleicht auch reiche Friese und Füllungen für
Außenarchitektur. Terrakotten sind sehr am Platz, reiche Be-
krönungen und Gesimse, Friese, Füllungen und Fliesen für Innen-
und Außendekoration, sowie figürliche Darstellungen und Statuetten.
Stift- und Glasmosaik haben ein großes Feld und werden bis
jetzt fast nur von Italien bezogen. Auch die Herstellung farbiger
Fenster steht drüben auf einer sehr hohen Stufe dank der ausge-
zeichnetsten Technik und der Mitwirkung von Künstlern von Fach.
Noch bis vor kaum zehn Jahren wurden alle besseren farbigen Gläser
vou Europa bezogen, jetzt nur noch die billigen Sorten. Der Ameri-
kaner hat solche Fortschritte in der Herstellung dieser Fenster gemacht,
daß er die schönsten Farben des Mittelalters erreicht und übertroffen
hat. Die sogenannten Wolken- oder Draxeriegläser, faltige ungleich
durchscheinende Gläser mit sanften Uebergäugen, wie solche mit Vor-
liebe für Wolken, Draperie und Gewandung gebraucht werden, sind
hier fast noch unbekannt und erzielen wundervolle Effekte und über-
treffen selbst die Wirkung der Handmalerei. Durch Uebereinanderlegen
verschiedener Farben, um eigenartige Töne oder „opake" Effekte zu
erzielen, hat man reiche Mittel, die Gesammtwirkung zu unterstützen
und wird so viel an theurer Handmalerei gespart; trotzdem hat auch
unsere Glasmalerei besonders für kirchliche Zwecke viel Aussicht
auf Erfolg. Neben den streng stilisirten gothischen und romanischen
Formen wird hier auch die realistische Behandlung und Darstellungs-
weise beliebt und herrscht letztere im Profanbau allein. Sehr beliebt
ist auch das sogenannte Spinnwebemotiv, eine willkürliche aber har-
monische Zusammenstellung von Farben nach dem orientalischen
Texpichprinzip, das entweder selbständig auftritt oder den Hintergrund
für Darstellungen abgibt.

Der Geschmack für Bucheinbände bewegt sich in einer sehr
abweichenden Richtung, die sich wohl nur durch Vorlage von Mustern
beschreiben läßt. Als Ausstellungsgegenstände dürften sich trotzdem
wohl sehr reich und künstlerisch ausgeführte Albums, womöglich nach
alten Mustern, vielleicht kirchlicher Richtung mit reichen Beschlägen
eignen. Lin sehr großes Feld dürfte sich für alle Arten von Leder-
arbeiten bieten, besonders Schnittarbeiten mit und ohne Malerei
in ihrer tausendfältigen Anwendung.

Auch die Handstickerei hat große Lhancen, und es werden
für schöne künstlerische Zeichnung und Ausführung enorme Preise be-
zahlt, z. B. vom Liebhaber für eine Portiere mit Kensingtonstickerei
2000 M.; auch Portieren, Tischdecken, Vorhänge, Tischzeug und Hand-
tücher und all die tausend Sachen für Ausstattung und Gebrauch
dürften sich als lohnend erweisen.

was noch den Farbendruck anbetrifft, so dürfte der Ameri-
kaner, der das Echte liebt, wenig für denselben als Wandschmuck
übrig haben, dagegen gehen Neujahrskarten, Kalender und Aehnliches
sehr, besonders bei künstlerischer Ausstattung und Bezugnahme auf
amerikanische Sitten. Eines der ersten dortigen Häuser „Prange"
zahlt für gute Entwürfe horrible Summen und werden für die aus-
geführten Karten selbst bis ;o Mk. und mehr bezahlt. Besonders für
Reklamezwecke findet der Farbendruck eine Anwendung in großartig-
stem Maßstabe.

OCnfWe kunstgewerblichen MustenblMen.

Tafel 20: Fächer. Entworfen und ausgeführt von Prof. Karl
E y t h, Karlsruhe und Ziseleur Karl R 0 t h m ü l l e r, München. (Erster
Preis bei der Fächerkonkurrenz in Karlsruhe \8y\). Die Malerei — die
Musik darstellend — ist von Prof. Lyth in Aquarell auf sog. Schwanen-
haut gemalt; die Fassung ist entworfen und ausgeführt von Ziseleur
Rothmüller. Dieselbe besteht aus Perlmutter in Gold- und Silber-
fassung, die mit Edelsteinen besetzt ist. Die vergoldete Gravirung
auf den Perlmutterblättchen besorgte Graveur Karl Griebel, München.

Tafel 2\: Schmnckschalen aus Krystall und Vnyx. Ent-
worfen von L. Görig, Idar a. d. Nahe.

Tafel 22: Wohnzirnmer. Im Hause des Kunstmalers Rud.
w i m in e r.

Tafel 23: Gitter. An einem Epitaph in der Pfarrkirche zu
Landsberg a. Lech. Ausgenommen und gezeichnet von Architekt Holz-
inger, München.

Tafel 2q: Buffet für ein Kneipzimmer. Entworfen in der
Architektur-Klasse des Professors L. Romeis von Kunstgewerbeschüler
Karl Bauer, München. (Querschnitt und Seitenansicht'hierzu folgen
in nächster Nummer.

Tafel 2q: Gemaltes Uhrschild. Lntworfeu und gezeichnet
von Professor K. Lyth, Karlsruhe. Ausgeführt von Doldt & Ret-
tich, Furtwangen (Schwarzwald).

hierzu „Beiblatt" Hi1. 7*

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verantw. Red.: Prof. £. Gmelin. — Herausgegeb. v. bayer. Lunstgewerbeverein. — Druck u. Lomm.-Verl. von Lnorr $ Ibirth in München.
 
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