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Knaben-Grchester von f Bildhauer Larl Fischer, München.
Nekrolog.'^)
m 24. Februar letzten Jahres wurde auf dein nördlichen
Friedhöfe zu München ein Mann zu Grabe getragen,
dessen Leben reich an Sorgen und Mühen, aber auch
nicht arm an schönen Erfolgen war: Bildhauer Larl
Fischer.*) **) Hatte er auch selten Gelegenheit, sich in
den höchsten Aufgaben seiner Kunst als Meister zu bewähren, so durste
man ihn doch im Hinblick auf seinen nimmer rastenden Fleiß und
seinen trefflichen Lharakter mit den Besten seiner Bcrufsgeuosscn aus
eine Stufe stellen. Kaum vier Wochen vor seinem Tode hatte er
an derselben Traucrstätte, anläßlich eines plötzlichen Todesfalles in
einer befreundeten Familie die Aeußeruug gcthan: „Wir können Nichts
unser Ligen nennen als ein gutes Gewissen". In diesen wenigen
Morten ist dieser Mann in seinem innersten Wesen gekennzeichnet;
ein grundehrlicher, sittenreiner Lharakter durch und durch, welchen
Entbehrungen aller Art, harte Kämpfe und schwere Schicksalsschläge
gestählt hatten. Es lohnt sich wohl der Mühe, die Entwicklung dieser
echt deutschen Natur zu verfolgen, umsomehr, als eigene Aufzeichnungen
des verstorbenen vorzügliche Anhaltspunkte dafür gewähren.
Earl Fischer wurde geboren am 8. Dezember ;838; seine Gc-
burtsstätte, das damalige hannöver'sche Hüttenwerk Rothe Hütte
liegt am Fuße des Blocksberges, etwa eine Wegstunde von jenem
Mrte Schierke, dessen romantische Umgebung Goethe in der Walpurgis-
nacht seines „Faust" besingt. Die rauhe Berglust, in Verbindung
mit einer mehr als einfachen Lebensweise ließen den anfangs etwas
schwächlichen Knaben trefstich gedeihen. Der Unterricht in der Volks-
schule, wo er ohne Mühe den ersten Platz errang, genügte ihm bald
nicht mehr; ebenso behagte ihm auch die wiesen- und Feldarbeit nicht,
der er sich dann und wann unterziehen mußte. Sein Vater, welcher
an der genannten Hütte eine bescheidene Anstcllnng hatte, trat dem
heftigen Streben des Jungen nach einer besseren Schule stets dämpfend
") Ascher hat selbst seinen Vornamen stets mit £ geschrieben: diese Schreib-
weise ist deßhalb hier beibehalten.
entgegen: er hatte selbst mehrere Jahre ein Gymnasium besucht, aber
wegen eines Vhrculcideus die Studien aufgcbcn müssen, was ihn zeit-
lebens verstimmte. Sein Sohn sollte deßhalb, um vor ähnlichen schweren
Stunden bewahrt zu werden, in den engen Verhältnissen verharren
und versuchen, im Genüsse eines mehr als bescheidenen, aber sogenannten
„gewissen Brodcs" auf dem königlichen Hüttenwerk glllckiick zu werden.
Mit Fleiß und Leidenschaft zeichnete indessen der Junge was ihni
unter die Hände kam: nach guten und schlechten Vorlagen oder nach
der Natur, am liebsten Porträts; ebenso intercssirtcn ihn die auf der
Hütte hcrgcstelltcn Kunstgüsse ganz besonders, und als er endlich nach
zurückgclcgtcr Volksschule als Lehrling in die „Ulodellirstube" kam,
war er überglücklich.
Hier machte er seine ersten Studien im INodellircn und lernte
nebenbei die Technik des Liseugießcus; feine hier erworbenen Kenntnisse
der Gießtechnik sind ihm später, bei seinen Modellen zu Erzgüssen, sehr zu
statten gekommen, — aber zur künstlerischen Ausbildung fehlte hier dem
vorwärtsstrebendcn die ersehnte Anregung und die gute Führung. Er
freute sich deßhalb, daß er — als 2; jähriger — auf ein anderes könig-
liches Eisenwerk am Harz geschickt wurde, um dort als junge Kraft
im Modcllwesen thätig zu sein; hoffte er doch, durch diese Veränderung
seinen Zielen näher zu kommen. Dort traf er einen älteren Herrn,
der früher Bildhauer i» Berlin war, sich aber durch dcu festen Gehalt
und dcu königlichen Dienst in jungen Jahren fesseln ließ und nun in
höchster Unzufriedenheit verkümmerte; der tägliche Verkehr mit dem
Unzufriedenen gab dem Sehnen Fischers allmälig bestimmte Form.
Schon halb dem elterlichen Einfluß entzogen, entschloß er sich, da ihm
ein längerer Urlaub verweigert wurde, der Heimat den Rücken zu
kehren und in Hannover in einem Bildhaueratelier sein weiteres Fort-
kommen zu suchen, freilich wegen der väterlichen Warnungsrufe mit
schwerem Herzen. Der besorgte Vater ahnte nicht, mit welchem gerechten
Stolze er dereinst auf seinen Sohn blicken werde.
Zunächst schien cs, als ob die Warnungen sich als begründet
erweisen sollten; denn um in einem Atelier fortznkommen, dazu reichte
*) Infolge verschiedener Hindernisse ist es uns leider erst jetzt möglich gewesen, die schon in Nr. 4 des „Beiblattes" s8gt (s. 2S) in Aussicht gestellte Schilderung des
künstlerischen und kunstgewerblichen Wirkens Ascher's zu bringe».
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Knaben-Grchester von f Bildhauer Larl Fischer, München.
Nekrolog.'^)
m 24. Februar letzten Jahres wurde auf dein nördlichen
Friedhöfe zu München ein Mann zu Grabe getragen,
dessen Leben reich an Sorgen und Mühen, aber auch
nicht arm an schönen Erfolgen war: Bildhauer Larl
Fischer.*) **) Hatte er auch selten Gelegenheit, sich in
den höchsten Aufgaben seiner Kunst als Meister zu bewähren, so durste
man ihn doch im Hinblick auf seinen nimmer rastenden Fleiß und
seinen trefflichen Lharakter mit den Besten seiner Bcrufsgeuosscn aus
eine Stufe stellen. Kaum vier Wochen vor seinem Tode hatte er
an derselben Traucrstätte, anläßlich eines plötzlichen Todesfalles in
einer befreundeten Familie die Aeußeruug gcthan: „Wir können Nichts
unser Ligen nennen als ein gutes Gewissen". In diesen wenigen
Morten ist dieser Mann in seinem innersten Wesen gekennzeichnet;
ein grundehrlicher, sittenreiner Lharakter durch und durch, welchen
Entbehrungen aller Art, harte Kämpfe und schwere Schicksalsschläge
gestählt hatten. Es lohnt sich wohl der Mühe, die Entwicklung dieser
echt deutschen Natur zu verfolgen, umsomehr, als eigene Aufzeichnungen
des verstorbenen vorzügliche Anhaltspunkte dafür gewähren.
Earl Fischer wurde geboren am 8. Dezember ;838; seine Gc-
burtsstätte, das damalige hannöver'sche Hüttenwerk Rothe Hütte
liegt am Fuße des Blocksberges, etwa eine Wegstunde von jenem
Mrte Schierke, dessen romantische Umgebung Goethe in der Walpurgis-
nacht seines „Faust" besingt. Die rauhe Berglust, in Verbindung
mit einer mehr als einfachen Lebensweise ließen den anfangs etwas
schwächlichen Knaben trefstich gedeihen. Der Unterricht in der Volks-
schule, wo er ohne Mühe den ersten Platz errang, genügte ihm bald
nicht mehr; ebenso behagte ihm auch die wiesen- und Feldarbeit nicht,
der er sich dann und wann unterziehen mußte. Sein Vater, welcher
an der genannten Hütte eine bescheidene Anstcllnng hatte, trat dem
heftigen Streben des Jungen nach einer besseren Schule stets dämpfend
") Ascher hat selbst seinen Vornamen stets mit £ geschrieben: diese Schreib-
weise ist deßhalb hier beibehalten.
entgegen: er hatte selbst mehrere Jahre ein Gymnasium besucht, aber
wegen eines Vhrculcideus die Studien aufgcbcn müssen, was ihn zeit-
lebens verstimmte. Sein Sohn sollte deßhalb, um vor ähnlichen schweren
Stunden bewahrt zu werden, in den engen Verhältnissen verharren
und versuchen, im Genüsse eines mehr als bescheidenen, aber sogenannten
„gewissen Brodcs" auf dem königlichen Hüttenwerk glllckiick zu werden.
Mit Fleiß und Leidenschaft zeichnete indessen der Junge was ihni
unter die Hände kam: nach guten und schlechten Vorlagen oder nach
der Natur, am liebsten Porträts; ebenso intercssirtcn ihn die auf der
Hütte hcrgcstelltcn Kunstgüsse ganz besonders, und als er endlich nach
zurückgclcgtcr Volksschule als Lehrling in die „Ulodellirstube" kam,
war er überglücklich.
Hier machte er seine ersten Studien im INodellircn und lernte
nebenbei die Technik des Liseugießcus; feine hier erworbenen Kenntnisse
der Gießtechnik sind ihm später, bei seinen Modellen zu Erzgüssen, sehr zu
statten gekommen, — aber zur künstlerischen Ausbildung fehlte hier dem
vorwärtsstrebendcn die ersehnte Anregung und die gute Führung. Er
freute sich deßhalb, daß er — als 2; jähriger — auf ein anderes könig-
liches Eisenwerk am Harz geschickt wurde, um dort als junge Kraft
im Modcllwesen thätig zu sein; hoffte er doch, durch diese Veränderung
seinen Zielen näher zu kommen. Dort traf er einen älteren Herrn,
der früher Bildhauer i» Berlin war, sich aber durch dcu festen Gehalt
und dcu königlichen Dienst in jungen Jahren fesseln ließ und nun in
höchster Unzufriedenheit verkümmerte; der tägliche Verkehr mit dem
Unzufriedenen gab dem Sehnen Fischers allmälig bestimmte Form.
Schon halb dem elterlichen Einfluß entzogen, entschloß er sich, da ihm
ein längerer Urlaub verweigert wurde, der Heimat den Rücken zu
kehren und in Hannover in einem Bildhaueratelier sein weiteres Fort-
kommen zu suchen, freilich wegen der väterlichen Warnungsrufe mit
schwerem Herzen. Der besorgte Vater ahnte nicht, mit welchem gerechten
Stolze er dereinst auf seinen Sohn blicken werde.
Zunächst schien cs, als ob die Warnungen sich als begründet
erweisen sollten; denn um in einem Atelier fortznkommen, dazu reichte
*) Infolge verschiedener Hindernisse ist es uns leider erst jetzt möglich gewesen, die schon in Nr. 4 des „Beiblattes" s8gt (s. 2S) in Aussicht gestellte Schilderung des
künstlerischen und kunstgewerblichen Wirkens Ascher's zu bringe».
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