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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

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Heft 5/6
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Falke, Jakob von: Die kirchliche Kunst in geschichtlicher Uebersicht, [1]: Die kirchliche Kunst im Mittelalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0041

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oder sonstigen auf seine Veranlassung oder aus seiner Zeit
stammenden Arbeiten erhalten ist, giebt kein Recht zu jener
Bezeichnung und spricht nicht für einen besonderen Erfolg.
Von der Architektur abgesehen, sind es eine Anzahl Elfen-
beintafeln , einige Werke der Goldschmiedekunst und die
Manuskripte mit ihren Miniaturen und Grnamenten, welche
von der Kunst dieser Zeit eine Vorstellung geben, und
das meiste von ihnen gehört noch seinen Nachfolgern an,
der karolingischen Epoche überhaupt. Zn den Manuskripten
ersteht allerdings wieder eine neue Malerei mit einer durch-
aus eigenthümlichen Grnamentation, welche das Motiv der
verschlungenen Bänder, in Verbindung mit den nordischen
Thiermotiven der geflügelten Drachen oder Lindwürmer,
zu äußerster Künstelei ausbildet. Aber es ist nichts daran
von besonderer kirchlicher Art; die Kirche — denn es sind
Geistliche, welche die Bücher schreiben und malen — bedient
sich nur dieser Grnamentation gleicherweise für Schriften
weltlichen wie religiösen Inhalts. Die wenigen Goldschmied-
arbeiten, ein Eruzifix oder goldene Decken heiliger Bücher,
sind von wenig künstlerischer Bedeutung; sie haben ihren
Werth nur im Material, im Besatz mit Edelsteinen oder
in ihrem antiquarischen Interesse.

Erst in jenes Jahrhundert des sächsischen Kaiserhauses,
in das zehnte Jahrhundert nach Christo, in die Epoche
der Dttonen kann nran den Anfang einer wirklichen kirch-
lichen Kunst setzen, welche von nun an sich gleicherweise
unausgesetzt technisch vollendete und zugleich eigenthüinliche
Formen entwickelte. Es war die Zeit, da das klassische
Alterthum sich mit seinen Traditionen bis auf wenige
Reste ausgelebt hatte, merkwürdiger Weise aber mit seiner
künstlerischen Hinterlassenschaft in Italien auf die in Krieg
und Frieden nach Italien wandernden Deutschen ganz aufs
Neue zu wirken und anzuregen begann. Der Anstoß ging
von den Röinerzügen und den Kaiserkrönungen aus, und
es stellte sich ununterbrochene Verbindung mit dem Ljeimath-
lande der Kunst heraus, das wohl nicht viel Neues schuf
und nichts Vollendetes arbeitete, umsomehr noch von alter
Kunst zu zeigen hatte. Der Anregung, welche sie in Italien
empfangen hatten, folgten eine Reihe deutscher Bischöfe, an
deren Spitze Bern ward von kstldesheim zu nennen ist.
Gleichzeitig waren Lhristenthum und Germanenthum so
verschmolzen, daß ein neuer christlich - germanischer Geist
entstand, der ebenso im religiösen wie im weltlichen Leben,
in der Geistlichkeit wie im Ritterthum, in einer neuen
Literatur und Dichtung wie in einer neuen Kunst in die
Erscheinung trat. Manche Vorbilder, manche Anregung
kam auch jetzt wieder von Byzanz, das selbst dem deutschen
Reiche in der Gemahlin Gtto II., Theophano, eine Kaiserin
sendete, begleitet, wie es heißt, von Künstlern.

Das zehnte Jahrhundert ist daher von außerordent-
licher Bedeutung für die Geschichte der kirchlichen Kunst,
obwohl es für den ersten christlichen Kunststil, den roman-
ischen, nur die Vorbereitung war. Aber es zeigte Leben,
Thätigkeit, Schaffenstrieb auf dem Gebiete der Kunst. Die-
jenigen, welche bestellten, förderten, leiteten, die Mäcene
und Protektoren der Kunst, waren außer den Mitgliedern
des Kaiserhauses — und hier sind insbesondere auch die
Frauen zu nennen — die hohen Kirchenfürsten, und die
Stätten, wo gearbeitet wurde, waren Klöster, wie St. Gallen,
Fulda, Hellmershausen, und die Ateliers an den Höfen der

Vierländer tqemdsxange aus Silberfiligran.

Gezeichnet von <£. S ch l otke-Hamburg, (wirkliche Größe, vgl. S. ZH ff.)

Bischöfe. Die Kunst dieser Epoche war demnach eine eminent
kirchliche, sowohl nach ihrer Entstehung, wie nach Art und
Bestimmung der Gegenstände.

Aber sie war noch unvollkommen, noch unentwickelt,
noch ohne bestimmten Charakter in den Formen, noch auf
sehr niedriger Stufe stehend in Bezug auf Zeichnung und
Modellirung. Das Beste leistete auch wiederum die Gold-
schmiedekunst. Sie war, wie es scheint, die Lieblingskunst der
Klosterwerkstätten; ihrer vor allem bedurfte noch die Kirche
zu ihrem Schmucke und zu ihrem Dienste. Es ist auch noch
mancherlei davon in den Schätzen der Kirchen und der
Museen erhalten, um uns von ihrer Art und Leistungs-
fähigkeit in: zehnten und in der ersten Hälfte des elften
Jahrhunderts einen genügenden Begriff zu machen. Es
sind Kreuze, Reliquiarien, Gefäße, insbesondere reich ver-
zierte Buchdeckel, welche mit den kostbaren Manuskripten
den Wechsel der Zeiten überdauert haben. Man kann
diese Gegenstände vom Standpunkt einer vollendeten Kunst
gewiß nicht als Muster aufstellen, dennoch gewähren sie
technisch bereits wieder höchst anerkennenswerthe Leistungen.
Dahin gehört die Anwendung des Zellenschmelzes auf goldenen
Platten, eine zierliche Arbeit, welche am besten und voll-
konimensten in Konstantinopel ausgeführt wurde, aber auch
in Deutschland, besonders in den geistlichen Werkstätten
Niedersachsens, Nachahmung fand, wenn auch nach Farben-
schmelz und Arbeit in minder ausgezeichneter Weise. Die
Reliquiariensammlung des Hauses Braunschweig-Lüneburg
bewahrt mehrere Kreuze dieser Art von sächsischer Arbeit,
desgleichen das Stift zu Effen. Neben diesem Email zeichnet
sich die Filigranarbeit aus, bestehend in goldenen Fäden,
welche sich in Spiralenwinden und in ihrer Mitte mit einem
rosettenartigen Knöpfchen endigen. Ganze parthien der
Flächen, z B. die Arme der Lruzifixe, sind damit bedeckt.
Linen Hauptschmuck des goldenen Geräthes bildet noch der
reiche Besatz mit Edelsteinen oder mit perlen, welche letzteren,
auf einen Draht gezogen, die Kanten begleiten. Die Edel-
steine sind noch rund geschliffen und sie haben somit wenig
Glanz, zwischen ihnen aber befinden sich zahlreich antike
Lameen, deren heidnischer Gegenstand nicht in Frage kam.
Wenn aber die Edelsteine wenig Wirkung machen, so be-
 
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