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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

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Heft 5/6
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Falke, Jakob von: Die kirchliche Kunst in geschichtlicher Uebersicht, [1]: Die kirchliche Kunst im Mittelalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0043

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es war doch mehr Runst, Maß und Sinn darin, als in der
früheren Zeit. Die großen Initialen der Manuskripte in
romanischer Zeit sind trotz der verschlungenen Drachen und
Vögel, welche sich nach vielen Windungen in den Schwanz
beißen, wirklich schöne Runstleistungen.

Die Goldschmiedekunst, welche auch noch in dieser Epoche
vorzugsweise in den geistlichen Werkstätten gepflegt wurde,
erlitt oder erlebte mehrfache Veränderungen. Nicht bloß,
daß der Figurenschmuck ein reicherer wurde, daß die Figuren
in ihrer Bildung, die getriebenen, wie die gegossenen, sich
vervollkommneten, die Zieraten freier, mannigfacher, an-
muthiger in der Zeichnung wurden, es veränderte sich auch
theilweise die Technik und damit der künstlerische Charakter.
Das Niello, das die Gegenstände der karolingischen und vor-
karolingischen Epoche so häufig verziert hatte, kam fast ganz
außer Aebung, ebenso das zarte, gekörnte Goldfiligran und
gänzlich verschwand jener Zellenschmelz aus Goldgrund, den
die byzantinische Runst in so hoher Vollendung geübt hatte.
Statt dessen kam eine andere Manier des Emails auf, der
Grubenschmelz oder Email champleve, dessen Blüthezest
in das zwölfte und dreizehnte Jahrhundert fällt, also der
romanischen Runstepoche ganz zu eigen ist. Er ist ganz vor-
zugsweise in den rheinischen Städten, daun zu Limoges in
Frankreich zu krause. Da seine Technik nicht Gold, sondern
Rupfer oder Bronze verlangt und seine Oberfläche neben
dem farbigen Schmelz nur vergoldet wurde, so ließ er bei
weitem großartigere Gegenstände der Arbeit zu, als das
theuere Gold. In Folge dessen war es möglich, daß jene
gewaltigen metergroßen Reliquiarien entstehen konnten, wie
der Schrein Rarls des Großen in Aachen, der Schrein der
heiligen drei Röntge in Röln, welche die Goldschmiedekunst
dieser Epoche auf einer außerordentlichen höhe der Vollendung
und der Leistungsfähigkeit zeigen.

Bei außerordentlich vielen kirchlichen Gegenständen fand
der Grubenschmelz Anwendung, bei Leuchtern, Behältern
für Hostien, für Weihrauch, bei Lruzifixen, Tragaltären;
fast kein Geräth von Metall, das nicht mit dieser schönen,
farbigen Zierde versehen wurde, Gegenstände von Gold und
Silber ausgenommen. Bei dem wachsenden Bedürfniß der
Rirche nach größerer Fracht und reicherer Ausstattung wurde
das unedle Metall von sehr viel größerer Bedeutung und die
Gegenstände daraus auch mit wachsender Runstgeschicklichkeit
anaefertigt, so die Taufsteine, nunmehr Taufkessel von Erz,
die großen Aronleuchter von Messing mit gegossenen Figuren
und gravirten Platten, wie sie in Aachen, Hildesheim und
Tomburg noch erhalten sind, so die Altarleuchter, die Weih-
brunnkessel, die Wasserkannen für die Hände der Priester,

die Becken und manches Andere. Diese Rannen hatten in
der romanischen Runstepoche, welche sich noch an den Thier-
gestalten, und wohl nicht immer in symbolischer Bedeutung
erfreute, fast gewöhnlich die Gestalt eines Thieres, eines
Löwen, eines Pferdes, auch wohl eines Reiters, eine Form,
welche wohl vom Runst- und Alterthumsfreund gesucht ist,
für den heutigen Gebrauch sich aber in keiner Weise empfiehlt.
Wohl aber sind es andere Gefäßformen, wie z. B. manche
Reiche romanischen Stils, welche als Muster betrachtet werden
können, sowohl um ihrer schönen profilirung und der guten
Verhältnisse willen, als auch wegen ihrer bequemen und

Stuf)I aus den „Vierlanden".

Gezeichnet von <£. Schlotte -Hamburg, (vgl. 5. ff.)

praktischen Handhabung. In dieser Zeit wird auch das
geschmiedete Eisen zum ersten Male in der Rirche ein Runst-
material und dient zu Gittern und Thürbeschlägen mit schön
geschwungenen Voluten und laubigen Bändern; es löset bei
diesen Gegenständen das Erz ab, welches sich traditionell
aus dem klassischen Alterthum her durch das erste Jahr-
tausend fortgepflanzt hatte. (Schluß folgt.)
 
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