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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

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Heft 5/6
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Schlotke, C.: Aus den Vierlanden
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https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0045

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■4- 35 -f»

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Inneres der Neuengainmer Kirche.
Ausgenommen und gezeichnet von <£. Schlot k e-Hamburg.

halfen wird von reichprofi-
lirten 'Konsolen getragen;
unter dem Balken zwischen
den Ronsolen zieht sich ein
Wulst entlang, der einem der-
ben, gedrehten Seile gleich
geformt zu sein scheint, ein
bekanntes, noch gothisches
Motiv. An diesem Hause
zieht sich dann noch über
dem Balken eine flache, dem
Aerbschnitte ähnliche Holz-
schnitzerei hin. Auch die alten,
bleiverglasten Fenster sind
noch vorhanden, Höchst in-
teressant ist auch das Fach-
werk, denn die Maurer
haben sich möglichst bemüht,
es auch ihrerseits an Aunst-
fertigkeit nicht fehlen zu lassen
und die Backsteine so ge-
mauert, daß sie lauter ver-
schiedene Muster bilden, was
man am besten als Ziegel-
steinmosaik bezeichnen könnte.

Da gibt es Quadrate, Zick-
zacklinien, Dreiecke, schräg-
liegende Streifen, Rreuze rc. in anmuthiger Abwechselung,
ja sogar zu kreisförmigen Figuren haben sich die Hand-
werker verstiegen. Zn einem dieser Felder sehen wir auch
noch einige Steine, etwas aus der Wand hervorragen, so
gemauert, daß man deutlich einen nach oben gekehrten
derben Besen erkennt. <£s ist dies ein sogenannter Donner-
besen, wie er auch an alten Fachwerkbauten der Stadt
Hamburg vorkommt und den einige noch auf heidnische
Zeiten zurückführen wollen (Abbildung S. 340.

Immer neue malerische Ansichten bieten rechts und
links die Ufer dar, und nach einer weiteren Stunde hat
die Fahrt ihr Ende erreicht, und zwar in der Nähe der
Rirche von Neuengamme, mitten in den Vierlanden. Von
der Höhe des Deiches erhält man erst den richtigen Einblick
in das Land, in welchem schwerbeladene Fruchtbäume und
Gemüsebeete, mit langgestreckten Feldern für Erdbeeren
oder Maiblumen — den Hauptausfuhrprodukten — ab-
wechseln. Die Häuser sind umgeben von einem prächtigen
Blumenflor, der in dem bäuerischen Mrnamente dieser
Gegend stets wiederkehrt: Rosen, Georginen, Levkoyen,
Astern, Nelken rc.

Ein besonders charakteristisches Beispiel für die Bauern-
häuser in den Vierlanden ist das auf dem Wege zur
Eurslaker Rirche, an der Ueberfahrtsstelle liegende Haus
des Fährmannes; es bietet im Innern Manches, was an
Bilder der alten niederländischen Meister erinnert, ebenso
schön und stimmungsvoll. Gleich in der Nähe des Ein-
gangs in die „Diele" ist der große offene Herd; über dem
lustig flackernden Feuer hängt an einem großen, eisernen
Resselhaken ein kupferner Ressel. Die aussteigenden Wasser-
dämpfe vereinigen sich darüber mit den Rauchwolken des
Feuers, um oben in dem großen, gemauerten Rauchfang
zu verschwinden. Vorn kann der Herd durch zwei hölzerne,

zuweilen bunt bemalte Thüren geschlossen werden, welche
oben meist mit einer ausgesägten, barocken Verzierung
endigen, so daß bei geschlossener Thür der Herd sich fast
wie ein Wandschrank ausnimmt; an der Innenseite der
Thüren sind dann noch Haken angebracht zum Aufhängen
des Rochgejchirrs nach beendigtem Gebrauche. Weiterhin
steht ein großer, bis an die Decke reichender Schrank, dessen
Vorderseite mit flacher, kerbschnittähnlicher, gothisirender
Schnitzerei bedeckt ist; das den Schrank oben abschließende
Gesims ist einfach ein schräges Brett, fast ohne alle Profile,
nur die oberste Raute des Brettes ist wieder zu einem ge-
drehten Wulst gestaltet und trotzdem sieht dieser Schrank
durchaus nicht ärmlich aus; außerdem ist das Möbel noch
mit vielen Eisenbeschlägen versehen. Auch eine Braut-
truhe ist noch vorhanden: die Vorderseite ist in allen mög-
lichen farbigen Hölzern eingelegt mit Namen und Jahres-
zahl versehen. Das Ornament bilden auch hier wieder
ziemlich naturalistisch gehaltene Blumensträuße, Vögel,
Vasen und Rörbe rc. Die Intarsia ist überhaupt für das
Runstgewerbe der Vierländer im höchsten Grade charakteristisch
und wird noch heute von dort wohnenden Tischlern angefertigt.

Auch die Wohnstube dieses Hauses bietet noch den
alten schönen Anblick, nur die Gardinen sind neu, — denn
auf ihnen hatte man in sehr geschmackloser Weise Scenen
aus dem Trompeter von Säckingen nach den süßlichen
Gemälden eines Schweningers angebracht. Bei der Ein-
gangsthüre in dieses, wie alle Bauernstuben niedere Zimmer
steht die große, bis an die Decke reichende Wanduhr, die
Vorderseite mit eingelegter Arbeit geschmückt. Weiterhin
an der Stelle wo draußen der Herd dagegen stieß, steht
der mächtige Einlegerofen, aus weißen Fayencefließen und
von oben bis unten auf das reichste mit Blaumalereien
bedeckt. Der auf Tafel (8 öc sß dargestellte Ofen gibt ein

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