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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

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Heft 7/8
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Weysser, T. F.: St. Nicolaus bei Ebbs
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https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0055

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■f* ^5 -4'

X"

9. Wange einer Sitzbank.

sind also von recht anständiger Größe. Es sind inr Ganzen
vier solcher Füllungen vorhanden, von denen je die zwei
an derselben Bank iin Wesentlichen gleich sind. Eine der
Wangen zeigt Abb. ll-

Aehnlich ist die Stirnwand der vordersten Bank unter
der Empore. Es ist dort die ganze Fläche
in fünf Felder eingetheilt, von denen je
zwei die gleichen Wüster zeigen und
symmetrisch angeordnet sind. (Abb. ^
gibt das Wittelmotiv und Abb. (5 ein
weiteres Beispiel.)

Diese letzteren Muster legen die Ver-
muthung nahe, daß die Entstehungszeit
aller dieser Holzarbeiten i»
die allerletzte Zeit des XV.
Jahrhunderts, wenn nicht
schon in die ersten Jahre
des XVI. fällt, haben sie
doch in ihrer ganzen Er-
scheinung etwas, was an
die Formgebung der frühe-
sten Renaissance, die Mrna-
mentik der Dürer'schen Zeit
erinnert.

Es erübrigt noch von
dem in gleicher Weise aus-
geführten Ehorstuhl auf
der Südseite des Lhores zu sprechen. (Abb. \2.) Hier zeigt
sich auch in der tectonischen Gestaltung eine etwas reichere
und gefällige Ausbildung. Die Scitenwände sind hübsch
ausgeschweift und zum Theil profilirt und die zwischen der
Einziehung ausgesparten Säulchen geben dem Ganzen ein
leichtes, graziöses Aussehen. Der Stuhl hat vier Sitze zum
Aufklappen und wird von einem iin Viertelkreis
nach vorn gezogenen Baldachin überdeckt. Den vier
Sitzen entspricht die Eintheilung der Rückwand,
welche vier Füllungen in Rahmen ausweist. Den
oberen Abschluß bildet ein Hohlkehlengesims, unter
welcheiu sich ein freihängendes durchbrochenes Waß-
werkornament hinzieht. Die Stirnwand der Knie-
bank hat zwei Füllungen zwischen breiten, einfach
abgeschrägten Rahmenhölzern. Auch hier sind mit
Ausnahme der Außenseiten der Stuhlwangen alle
Flächen mit de» reichsten Flachornamenten bedeckt.

Sehr schwungvolle Wüster und im Eharakter ver-
schieden von den sonst in der Kirche vorkommenden
zeigen die Rückwand und die Innenseiten der Wangen.

Das einseitig componirte Ornament wiederholt sich
mit unwesentlichen Variationen dreimal, während
das symmetrische, für die vorhandene Fläche zu breit,
zum Theil im Rahmen verschwindet Dieser Um-
stand, zusammen mit dem von der übrigen (Orna-
mentik abweichenden, entschieden früheren Eharakter,
könnte die Vermuthung nahe legen, daß wir in dem
Stuhl ein etwas früheres Werk oder Theile eines
solchen vor uns hätten, wenn nicht dieselben (Ornamente,
wie sie auf der Fläche der Baldachinwölbung austreten
— einfach eingerissene contourirte Zeichnung ohne aus-
gehobenen Grund — sich auch an änderen Stücken, wie
an den Rückwänden der hintersten Kirchenbänke befänden.

jo. Wange einer Sitzbank.

Außerdem weiß man zur Genüge, wie unzuverlässig es ist,
bei solchen ländlichen Arbeiten aus geringen Stilverschieden-
heiten auf Zeitunterschiede zu schließen. Wehr als sonst
irgendwo herrscht die Tradition aus dem Gebiet der länd-
lichen Gewerbe und die verschiedensten Stilsormen werden
unvermittelt neben einander zu gleicher
Zeit geübt.

Die Rahmen der Rückwand sind
ebenfalls geschnitzt und zeigen das be-
kannte fortlaufende spätgothische Laub-
ornament. — Die Füllungen der Knie-
bank schließen sich in: Eharakter der
Ornamentik wieder den

übrigen Arbeiten in der
Kirche an: Blumen und
Rankenwerk, in beiden
Tafeln das gleiche Wotiv.

Die schmalen Wangen zei-
gen ein dünnes j)flanzen-
ornament und ein Schup-
penmotiv, ähnlich wieAb-
bildung I I.

Damit find die aus
spätgothifcher Zeit stam-
menden Arbeiten er-
schöpft, die in ihrer Ge-
sammtheit ein so har-
inonisches und stimmungsvolles Bild eines Kirchenintericurs
geben, daß trotz feiner Kleinheit und Anspruchslosigkeit
das Kirchlein des hl. Nikolaus durch sie eines der beachtens-
werthesten und interessantesten der ganzen Gegend ist.

Auch im Einzelnen ist übrigens den Arbeiten eine
gewisse Bedeutung nicht abzusprechen. Es liegt ein eigen-
artiger großer Zug in der Ornamentik, die Zeug-
niß gibt von einen: hohen Grad technischer Ver-
trautheit mit derartigen Arbeiten. Die Zeichnung
ist überall geschickt und geschmackvoll in den Raum
componirt, die Stilisiruug der Blumen und Blätter
vorzüglich und die Ueberfälle und Ueberschneid-
ungen überall korrekt und am rechten Fleck. Mög-
lich, daß, wenn sich Urkunden aus jener Zeit über
den Kirchenbau auffindsn lassen, auch der Nan:e
des geschickten Meisters jener Holzarbeiten an's
Tageslicht kommt. Rann man annehmen, daß
der Altar wahrscheinlich Salzburger oder von dort
beeinflußte Arbeit ist, so sind die übrigen Aus-
stattungsstücke mit ihren Flachschnitzercien
gewiß in: nächsten Uinkreis des Kirchleins
entstanden. Derartige Werke sind Resultate
einer überall beliebten und überall gepflegten
Volkskunst, und gerade in den Alpenländern
wuchsen sie allerorten hervor wie die Blumen
des Feldes und des kleinen Hausgärtchens,
denen ihre Motive entnommen sind.

Von sonstigen Arbeiten in der Kirche,
die kunstgewerbliches Interesse bieten, wäre noch die Kanzel
zu nennen, ein gutes Stück aus dem (7. Jahrhundert.
Sie befand sich früher an der Südseite des Triumph-
bogens, wurde aber, da „deren Unterlage ganz ver-
fault war und den Uinsturz drohte", bei der Restau-

Wange einer Rniebank.
 
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