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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

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Heft 7/8
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Falke, Jakob von: Die Kirchliche Kunst in geschichtlicher Uebersicht, [2]: Die kirchliche Kunst im Mittelalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0059

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und die Muster mit ihnen aus sarazenischen Fabriken nach
Europa gekommen waren, so werden sie auch von den
ersten europäischen Fabriken nachgeahmt, und ihre Muster
pflanzten sich sort in gleicher Art, wenn auch sich ver-
ändernd im Laufe der Zeit, jedoch unabhängig von dem
sonstigen Vrnament der gleichzeitigen Kunstepoche. Als
im fünfzehnten Jahrhundert in allen anderen Künsten ein
gewisser Naturalismus sich geltend machte, sind auf den
Prachtgeweben noch immer die stilvollen Flachmuster arabi-
schen Ursprungs die herrschenden. Die Kirche bediente sich
ihrer zu Priestergewändern, zu Decken und Bekleidungen
oder wo immer sie solcher Prachtentfaltung bedurfte.

Daneben freilich brachte die zu ihrer Höhe herange-
wachsene Kunst das figürliche Element im Kleinen wie im
Großen in erweitertem Maße in die Weberei hinein. Es
waren insbesondere italienische Seidenstoffe, welche mit figür-
lichen Scene», wie z. B. mit der Verkündigung oder mit
Maüonnenbildern in regelmäßiger Wiederkehr gleich jedem
anderen Muster verziert wurden. So im Kleinen. Im
Großen aber erblühte während des fünfzehnten Jahr-
hunderts die Weberei der Arrazzi, der nach der Stadt Arras
benannten, mit figürlichen Scenerien, mit historischen und
allegorischen Darstellungen verzierter Teppiche, welche als
Wandbekleidungen in Prachtgenrächern oder bei festlichen
Gelegenheiten zu dienen hatten. An dieser, wenn nicht

[5. Geschnitzte Füllung.

neuen, doch neu und großartig erblühten Kunst hatte auch
die Kirche ihren Theil, sowohl indenr sie bestellte, als in-
dem sie ihre Wände damit umkleidete. Natürlich waren
ihre Bestellungen religiösen Inhalts, obwohl sie später sich
nicht scheute auch Teppiche mit weltlichen Darstellungen
zu verwenden.

Der Weberei kam die Stickerei zu fjilfe. Nachdem
die zeichnenden Künste eine solche Vollendung erhalten hatten,
wie in den Niederlanden die van Eyck'sche Schule oder in
Italien die Meister der Frührenaissance, des Quattrocento,
sie besaßen, konnte auch die Stickerei welche der Zeichnung
als Grundlage bedarf, zu einer Höhe emporsteigen, welche
sie der Malerei ebenbürtig machte. Und diese Höhe er-
reichte sie noch in der gothischen Kunstepoche. Sie war
nicht mehr eine bloße Hilfskunst der Weberei, welche fertig
machte und weiter führte, was diese nicht vollenden konnte,
sondern sie war zu einer selbständigen Kunst geworden,
welche die ganzen Gewänder mit ihrer Arbeit überdeckte,
welche die Figuren, selbst Gesichter und Hände, in Voll-
kommenheit darstellte, und auch gleich der Malerei Bilder
als Schmuck des Altares schuf. So geschah es im Dienst
der Kirche, daß die Stickerei zu dieser Höhe emporstieg,
welche sie nur noch wenige Jahrzehnte im sechzehnten Jahr-
hundert während der Blüthe der Renaissance behaupten
sollte, ohne der gleichen Schätzung zu begegnen, wie z. B.
am burgundischen fjofe. (Fortsetzung folgt.)

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