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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1892

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Heft 7/8
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Vogel, F. Rudolf: Ueber amerikanisches Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.6906#0060

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Aus einem von Architekt L. R. Vogel in Hannover gehaltenen Vortrage.*)

er Amerikaner liebt die wirklich schöne Form, die schön
geschwungene Linie an sich, er liebt echte Materialien,
keine Surrogate, die etwas vorstellen sollen, was ste
nicht sind; er hat viel Farbensinn und Gefühl für
malerische Wirkung, was ihm besonders bei Aus-
schmückung seiner wohnräume zu statten kommt, wobei er seinen
individuellen Geschmack, nicht den konventionellen des Dekorateurs,
walten läßt, mit Umgehung alles Steifen und jeglicher strengen Sym-
metrie. Er versteht es, durch einen Punkt Farbe, eine hier oder da
angebrachte gelbe oder orangene Seidenschleife, Vorhang oder Aehnliches
eine ganze Partie des Zimmers zu beleben. Im Gegensatz zu der
Freude am rein Schönen liebt er aber auch die eigenartig absonder-
liche Form, das Neue, noch nicht Dagewesene, je absonderlicher je
besser, ferner alles Alte, vergangenen Stilrichtungen Entlehnte. Nach-
bildungen wirklich guter alter kunstgewerblicher Gegenstände, welche
sich besonders für die Ausschmückung des „Heinis" eignen, werden
guten Absatz finden.

Der größte Theil der Amerikaner lebt in Einzelhäusern. Das
Einzelhaus, mit Ausnahme derer in den großen Städten, wo der
Grund und Boden thener und welches unseren Verhältnissen ähnlicher
ist, steht allseitig frei. Ls enthält bei gewöhnlichen Durchschnitts-
Verhältnissen im Erdgeschoß außer dem Eßzimmer mit Küchenbau
drei bis vier für die gemeinsame Benutzung dienende wohnräume,
die sich um die Eingangshalle mit weiten Deffnungen gruppieren,
um das ganze Erdgeschoß, bei gesellschaftlichen Vereinigungen, als
einen großen gemeinsamen Raum benutzen zu können. Da gibt es
nicht die große Flucht von Rexräsentationsräumen, die bei Nicht-
benutzung sorgfältig ans Rücksicht auf die guten Möbel von Licht und
Luft abgeschlossen werden, jene Räume, auf die wir oft zum Nach-
theil der Schlaf- und Kinderstuben so großen Werth legen. Der
Amerikaner benutzt diese sämnitlichen Räume, und Licht, Luft und
Gesundheit sowie Behaglichkeit sind die Hauptfaktoren für sein Heim;
die Räume sind nach unseren Begriffen klein und niedrig, lassen sich
deßhalb aber um so leichter behaglich ausstattten. Im «Obergeschoß
liegen die Schlaf- und Fremdenzimmer mit Schrankeinbauten, sowie
das Bad. Das ganze Haus wird durch Lentralheizung erwärmt,
trotzdem, wenn irgend angängig, werden so viele Räume wie möglich
auch mit Kaminen versehen; der Kamin ist für den Amerikaner der
Hauptplatz; es ist der Herd feines Hauses, an dem er den Freund
willkommen heißt, er ist deßhalb besonders ausgestattet und mit be-
haglichen Sitzplätzen umgeben, von der einfachen ummauerten oder
mit Fliesen verzierten Umrahmung der Kaminöffnung bis zum groß-
artigen Marmormonument durchläuft er alle Stufen der Ausbildung.
Besonders häufig ist die Ausführung in Holz mit reicher Schnitzerei,
ein Fries mit Sinnsprüchen oder ornamentalen Motiven darf wo
möglich nicht fehlen. Ucber dem kräftig vorsxringenden Kaminsims
erhebt sich dann wohl ein Aufsatz mit Fächern, in denen ungezählte
Schätze des Kunstgewerbes ihre Aufstellung finden, oder der Aufsatz
ist zweiteilig und umschließt ein farbiges Fenster von besonderer
Schönheit. Im Kamin selbst stehen die schmiedeeisernen Fcuerböcke,
mit fantastischen Ungeheuern verziert, oder mit Messingkugeln oder
Säulen, in deren blanken Flächen sich das ewig fortlaufende Wellen-
spiel der rothen Flamme widerspiegelt. Im prasselnden Holzfeuer
hängt der summende Wasserkessel aus Kupfer in reich verzierter Form,
an einem drehbaren Krahn von künstlerischer Hand geschmiedet; vor
dem Feuer steht der sogenannte „Fender" zum Schutze des Teppichs
gegen abspringende glühende Kohlenstücke, aus Drahtgeflecht oder
eisernen Ringen künstlich gefügt. Die Feuergeräthschaften hängen an
reich verziertem Gestell, in Gesellschaft des in Holz und Leder ge-
schnitzten Blasebalgs. Der Bock, in dem die Holzscheite für den
Gebrauch aufgestapelt sind, ist reiche Arbeit aus Schniiedeeisen und
Kupfer. Der Kaminschirm läßt beinahe jedes Material zu. Sie sehen,

welch reiches Gebiet für das Kuustgewerbe allein der Kamin mit
seiner unmittelbaren Umgebung bietet, denn an die reichgeschnitzten
Sitzplätze oder Truhenbänke kann sich der Bibliothekschrank, reich ge-
schnitzt, mit gesticktem seidenen Vorhang, mit seinen Vasen und
sonstigen Kunstgegenständen aller Art anschließen.

wie der Kamin durch eine Stellung im Zimmer, ob an der
Lang- oder tpuer-, au der Innen- oder Außenwand, in der Ecke oder
aus der Mitte der wand gerückt, den Charakter des Zimmers oder
des Möbelarrangements bceinstußt, so ist es gleicherweise mit den
Fenstern der Fall.

Eine symmetrische Anordnung der Fenster wird meist vermieden,
und selbst die Fenster sind in Form und Höhenanordnung verschieden.
Vst liegt ein niedriges breites Fenster über dem Schreibtischaufsatz,
um so das volle Licht auf den Tisch fallen zu lassen, oder es hat viel-
leicht, wenig über der Schreibtischplatte zwischen dem zweitheiligen
Aufsatz eingefügt, seine Stelle erhalten, so daß der Schreibende beim
Aussehen hinaus in die schöne Natur blicken kann; bei Eckzimmern
werden oft die Fenster auf beiden Wänden in die Ecke nahe zusammen-
gerückt, um durch ein Portierenarrangement zu einem behaglichen
Schmollwinkel vereinigt zu werden. Erker werden besonders im Erd-
geschoß so viel als möglich ansgebaut und dann auch gern reich aus-
gestattet. Das vertikal zweiflüglige Fenster kennt man drüben wohl
unter dem Namen „französische Fenster", doch sind sie wenig in Ge-
brauch, so daß also der hierzu gehörige Fensterbeschlag, wie wir ihn
brauchen, wenig Aussicht auf Erfolg hat. Das Fenster ist vielmehr
ein horizontal getheiltes Vertikalschiebfenster, das mittelst Rollen und
Gewichten in den Laibungen oder mittelst Federmechanismus auf-
und abbewegt wird, der Verschluß erfolgt durch einen eigenartigen
Vorreiber, und Handgriffe zum bequemeren Heben vervollständigen
den Beschlag. Kurze, bis auf die Fensterbank reichende Seidenvorhänge,
vielleicht mit Stickerei, hängen an der Messingstange mit reichen Ag-
raffen und Stützkonsolen; der obere Flügel des Fensters ist meist mit
Bleiverglasung oder Malerei, der untere durch starke, oft geschliffene
Spiegelscheiben mit Facetten verschlossen, für die Bleiverglasung ist
ein häufiges Motiv das sogenannte Spinngewebe, eine Art Mosaik-
fenster von haruionischer Farbenwirkung nach dem Prinzip der orien-
talischen Teppiche; für bildliche Darstellungen sind für die Villa reali-
stische Vorwürfe beliebt, in realistischer Ausführung; seltener die steif
stilistischen Motive.

Die Decke hat selten Stuck. Die wände, die mit einem feinen
Putzüberzng versehen sind, werden einfarbig gemalt, vielleicht mit
einem leichten Fries unter der Decke, bleiben oft aber auch weiß; der
Amerikaner liebt Helle Zimmer.

Unter der Decke ist ein 50 bis so cm breiter, gemusterter Fries,
der unten durch eine s förmig geschweifte Holzleiste abgeschloffen wird,
aus dem ein ebensolch gebogener Metallhaken verschiebbar läuft, von
dem die Bilder an Schnüren herabhängen, so daß die wände nicht
beschädigt zu werden brauchen. Gemusterte Tapeten finden neuerdings
mehr Einführung, aber nur in Hellen Farben. Die Friesmuster, in
kräftigen Farben und strenger geometrischer Zeichnung, erinnern fast
an ägyptische Formen, der Fußboden, auf dem kleine Teppiche und Felle
verstreut sind, ist aus hartem Holz aus kurzen oder langen Riemen,
seltener reicheres Parkett, obgleich sich dieses auch einzubürgern beginnt.

Einfarbiger Teppich durch den ganzen Raum, der direkt auf
ungestrichenen, ungehobelten Fußboden verlegt wird, ist aus hygien-
ischen Rücksichten neuerdings weniger im Gebrauch. Die Thüren und
Fenster, sowie deren Umrahmungen, sowie alles sichtbare Holzwerk
bleibt in seiner Naturfarbe und erhält keinen Melfarbenanstrich. In
solch ausgestatteten Raum hinein gruppiert nun der Amerikaner seine
Möbel und Kunftgegenstände. Da gibt es nicht die bekannten sechs
gleichen Stühle oder Sessel, die zur Sofagarnitur gehören, jeder ist
vom anderen verschieden in Form und Farbe und fügt sich doch dem

*) wir geben diesen Auszug mit gütiger Erlaubniß des Redakteurs vom „Hannoverschen Gewerbeblatt", welcher dazu auf unsere Anfrage
bemerkte, „daß Architekt Vogel sich zu verschiedenen Malen bis zurück vor 20 Jahren auch auf längere Zeit studienhalber in Amerika aufgehalten
und die vereinigten Staaten, auch Kanada, Havanah, Mexiko durchstreift hat." Die obige Form des Auszugs entnehmen wir der Zeitschrift des
Vereins für deutsches Kunstgewerbe zu Berlin.
 
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