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Querschnitt des auf Tafel 2\ (Heft 7 & 8) abgebildeten Kneipbuffets
von Karl Bauer.
vollständigen Erschlaffung des künstlerischen Schaffens, aus dem Mangel
jeglichen Individualismus etwas Selbständiges zu gestalten, einen In-
dividualismus in der Kunst neu zu schaffen.
Da war in erster Linie für das Gebiet der bildenden Kunst
Schinkel ein bahnbrechender Mann, welcher zwar den Kampf für das
Griechenthum in voller Schärfe ausnahm, der auch überzeugt war, daß
man nichts Schöneres schaffen könne als das, was dem griechischen
Tempel ähnlich sei. Aber er hat doch in seine besten Werke, und das sind
merkwürdigerweise die, welche am wenigsten von seinen Zeitgenossen ge-
schätzt wurden, so viel von seiner großen Persönlichkeit hincingelegt, daß
wir niemals im Zweifel sein werden, ob das betreffende Werk von
einem Griechen gebaut worden ist oder von ihm, dem Berliner Schinkel.
wenn wir andere Personen nennen wollen, die neben ihm wirkten,
so ist in allererster Reihe der Maler Lornelius hcrvorzuheben. Tr
hatte das eifrigste Streben nach Klassizität, suchte vor Allem nach
Gedankenreihen, welche der wissenschaftlichen Kunstauffassung jener Zeit
ain meisten entsprachen. Man sollte über seine Bilder Bücher schreiben
können, man sollte die Gedanken der Hegel'schen Philosophie, kurz alle
Tiefen des menschlichen Geistes aus seinen Bildern lesen können. Das
war das Menschlich-Schwache an ihm. Das Göttliche aber an ihin
war, daß er seine Persönlichkeit so ganz hineinlegtc in die Bilder,
daß er nicht seine alten Vorbilder erreichte, sondern in allen seinen
Werken deutsch, eigenartig blieb. Gerade darüber hat ihm seine Zeit
die allergrößten Vorwürfe gemacht, daß er jene Feinheit der Formen,
jenen geglätteten Stil nicht erreichte, die etwa Kanlbach in viel höherem
Maße besaß.
So ist es verschiedenen Künstlern jener Zeit ergangen, wenn
man diejenigen Namen betrachtet, welche zu ihrer Zeit am meisten
gefeiert wurden, wenn wir z. B. an die Meister der Düsseldorfer Schule,
Beudemann und Hübner u. s. w., wenn wir an die Zeitgenossen
Cornelius' und Kaulbach's denken, so werden wir heute, nachdem
50 Jahre seit der Blüthe ihres Schaffens vergangen sind, von ihren
Werken sagen müssen, das, was einst zumeist gefiel, der Stil, die Ab-
klärung in denselben, gerade diese einstigen Vorzüge bewirken, daß wir
heute kaum noch rechtes Empfinden für die Sachen haben. Sie stehen uns
vollständig fern, sinken schon hinunter in eine nur geschichtlich verständ-
liche Vergangenheit, werden ebenso vergessen werden, wie die Werke des
vorigen Jahrhunderts vergessen worden sind, welche stilgerecht und
klassisch, nach den ewigen Schönheitsgesehen gebildet zu sein Vorgaben.
Damals in den 30 er Jahren, kam der Gedanke auf, daß man
auch eine sentimentale Richtung in der Kunst einschlagen könne, von
I. I. Rousseau kam der Gedanke, daß unsere Welt im Grunde ge-
nommen doch schlecht sei, und daß es doch jenseits dieser Welt ein
verfeinertes, schöneres, heiligeres Leben geben müsse, oder über unserem
Jahrhundert hinaus, etwa in der Zeit der Minnesänger, des Marien-
kultus, oder räumlich weit entfernt, jenseits dem Meere in der Ein-
fachheit und Sittenreinheit eines noch primitiven Volkes. Da man aber
die primitiven Völker nicht Fopiercu konnte, weil an ihnen künstlerisch
nichts zu kopieren war, so führte die Rouffean'sche Sentimentalität
endlich zur sogenannten Roniantik; man studirte nicht nur die herr-
lichen Merke des Mittelalters, sondern hatte seine Freude daran, als-
bald Ruinen zu bauen. Aus dieser spielenden Schwärmerei entwickelte
sich nach und nach eine höher angelegte Baukunst in deni Stile der
Romantik. Das Streben ging aber sofort wieder darnach, die Gesetze
der Baukunst jener Zeit zu erkennen und es waren wiederum die
deutschen Meister, welche sehr schnell mit der Romantik fertig wurden,
von der Früh- zur Spätgothik überschritten, zu einer gesetzmäßigen
nach einem System schaffenden Gothik. Und dieses System in möglichster
Durchsichtigkeit zur Anwendung zu bringen, galt als vollendete klassische
Romantik. So gelangte man zu Kunstwerken, die in ihren Konstruktions-
gedanken so klar und durchsichtig waren, daß i» den einzelnen Formen
fast nichts von dem alten Gedankenreichthnni des Mittelalters erhalten
blieb und vor lauter Richtigkeit der sprudelnde Formensinn unseres
Volkes ganz verleugnet wurde. Ein solches Muster langweiliger Gothik
ist der heutige Kölner Dom. Er zeigt das Streben nach Durchbildung
eines und desselben Gedankens in tausendfacher Wiederholung, wenn
wir heute solche werke ansehen, wie sie z. B. der einst berühmte Architekt
Heideloff geschaffen hat, wie sie auch sonst in fast jeder Stadt zu sehen
sind, gothische werke der -40er und soer Jahre, so sind wir nicht im
entferntesten im Zweifel darüber, ob diese so sorgfältig und gcsetz.
mäßig, so mit voller Verleugnung des eigenen Empfindens des Ent-
werfenden errichteten Bauwerke aus dem Mittelalter stammen, oder
ob es Werke einer neueren Kunst sind. Im Gcgentheil: Der erste
Blick zeigt uns hier, wie an Schiilkels und Lornelius' Schöpfungen,
den Stil ihrer, nicht der nachgeahmten Zeit.
Darauf kam eine neue Strömung, welche uns die italienische
Renaissance brachte. An ihrer Spitze stand der große Meister Semper,
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Querschnitt des auf Tafel 2\ (Heft 7 & 8) abgebildeten Kneipbuffets
von Karl Bauer.
vollständigen Erschlaffung des künstlerischen Schaffens, aus dem Mangel
jeglichen Individualismus etwas Selbständiges zu gestalten, einen In-
dividualismus in der Kunst neu zu schaffen.
Da war in erster Linie für das Gebiet der bildenden Kunst
Schinkel ein bahnbrechender Mann, welcher zwar den Kampf für das
Griechenthum in voller Schärfe ausnahm, der auch überzeugt war, daß
man nichts Schöneres schaffen könne als das, was dem griechischen
Tempel ähnlich sei. Aber er hat doch in seine besten Werke, und das sind
merkwürdigerweise die, welche am wenigsten von seinen Zeitgenossen ge-
schätzt wurden, so viel von seiner großen Persönlichkeit hincingelegt, daß
wir niemals im Zweifel sein werden, ob das betreffende Werk von
einem Griechen gebaut worden ist oder von ihm, dem Berliner Schinkel.
wenn wir andere Personen nennen wollen, die neben ihm wirkten,
so ist in allererster Reihe der Maler Lornelius hcrvorzuheben. Tr
hatte das eifrigste Streben nach Klassizität, suchte vor Allem nach
Gedankenreihen, welche der wissenschaftlichen Kunstauffassung jener Zeit
ain meisten entsprachen. Man sollte über seine Bilder Bücher schreiben
können, man sollte die Gedanken der Hegel'schen Philosophie, kurz alle
Tiefen des menschlichen Geistes aus seinen Bildern lesen können. Das
war das Menschlich-Schwache an ihm. Das Göttliche aber an ihin
war, daß er seine Persönlichkeit so ganz hineinlegtc in die Bilder,
daß er nicht seine alten Vorbilder erreichte, sondern in allen seinen
Werken deutsch, eigenartig blieb. Gerade darüber hat ihm seine Zeit
die allergrößten Vorwürfe gemacht, daß er jene Feinheit der Formen,
jenen geglätteten Stil nicht erreichte, die etwa Kanlbach in viel höherem
Maße besaß.
So ist es verschiedenen Künstlern jener Zeit ergangen, wenn
man diejenigen Namen betrachtet, welche zu ihrer Zeit am meisten
gefeiert wurden, wenn wir z. B. an die Meister der Düsseldorfer Schule,
Beudemann und Hübner u. s. w., wenn wir an die Zeitgenossen
Cornelius' und Kaulbach's denken, so werden wir heute, nachdem
50 Jahre seit der Blüthe ihres Schaffens vergangen sind, von ihren
Werken sagen müssen, das, was einst zumeist gefiel, der Stil, die Ab-
klärung in denselben, gerade diese einstigen Vorzüge bewirken, daß wir
heute kaum noch rechtes Empfinden für die Sachen haben. Sie stehen uns
vollständig fern, sinken schon hinunter in eine nur geschichtlich verständ-
liche Vergangenheit, werden ebenso vergessen werden, wie die Werke des
vorigen Jahrhunderts vergessen worden sind, welche stilgerecht und
klassisch, nach den ewigen Schönheitsgesehen gebildet zu sein Vorgaben.
Damals in den 30 er Jahren, kam der Gedanke auf, daß man
auch eine sentimentale Richtung in der Kunst einschlagen könne, von
I. I. Rousseau kam der Gedanke, daß unsere Welt im Grunde ge-
nommen doch schlecht sei, und daß es doch jenseits dieser Welt ein
verfeinertes, schöneres, heiligeres Leben geben müsse, oder über unserem
Jahrhundert hinaus, etwa in der Zeit der Minnesänger, des Marien-
kultus, oder räumlich weit entfernt, jenseits dem Meere in der Ein-
fachheit und Sittenreinheit eines noch primitiven Volkes. Da man aber
die primitiven Völker nicht Fopiercu konnte, weil an ihnen künstlerisch
nichts zu kopieren war, so führte die Rouffean'sche Sentimentalität
endlich zur sogenannten Roniantik; man studirte nicht nur die herr-
lichen Merke des Mittelalters, sondern hatte seine Freude daran, als-
bald Ruinen zu bauen. Aus dieser spielenden Schwärmerei entwickelte
sich nach und nach eine höher angelegte Baukunst in deni Stile der
Romantik. Das Streben ging aber sofort wieder darnach, die Gesetze
der Baukunst jener Zeit zu erkennen und es waren wiederum die
deutschen Meister, welche sehr schnell mit der Romantik fertig wurden,
von der Früh- zur Spätgothik überschritten, zu einer gesetzmäßigen
nach einem System schaffenden Gothik. Und dieses System in möglichster
Durchsichtigkeit zur Anwendung zu bringen, galt als vollendete klassische
Romantik. So gelangte man zu Kunstwerken, die in ihren Konstruktions-
gedanken so klar und durchsichtig waren, daß i» den einzelnen Formen
fast nichts von dem alten Gedankenreichthnni des Mittelalters erhalten
blieb und vor lauter Richtigkeit der sprudelnde Formensinn unseres
Volkes ganz verleugnet wurde. Ein solches Muster langweiliger Gothik
ist der heutige Kölner Dom. Er zeigt das Streben nach Durchbildung
eines und desselben Gedankens in tausendfacher Wiederholung, wenn
wir heute solche werke ansehen, wie sie z. B. der einst berühmte Architekt
Heideloff geschaffen hat, wie sie auch sonst in fast jeder Stadt zu sehen
sind, gothische werke der -40er und soer Jahre, so sind wir nicht im
entferntesten im Zweifel darüber, ob diese so sorgfältig und gcsetz.
mäßig, so mit voller Verleugnung des eigenen Empfindens des Ent-
werfenden errichteten Bauwerke aus dem Mittelalter stammen, oder
ob es Werke einer neueren Kunst sind. Im Gcgentheil: Der erste
Blick zeigt uns hier, wie an Schiilkels und Lornelius' Schöpfungen,
den Stil ihrer, nicht der nachgeahmten Zeit.
Darauf kam eine neue Strömung, welche uns die italienische
Renaissance brachte. An ihrer Spitze stand der große Meister Semper,
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