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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 1
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Kisa, Anton Carel: Der "Friedenssaal" in Osnabrück
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0018

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die Buchstaben V D M IE, die Initialen des alten Re-
formationsspruches: »Verbum Domini Manet In Eternum«.
Die Füllungen an der Sockelwand der Litze bestehen durch-
wegs aus Variationen des spätgothischen Rollband-Motives,
welches sich in der westfälischen und niederrheinischen Holz-
plastik noch das ganze 16. Jahrhundert hindurch erhält.

Oberhalb der Vertäfelung sind zwischen den Fenstern
drei Wandschränkchen eingelassen, welche Urkunden wohl-
thätiger Stiftungen enthielten, der Spitäler zum heil. Geist,
zur Incente und zur Lüntelbecke. Die hatrone derselben
sind auf den Thüren der Schränke (Abb. S. 8 u. 9) dargestellt:
Auf dem ersten die Taube über einem hergamentblatt, auf

Wandschränkchen aus dom „Friedenssaal" zu Osnabrück.

denr zweiten St. Antonius (Ereilt, und Elisabeth, auf dem
dritten Ularia mit dem Rinde. Es sind Figuren von köstlicher
Naivetät und Frische, in ihrer feinen und zartsinnigen Durch-
bildung weitaus das Beste, was die Holzplastik der Renaissance
in Osnabrück geleistet hat. Wie prächtig ist der Tharakter-
kopf des Antonius mit seinem lockig wallendem Barte, wie
originell die Nachbildung der Pergamenturkunde mit kurzer
Bezeichnung des Inhaltes und genauer Wiedergabe des an-
tzehängten Siegels an der Thürs mit dem hl. Geiste! Die
gothischen Anklänge in dem die halbrunden Abschlüsse füllenden
Rankenwerk sprechen dafür, daß die Schnitzereien der Wand-
schränke zu den frühesten Arbeiten im Friedenssaale gehören
und jedenfalls älter sind, als der grüßte Theil der Sitzplätze
mit seinen ausgesprochenen Renaissanceformen in den Me-
daillonfeldern und Friesstreifen. Sämmtliches Schnitzwerk

war ursprünglich reich beinalt und vergoldet; bei der 1890
vorgenommenen Erneuerung hat man sich mit einer Ab-
tönung in Taseinfarben begnügt und nur an den Schrauk-
thüren sparsam einige Flachornamente wiederhergestellt.

lieber die bei der Arbeit betheiligten Holzschnitzer melden
uns die Urkunden leider nichts. Ein engerer Zusammen-
hang mit der gleichzeitig im nahen Münster thätigen Schule
ist nicht anzunehmen. Die Arbeiten Johann Rüpers im
dortigen Rapitelsaale sin den Jahren 15(17—1558 ausgeführt)
verrathen ein den Osnabrücker Meistern überlegenes und in
den Formen der Renaissance besser geschultes Talent; eher
noch ließen sich Anküpfungspunkte in der gleichartigen Be-
handlung der Friesstreifen und der Rollbandfüllungen des
Münsterifchen Friedenssaales finden, welche im Jahre 1577
entstanden find, aber sie gehen nicht über die den alten nieder-
fächsifchen Holzschnitzereien dieser Zeit gemeinsamen Stil-
eigenthümlichkeiten hinaus. So bestimmt eine Beeinflußung
der Arbeiten im Münsterer Friedenssaale durch die älteren
Arbeiten Rüpers anzunehmen ist, ebenso bestimmt tritt die
prinzipielle Verschiedenheit in der Gesammt-Tomposition des
Täfelwerkes in Münster und in Osnabrück hervor. Für
erstere ist dis Ueberordnung von zwei Füllungsreihen und
namentlich die giebelförmigen Abschlüsse charakteristisch, für
letztere das geradlinige Gesims.

Daß die Vertäfelung des Osnabrücker Friedensfaales
nicht von einem einzelnen Meister ausgeführt wurde, lassen
die stilistischen und technischen Unterschiede der einzelnen
Felder erkennen; es geht aber auch aus den weit auseinander
liegenden Daten einzelner auf sie bezüglichen Stadtrechnungen
hervor, deren Mittheilung ich Herrn Staatsarchivar Dr. phi-
lippi in Osnabrück verdanke. In einer solchen vom Jahre
157^ heißt es:

. . . „sunderlich dat penehlwerk, sitten und bösem in
den raidtstaven 28 Th., 9 Stüver, 6

Sechs Jahre später:

„Vor dat nye stucke penehlwerks beneffen einen fchape
in der muiren upm raidstaven to makeu H Th." -

1581 zierte man nach Stüve (Mitth. d. hist. Vereines
von O. VIII. p. 1^5 ff.) die Zimmer des Rathhauses mit
Gardinen und mit Gemälden sinnvoller Bedeutung. Auf
dem Rathssaale (dem jetzigen Friedenssaale) wurde das
„Jüngste Gericht" angebracht, nach einer Lohnrechnung von
f586 von Joachim Schöle gemalt, der damals der einzige
Meister in seiner Zunft war. Bei einer Erneuerung des
Saales im Jahre f 8^6 wurde das Bild, dessen Runstwerth
nicht bedeutend war, beseitigt. 1589 ließ man die Raths-
kammern ausmalen und mit Oefen versehen; was man
unter dieser Ausmalung zu verstehen hat, ob ornamentalen
und figürlichen Schmuck oder bloße Tünche, ist nicht ersichtlich,
auch ist es nicht sicher, daß der Saal hiebei mit einbezogen
wurde. Die Wände desselben zeigten bis vor der letzten
Erneuerung keine Spur von dekorativer Malerei, sondern
waren einfarbig getüncht, wohl aber die Deckbalken und die
Zwischenbretter derselben. Auf diesen war die Farbe nicht
direkt auf das Holz aufgetragen, sondern, wie auch in der
Burg Trausnitz bei §andshut, auf Papiertapeten und stellte
in Rundbildern phantasiebildniffe römischer Raiser dar, welche
durch wiederholte Uebermalung, zuletzt 18(s6, verdorben waren
und deshalb entfernt werden mußten. Die Wände erhielten
 
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