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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 10
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Der Neubau des Bayerischen Nationalmuseums zu München
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0097

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■i~ 87 ~t

Der Neubau

ayerischen

des

aüonalmuseums zu

das Entgegenkommen der Druckerei von Knorr & Birth
Cj£r/¥ sind wir in der Lage, unseren Lesern das perspektivische Bild
Cund den Grundriß des Erdgeschosses zu dem Neubau des
V r^y Nationalmuseums, nach dem Entwurf des Professors Gabriel
Seidl vorführen zu können. -(S. 90 u. 9p) Nachdem diese seit mehreren
Jahren brennend gewordene Angelegenheit somit in das Stadium end-
giltigcr, glücklicher Lösung getreten ist, sei es gestattet, auf die Vorgeschichte
des Museums-Neubaues einen Rückblick zu werfen. Zunächst sei daran
erinnert, daß am \7. Mai ^892 von der bayerischen Abgeordnetenkammer
auf Grund von Plan-Skizzen als erste Rate die Summe von {,{00,000Mk.
für den Neubau des Nationalmusemns bewilligt wurde. Gegen Lude
dieses Jahres tauchten Gerüchte auf, wonach die künstlerische Durchführ-
ung des Baues sozusagen der öffentlichen Kontrolle entzogen werden
solle; cs wurde indes; von der am 28. Januar ;8Iö vom Staats,niuister
Or. v. Müller einberufenen, ans Abgeordneten, Künstlern, städtischen und
Staats-Beamten bestehenden Kommission beschlossen, eine kleine Fach-
kommission einzusetzen, zur näheren Bearbeitung des Bauprogramms
und des Bauentwurfes, wie wir dieß bereits in« vorigen Jahrgang
(Seite n des „Beiblattes") näher ausgeführt haben.

Diese Kommission begann schon wenige Tage nachher ihre umfang-
reiche, Monate währende Arbeit; da stellte sich dann bald heraus, datz
der zur Verfügung gestellte Bauplatz nur knapp ausreiche und jeden-
falls die Möglichkeit ausschließe, entsprechende Bof- und Gartenstächen
zu erübrigen. Der Bauplatz befindet sich bekanntlich an der Nordseite
der Prinz-Regentenstraße, an jener Stelle, wo diese Straße eine platz-
artige Erweiterung („Forum") erfährt; die Langseiten dieses Platzes
zwischen der Alexandra- und der Bogenhauserstraße, welche die Prinz-
Regentenstraße nicht ganz im rechten Winkel durchschneiden, war für
das Museum ausersehen; dazu kam noch ein kleines Stück westlich der
Alexandrastraße zur Aufnahme der Verwaltungsräume, welche durch
eine Brücke über die genannte Straße mit dem Museum verbunden
werden sollten. Da aber sowohl das Forum selbst noch der Bebauung
harrt, als auch das im westen anstoßende dreieckige Grundstück, dessen
schräglaufende Seite längs dem englichen Garten von der Lerchenfeld-
straße begrenzt wird, sich im Staatsbesitz befindet, so war berechtigte
Hoffnung dazu vorhanden, daß man die Gestalt des Forums nach dem
Neubau des Museums richten und den Neubau selbst ganz über das
westlich gelegene Dreiecks-Grundstück ausdehnen könne. Dieß war um
so eher zu verwirklichen, als die Alexandrastraße hier leicht unter-
bunden werden konnte, indem der Zugang zum englischen Garten
ohne namhaften Umweg um das Dreiecks-Grundstück herum ge-
wonnen werden kann. — Thatsächlich entschloß inan sich auch an
maßgebender Stelle bald, die Alexandrastraße nördlich des Forums zu
kaffiren, somit das ganze von ihr durchschnittene Grundstück wieder zu
vereinigen und als Ganzes dem Neubau des Nationalmuseums zur
Verfügung zu stellen.

Das sehr gründlich durchberathene Bauprogram,n wurde Anfangs
Juni fertig gestellt und nun erhielten drei der Kommission angehörende
Architekten — die Professoren Hauberrisser, Rouieis und Gabr.
Seidl — vom Ministerium den Auftrag, Pläne für den Neubau des
Museums auszuarbeiten; es wurde also unter den genannten Herren
ein Wettbewerb veranstaltet. Daß die Entwürfe im Lauf des Sep-
tembers v. I. eingeliefert, dann von einer aus sechs Architekten be-
stehenden Jury geprüft und alsbald einer größeren aus Künstlern und
Laien bestehende» Kommission vorgelegt worden sind, ist unseren Lesern
bekannt (vgl. J895 Bbl. S. TG und 79), — ebenso, daß das Projekt
von Gabriel Seidl zur Ausführung empfohlen und dessen Verfasser
— unter Aenderung einiger unwesentlicher Einzelheiten — ungesäumt
sich ans Werk machte, dem ihin vom Ministerium gewordenen Auf-
trag gemäß die endgültigen Pläne auszuarbeiten.

Wer den Inhalt des jetzigen Museums nur einigermaßen kennt,
dein sind die Schwierigkeiten, einen passenden Bau für denselben zu
schaffen, nicht neu. Galt es doch, eine Menge einzelner Bautheile, Decken,
Wandvertäfelungen, Thüren, Gobelins, deren Größe gegeben war,
paffend unterzubringen. Bei der Mehrzahl all dieser Dinge mußte man
sich in der Hauptsache zuerst klar sein über die Gruxpirungsweise des
Zusannnengehörigen; denn nur so konnte de,n neuen Museum das
gewahrt bleibe», was das alte vor vielen andern voraus hat, näm-
lich daß in demselben stimmungsvolle Raumbilder zu finden sind, in
welchen sich der Geist vergangener Jahrhunderte durch alle Einzel-
heiten hindurch wiederspiegelt. Dabei sollte nach Möglichkeit danach
gestrebt werden, kulturgeschichtliche Sammlungen in ihrer zeitlichen
Aufeinanderfolge auch räumlich nebeneinander anzuordnen.

Der Inhalt des Museums besteht bekanntlich aus zwei großen
Gruppen, den kulturgeschichtlich cn und den Fachsamm lungen.
Die ersteren sind im gegenwärtigen Bau getrennt untergebracht: die
älteren Perioden bis zum Ausgang der Gothik im Erdgeschoß, die
Renaissaneczeit und die folgenden Jahrhunderte im II. Stock. Lag
es bei dein Lharakter dieser Sammlungen, welche womöglich in einem
Stockwerk untergebracht werden sollten, schon ohnehin nahe, die Grund-
rißgcstaltung und Größe der Räume ebenso, wie die Außenseiten des
Baues nach den verschiedenen Kulturperioden auch verschieden auszu-
bilden, so durste man von einein Künstler wie Gabr. Seidl erwarten,
daß sein National,nuseuni die Mannigfaltigkeit des Inhalts auch im
Aeußeren vollständig zum Ausdruck bringe und somit den magazin-
ähnlichen Charakter andrer Museen völlig vermeide. Was nun als
ausgeroifter Entwurf in diesen Tagen die Genehmigung zur Aus-
führung erhalten soll, rechtfertigt in Wahrheit das in den Künstler
gesetzte vertrauen; es ist eine künstlerische Tbat, die selbst die nicht
unbeträchtliche Zahl von Kennern und Nichtkennern, welche mit den,
ersten Seidl'schen Entwurf sich nicht aussöhnen konnten, davon über-
zeugen wird, daß die Wahl des Architekten eine sehr glückliche war.

Was bei wenigen andern durch besonders ansprechende Erscheinung
ausgezeichneten Museen (dlurös äe Cluny in Paris, Gern,. Nat.-Mnsenm-
Nürnberg) als Folge des allmählichen Entstehens und unter Benützung
vorhandener Klosterbauten sich ergeben hat, nämlich das malerische
Aneinanderschließen ungleichartiger Bautheile, dessen wird sich auch
dieser Neubau des National-Museums erfreuen können, — und was
die überwiegende Mehrzahl der anderen Museen so ermüdend macht,
das kastenartige Aeußere und die nüchterne Magazinirung des Inhalts,
das wird hier Alles glücklich vermieden werden. Als leitender Grund-
satz stand dem Künstler stets der Gedanke vor Augen, daß man vor
allen Dingen den Museumsbesucher schon durch die Gestaltung und
Ausstattung der einzelnen Räume jeweils in jene Stimmung versetzen
müsse, welche das verständniß für die Erzeugnisse und die Schaffens-
weise irgend einer Periode anbahnt.

Daraus ergab sich von selbst eine abwechselungsreiche Gebäude-
gruppe, deren Aeußeres zwar vom Stil der deutschen Renaissance be-
herrscht ivird, aber nicht so ausschließlich, „in nicht auch andere Stil-
arten schon in, Aeußern zur Geltung zu bringen und durch die Zurück-
schiebung des Museums von der Straße weg, wie durch die das ganze
Anwesen umgebende Mauer, welche nur bei den Eingängen unter-
brochen wird, wird der geweihte Inhalt des Museums dem lärmenden
Treiben der Gegenwart entrückt und dem ganzen Bau der Stempel
jener Abgeschiedenheit ausgeprägt, welche den Beschauer in die richtige
Stimmung versetzt.

Aus den, beigegebenen Grundriß des schon recht hoch liegenden
Erdgeschosses geht hervor, daß darin die zeitliche Aufeinanderfolge voll-
ständig eingehalten ist; der vorn eintretende Beschauer betritt rechts
zunächst den prähistorischen Saal und das römische Lapidarium, woraus
 
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