Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

DOI Heft:
Heft 5
DOI Artikel:
Glücksmann, Heinrich: Des Handwerks gute alte Zeit, [1]: ein Bild aus der Kunstgeschichte
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0053

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ein Bild aus der Kulturgeschichte. na-höru-, v-rbot-n.

Schriftsteller in Wien, gehalten im Bayer. Aunstgewerbeverein am jp Rkärz s8ß3.

Vortrag von Heinrich Glücksmann,

LR kategorische Imperativ aus der Menschheit
ersten Tagen, der den Schöpfer jedem Freunde
süßen Nichtsthuns als das Urbild der despo-
tischen Sklavenhalter erscheinen lassen mag:
„Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen",
dieses Aommando an die allgemeine Galeere der Pflicht ist
dem ureigensten Wesen des Menschen entflossen, das ihn
zur Arbeit spornt und ihn darin nicht nur Mühe und An-

5. Tafelaufsatz.

Ausbacber Laience, (5. Jahrhundert. 32 cm. lang.

strengung, auch Freude und Genuß finden läßt, das ihn
zur Erkenntniß ihres Segens bringt. Stolz auf ererbten
Reichthum, auf ererbten Namen, auf von Verwesung erfüllte
Ahncngräber ist lächerlich; Stolz aus gethane Arbeit ist ein
Recht, das Jeder refpektirt, und aus diesen: Stolze allein
fließt mit den: Bewußtsein des eigenen Wertstes das Gefühl
der Freude am eigenen Ich und an dessen lebendiger, kraft-
strotzender Bethätigung.

Dieses erhebende Empfinden, das wunderkräftig jenen
Gottesfluch in Segen wandelt, der Stolz auf die Arbeit war
im deutschen Volke nie so mächtig ausgeprägt wie in der
Zeit, die ich heute großzügig fkizziren will, in jener Epoche
gewerblicher hochblüthe, die das Mittelalter beurlaubt und
bis in die Schrecken des 30 jährigen Arieges reicht. Es ist
einer der bedeutsamsten Abschnitte der deutschen Aultur-
geschichte, nach inancher Richtung eine „gute, alte Zeit",
eine Art „goldenes Zeitalter", die Auferstehung hellenischen
Glanzes im kühlen Norden. Wie jede griechische Alein
bürgerfamilie bis in ihr Alltagsleben hinein von: Genius
des phidias und Praxiteles beschattet wurde, so vermählte
sich da auch unseren: Gewerbe die Run st, wurde auch in
unser:: Landen die Brücke geschlagen vom täglichen Be-
dürsniß zur Aesthetik und Haus und Hausrath :nit Schönheit
durchtränkt. Und merkwürdig! In einer Zeit, da die Aunst
noch Handwerk war, schuf das Handwerk als Aunst. Während
sich auf den Bildern der klösterlichen Altarmaler die Figuren
mit einem rührenden Ausdruck der Hilflosigkeit in den langen
Gesichtern von den: protzigen Goldgründe abheben, beobachten
Steinmetz, Erzgießer und Holzschnitzer, Männer im Schurzfell

schon die Natur und schaffen Gestalten, die noch heute lebendig
sind in sich und an sich — besonders hier in Bayern, das
so recht die Geburtsstätte der Aunst in: deutschen Handwerk ist,
und dar::::: leuchten mir auch :nit Recht die Namen dieser
ersten und größten Handwerkerkünstler aus den Ehrentafeln
des „Bayerischen Aunstgewerbevereins" mit goldenen Lettern
entgegen, dieser Tolumbusse des deutschen Aunsthandwcrks.
Der dumpfe Druck der Alostern:auern preßte die Aunst in die
handwerksmäßige Beschränkung, in der Freiheit schwang sich
das Handwerk zur lichten höhe der Aunst auf.

Seit Bestand der Alöster und Mönchsorden waren diese
die getreuen Schätzer und Schützer der Gewerbe, die sich in ihrer
geistgeleiteten Hebung veredelten. Schon unter Aarl den:
Großen sind die geschicktesten Goldschmiede Mönche, und
auch unter den sächsischen und fränkischen Aaisern liefern
Alosterbrüder die schönsten Werke der Goldschmiedekunst,
der Holzschnitzerei, Weberei, Stickerei, Eisen- und Bronze-
Bearbeitung und der Glas- und Tafelmalerei, von der
Wende des Jahrtausends bis zur Mitte des j3. Jahr-
hunderts lagen Förderung und Pflege des Gewerbes fast
ausschließlich in den Händen der geistlichen Herren, welche
eifrigst malten, schnitzten, meißelten, Zeichnungen in Holz
schnitten, in Aupfer gruben und allerlei Handwerker als
Leibeigene oder „hörige" — wie man sie nannte ■—
in den Alöstern unterhielten, wobei sie selbst auch Handwerker
waren, und zwar als die geschickteren, die Lehrer ihrer
„hörigen". Die spätere Zeit, politisch reich an kleinen und
großen Fehden, verwilderte die Gesellschaft, die bis nun ein
geistiges Interesse hatte; der ritterliche Sänger verstummte,
die Edelleute wurden Wegelagerer, Plünderer aus Passion
oder Nothwendigkeit und auch die Geistlichkeit verlor die

6. Kindbett-Suxxenschüssel mit Deckel (bezw. Teller).

Altsbacher Faience, s8. Jahrhundert. 2\ cm. Durchmesser.

Lust an künstlerischer und geistiger Arbeit und schloß sich
den: wilden Taumel des Genusses an, der die höheren Areise
ergriffen hatte, jenen: Teufel, der sich erst verkroch, nachdem
ihm Luther sein Tintenfaß an den Aops geworfen.
 
Annotationen