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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 1
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Kisa, Anton Carel: Der "Friedenssaal" in Osnabrück
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0019

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außer dein erwähnten Gemälde des „jüngsten Gerichtes" in
der zweiten Hälfte des H7. Jahrhunderts, nach Beendigung
der Friedensverhandlungen einen ernsten und bedeutungsvollen
Schmuck durch die Bildnisse der beim Friedensschlüsse be-
theiligten Herrscher und ihrer Bevollmächtigten, welche in
fortlaufender Reihe an den Wänden und Fensterlaibungen
aufgehängt waren, In dieser Anordnung sieht man sie
auf dem Kupferstiche in des Johann Gottfried von Bleiern
»actis pacis Westphaelicae«, Band, Hannover sc35, der
ältesten bekannten Abbildung des Friedenssaales, der int
Bebrigen die Einrichtung nur schematisch wiedergibt und
für die Bestimmung der Einzelheiten nicht ausreicht. Das
Stuhlwerk ist gaitz ungenau dargestellt, mit Sorgfalt jedoch
eine große epitaphartige Bekrönung über der Eingangs-
thür, mit dem reichgegliederten, auf starken Balustern
ruhenden Gesimse uitd den: abgetreppten Giebel. Sie ist
heute ebensowenig vorhanden, wie der alte, neben der Lin-
gangsthür angebrachte Ofen, wohl einer von denen, die
l58st im Rathhause aufgestellt wurden, „damit die Aammern
nicht mehr so sehr durch Aohlenrauch litten, da man früher
bloß Aohlenpfannen angezündet hatte". Das Stuhlwerk
zieht sich auf dem Stiche bei v. Bleiern um Stirnwand uttd
beide Seitenwände, während gegenwärtig die fensterlose OsB
wand keine Sitzbänke aufweist. Dagegen sind die Beschläge
der Eingangsthür noch erhalten und ebetiso die der Seiten-
thür, welche auf dent Stiche nicht sichtbar ist. Es ist reiche
Schmiedearbeit späthgothischen Stiles: Eine große Schloß-
platte mit einem aufgelegten durchbrochenen Baitde, ent senk-
rechter Thürgriff mit schönen Bierpässen als Unterlagsplatten
und drei mächtige, fast die ganze Thürbreite einnehmende
Bänder mit hochgetriebenen Dreiblättern an der Spitze und
krausen, krabbenartigen Verästelungen an den Seilen.

Merkwürdiger Weise fehlt auf dem Aupserstiche eines
der auffälligsten Schmuckstücke, der große fchmiedeiferne Aron-
leuchter, welcher von der Witte der Balkendecke herabhängt
(Abb. S. ii). Er entlehnt die Grundform den romanischen
Lichterkronen: Ein breiter, mit Rankenwerk uitd Iagdszenen
in durchbrochener Arbeit verzierter Reif trägt an spiral-
förmig gewundenen Armen viereckige, durchbrochene und an
den Ecken mit Blumen verzierte Aerzenhalter, abwechselnd mit
kurz gestielten Lilien. Innerhalb desselben ist ait dent senk-
rechten, durch Spiralen und Blättchen belebten Schafte das
Geweih eines Sechzehnenders angebracht, dessen Arone durch
eine große, von einent durchbrochenen Wulst umkränzte
Rundscheibe mit dem Gsnabrücker Wappen verdeckt wird,
von dem Reife steigen in 8-förmiger Arümmung vier ge-
wundeite Stäbe auf und lehnen sich, in Spiralblumen endigend,
an eine kleine durchbrochene Arone, aus welcher die Gestalten
von Adam und Eva emportauchen, von dem mittleren
Schafte aus drängen sich im Bogen langgestielte j,Lilien
zwischen den Stäben hervor; unterhalb des Hirschgeweihes
hängt ein aus dünnen Rundstäben gebildetes Zwölfeck mtd
daran kleine Wappenschilder, aus denen Hausmarken auf-
gemalt sind. Halbfiguren, durchbrochene Zierscheiben, die
stammende Sonne, Sterne verschiedener Art schntücken das
Ganze in einer spielenden, an Christbaumschmuck erinnernden
weise, belebt durch eine reiche, jetzt wiederhergestellte Be-
malung. Wie' bei deit älteren Theilen des Gestühles mischen
sich namentlich in öer Behandlung des durchbrochenen Orna-
mentes spätgothische Motive mit ausgesprochenen Renaissance-

formen, so daß an seiner Entstehung spätestens ant Ende
des j6. Jahrhunderts nicht zu zweifeln ist, obwohl urkundliche
Belege darüber nicht beizubringen sind. Der Umstand, daß
er auf dem Stiche bei v. Meiern fehlt, fällt nicht schwer
m's Gewicht, wenn ntmt bedenkt, daß er auch in anderen
Einzelnheiten der Einrichtungen ungenau ist und in erster
Linie die Anordnung der Bildnisse in perspektivischer Ansicht
zur Anschauung bringen will, deren Beschreibung darunter
einen breiten Raum einnimmt. Die Darstellung des Aron-
leuchters hätte den Ueberblick gestört und einen Theil der
Bildnisse verdeckt und darum ließ ihit der Zeichner fort.

Wandschränkchen aus dem „Friedenssaal" zu Osnabrück, (vgl. S. 8.)

wenn v. Meiern in der Vorrede des IV. Bandes seines
Werkes versichert, „daß in solchem Zimmer alles und jedes
in eben dem Stand, wie es zur Zeit der Friedenshandlung
gewesen, ohne die geringste Veränderung bishero gelassen
worden, außer daß in einer (näher bezeichneten) Fenster-
laibung, welche sonst ledig gestanden, schon vor Jahren das
Bildniß Ihro in Gott ruhenden Majestät Georgii I. voit
Großbritannien . . . aufgestellt worden" so ist dantit nicht
zugleich gesagt, daß die Abbildung den Saal auch in allen
Einzelheiten so wiedergibt, wie er sich s6H8 und 1735 dar-
gestellt hatte. Aber es läßt sich auch außer den stilistischen
Gründen noch ein direkter Beweis für die Entstehung des
Aronleuchters vor der Friedensversammlung ins Treffen

Zeitschrift des Nayer. Aunftgeweibe-Vereins München.

<894- Seft \. (Bg. 2.)
 
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