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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 2
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Pfeifer, Hermann: Façadenmalereien der Renaissance in Italien und Deutschland, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0024

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4'

Malereien zu geben. Von der riesigen Zahl der in der
Renaissancezeit bemalten Däuser und von der ursprünglichen
Farbenpracht derselben können wir uns kaum eine richtige
Vorstellung machen. Unwillkürlich drängt sich einem hier
die Frage auf, ob es denn bei der verhältnißmäßig kurzen
Dauer dieser Kunstwerke sich rechtfertigen läßt, daß wirkliche
Künstler ihre Zeit und 'Kraft denselben opfern.

Bedeutungsvoll ist es, in dieser vielumstrittenen Frage
die Anschauungen jener Zeit selbst zu hören. Jakob Burck-
hardt, wohl der bedeutendste Renner der Renaissance, welcher
zuerst wieder auf den Werth der italienischen Facadenmalereien
hingewiesen hat, sagt in seiner Geschichte der italienischen
Renaissance hierüber: „Beim Gedanken an die Vergäng-
lichkeit verließ sich jene kräftige Kunstzeit ohne Zweifel daraus,
daß die Nachkonunen ebenso Treffliches würden Hinmalen
lasten, und urtheilte, daß man genießen müsse, was der
Genius der Zeit biete. Die Künstler aber, darunter einige
der größten, ergriffen ohne allen Rückhalt den Anlaß, monu-
mental, mit großer Freiheit in der Wahl und Auffassung
der Gegenstände, für den täglichen Anblick einer ganzen
Bevölkerung malen zu dürfen. Was sie Treffliches schufen,
war lauterer, stets gegenwärtiger Ruhm. Dieser Kunst-
zweig schwang sich empor zu einer ernsthaften Konkurrenz
mit der reinen Architektur, nachdem er Anfangs wohl nur
als ökonomisches Surrogat derselben gegolten hatte." An-
schließend an letztere Bemerkung ist jedoch nicht zu vergessen,
daß auch zur Zeit der höchsten Blüthe der Facadenmalerei
die Pausteinarchitektur immer als monumentalster Ausdruck
angesehen und für öffentliche Bauten, sowie für die Paläste
der Reichen gewählt wurde, wenn es einigermaßen thuulich
war; als Nothbehelf sind an solchen Bauten die reliesartig
wirkenden Facadeninalereien zu betrachten, welche bcftimmt
waren, in ihrer Wirkung echte, wohl zu kostspielige paustein-
reliefs zu ersetzen. Als ergänzenden Kontrast zu den geo-
metrischen Linien der reinen Architektur verlangt eben das
Auge die weichen Formen des plastischen Schmuckes. Am
Palazzo Verza in Verona, von Sanmichele f530 erbaut, sind
auf den verputzten Flächen zwischen der pausteinarchitektur
noch die Reste der reliesartig gemalten Ornamente zu er-
kennen, welche zur harmonischen Gesammtwirkung gewiß
nicht unwesentlich beitrugen; vielleicht bestand die Absicht,
sie später durch wirkliche Reliefs zu ersetzen.

Mit dieser täuschenden Nachahmung von echter pau-
steinarbeit ist ein gefährlicher Schritt gethan, welcher zu dem
berechtigten Vorwurfe der stilistischen Lüge führt; un-
erträglich wird diese Lüge, wenn große verputzte Wand-
flächen in Zeichnung und Farbe möglichst täuschend eine
echte pausteinquaderung darstellen sollen; man glaubt es ja
doch nicht, namentlich wenn erst die Malerei etwas schad-
haft geworden. Es geht einem da wie mit Silberarbeiten,
welche ganz und gar vergoldet sind: inan empsindet die
beabsichtigte Täuschung unangenehm; während hingegen
eine theilweise Vergoldung, welche das Silber als solches
noch sehen läßt, wie eine Verzierung, also Veredelung
wirken kann.

Ist nicht ebenso der eichenholzartige Gelfarb-Anstrich
von Möbeln aus Fichtenholz dem künstlerisch empfindenden
Auge ein Greuel? Wieviel mehr befriedigt uns eine ein-
fache Beize, welche das polz selbst noch durchsehen läßt,
oder ein bunter Oelfarb-Anstrich, welcher eben nichts anderes

fein will, als ein schützender Anstrich. Oder gefällt es uns
etwa an unseren Mitmenschen, wenn sic vornehmer scheinen
wollen, als sie sind?

Das Stilwidrige von Imitationen echten Materials tritt
vielleicht an folgendem Beispiel — einem kleinen modernen
Nutzbau, den ich in Italien gesehen habe, — noch klarer
hervor: die Wände sind ganz mit Backsteinen aufgemauert
und mit Mörtel verputzt; auf den Verputz ist dann ein
Backsteinverband und sogar ein polzfachwerk aufgemalt:
Auch eine Facadenmalerei!

Wenn dagegen eine verputzte Wandfläche mit Gemälden
und Ornamenten und mit einer angedeuteten, spielenden
Architektur bemalt und geschmückt wird, so wird hier auch die
strengste ästhetische Kritik keine stilistische Lüge finden können.

Als Beispiel einer solchen unrgedeuteten Architektur
möchte ich hier ein dekoratives (Juadermuster anführen, mit
welchem der Schwarzenberg'sche palast auf dem
pradschin in Prag bemalt ist (Abbildung S. f7).

Die dunklen Dreiecksflächen der gemalten Diamantquader sind
mit Hellen Palmetten geschmückt, die einzelnen Quader mit
weißen und schwarzen Linien eingefaßt und so ein dekoratives
Flächenmuster gebildet, welches zwar im Motive dem Stein-
schnitt entnommen ist, ohne aber denselben täuschend nach-
ahmen zu wollen. Die alten Meister wurden in den meisten
Fällen durch ihr angebornes stilistisches Gefühl und durch
gute handwerkliche Schulung richtig geleitet; hätten sie zu
sehr philosophirt, so wäre gewiß vieles Schöne nicht ent-
standen, woran Jahrhunderte lang ganze Generationen sich
erfreuten.

Daß jene Meister dabei stets bestrebt waren, durch sorg-
fältigste Ausführung ihren Werken eine möglichst lange Dauer
zu sichern, entspricht ganz der Gewissenhaftigkeit und Ge-
diegenheit aller handwerklichen Künste vom Mittelalter bis
zum Ende des vorigen Jahrhunderts. — Die Aufgabe der
Baumeister war es, die Wandflächen genügend gegen die
Unbilden der Witterung zu schützen und für besten Mörtel
zu sorgen, der Maler hatte die erprobtesten Farben zu wählen
und alle (Erfahrungen, welche sich an den früheren Aus-
führungen sammeln ließen, zu verwerthen. Ebenso muß
es auch bei der Ausführung von Facadeninalereien in unserer
Zeit von besonderem Wertste sein, zu untersuchen, welche
Herstellungsarten sich im Laufe der Jahrhunderte am
besten bewährt und welche Umstände die Zerstörung herbei-
gesührt haben, um so einem raschen Untergang werthvoller
Kunstwerke möglichst vorzubeugen oder nachträglich noch
Schutzvorkehrungen treffen zu können. An denjenigen päusern,
welche von Anfang an für Bemalung bestimmt und kom-
ponirt waren, also Verputz erhielten, waren doch fast immer
die architektonischen Gliederungen, wie Gurt- und Paupt-
gesimse, Fenstereinfassungen, Portale und Baikone in echtem
Material — Paustein oder Terracotta — ausgeführt, wo-
bei den wirksamen Schutz für das Ganze in der Regel ein
weitvorspringendes Sparrendach oder Balkengesims bildete,
welches in sichtbarer polzkonstruktion künstlerisch durchgebildet
wurde; aus die Polzprofile sind oft in weißen und schwarzen
Licht- und Schattenlinien Blattmuster aufpatronirt, wobei
die braune Naturfarbe des polzes als gemeinsamer Grund-
ton beibehalten ist.

Der farbige Wandschmuck wurde nun in verschiedener
Technik ausgeführt. So nahe es läge, hierbei auch die stilistisch
 
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