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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 2
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Pfeifer, Hermann: Façadenmalereien der Renaissance in Italien und Deutschland, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0027

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feite sich in der Regel ganz gut erhalten, zeigen die „Wetter
seiten", also Westen und Süden sehr bald den Beginn der Zer-
störung. Ben augenfälligsten Beweis z. B. liefern die Fresken
an der neuen Pinakothek in München. Doch auch in dern viel
milderen Klima Italiens ist dieselbe Erscheinung zu beobachten.

Was an Facadenmalereien dem Wetter getrotzt hatte
und von Feuersbrunst und Erdbeben verschont geblieben
war, siel — bis aus wenige Reste — der Rücksichtslosigkeit
des vorigen und unseres Jahrhunderts und dem Mangel
an verständniß für die alten Meisterwerke der Wandmalerei
zum Opfer. Zn Revolutionszeiten des Geschmackes — wie
der Politik — kennt man keinen Pardon für das Ueber-
lieferte. Die weitvorspringenden Sparrengesimse, welche die
Wandmalereien schützten, fielen in Italien meist einer un-
glaublichen Verwahrlosung anheim; statt die Dacheindeckung
auszubessern, sägte man die Sparrenköpfe ganz oder theil-
weise weg. Fenster wurden ohne Rücksicht auf vorhandene
werthvolle Außenmalereien versetzt. — viele Facaden
Malereien wurden ein Opfer des Reinlichkeitssinns, indem
man sie gründlich übertünchte, statt daß man sie durch Ab-
stauben und geringe Ausbesserung in der alten Farbenpracht
wiederhergestellt hätte. Einige traf das vielleicht noch härtere
Schicksal, von Stümperhand restaurirt und ganz übermalt
zu werden. — Zn neuester Zeit, wo fast alle italienischen
Städte sich um die wette anstrengen, möglichst rasch ein
modernes Gewand anzulegen, müssen werthvolle alte Bauten
unbarmherzig den neuen langweiligen Zinskasernen weichen;
Straßenregulirungen von gedankenloser Geradlinigkeit thuen
das Uebrige. So freudig die wirthschaftlichen und hygien-
ischen Verbesserungen der Neuzeit überall zu begrüßen sind,
so könnte sicherlich in vielen Fällen durch eine gewisse Pietät
für das historische und durch richtiges verständniß für das
künstlerisch Werthvolle manches unersetzliche Kunstdenkmal
aus alter Zeit erhalten bleiben.

Läßt sich in bestimmten Fällen der Abbruch alter fresken-
geschmückter Bauten durchaus nicht vermeiden, so sollte man
doch wenigstens die besten Bilder und Ornamente vor voll
igem Untergange retten durch Abnahme derselben und Wieder
aufziehen aus neuen geschützten Grund — vergl. was hier
über gelegentlich der Fresken des pal. Murari gesagt wurde
(Heft \, 5. 5).

Zch habe bei meinen Aufnahmen von Facadenmalereien
fast überall die wenig erfreuliche Wahrnehmung machen
müssen, daß selbst verhältnißmäßig gut erhaltene Bilder von
den Einheimischen fast gar nicht gesehen und beachtet werden;
erst das Kuriosum eines fremden Zeichners lenkte deren Auf-
merksamkeit darauf hin. Den vielen Ztalienreisenden, welche
bei einmaligem Aufenthalte mit den weltberühmten Bau-
werken ersten Ranges und den Kunstschätzen der Museen sa
kaum fertig zu werden verstehen, darf man es weniger ver-
übeln, wenn sie die Facadenmalereien völlig übersehen, zumal
diese meist bestaubt und im Bädecker nicht verzeichnet sind;
Burckhardt's trefflicher „Cicerone" freilich vergißt sie nicht.

Zum Schluß noch ein Wort über die Vorkehrungen
zum Schutze der Facadenmalereien: Die Kenntniß
der Zerstörungsursachen gibt uns gleichzeitig bis zu gewissem
Grade die Mittel zum schütze der vorhandenen alten Facaden
Malereien an die Hand; noch ausgiebigerer Nutzen jedoch
läßt sich für die Ausführung neuer Facadenmalereien aus dieser
Kenntniß ziehen. Ursprüngliche Material und Ausführungs-

fehler können später nur schwer oder gar nicht mehr gut
gemacht werden. Dagegen läßt sich durch Anlage von Schutz-
dächern auch nachträglich noch der schädliche Witterungseinstuß
vermindern. Zn Ztalien sind nicht selten mittelalterliche Fresken
und Mosaiken später durch vorgekragte Stein- und Holzkonstruk-
tionen geschützt worden; ein anziehendes Beispiel ist das schlichte
holzdächlein über dem Westportal an S. Apostoli (Abb. S. f 6)
in Florenz, bezw. über einem alten Madonnenbilde. Das leichte
Sparrenwerk ist offenherzig gezeigt.

Bei Neuherstellung von Facadenmalereien ist das Auf-
steigen der Bodenfeuchtigkeit durch entsprechende Zsolirschichten
in der Mauer zu verhindern, womöglich die Wetterseite zu
vermeiden; selbst an der Nord und Ostseite sollte man nur
gut geschützte Stellen, z. B. unmittelbar unter dem Haupt-
gesims, unter einem Balkonvorsprunge oder unter einem
vordache für die Bemalung ins Auge fassen. Auch in den
äußeren Fensterlaibungen, wenn sie in verputz hergestellt
tind, bilden die Malereien einen dauernden Schmuck, der
um so wirkungsvoller zur Geltung kommt, je mehr sich
die Laibung in schrägen Flächen nach außen verbreitert —
ein alten Bauernhäusern in der Schweiz nicht selten zu
finden. —- Wenn übrigens
ein weitausladendes holz-
gesims angeordnet wird, wie
es im Villenbau beliebt ist, so
kann auch in unserem nord-
ischen Klima dem reizvollen
farbigenFacadenschmuck eine
Zahrhunderte lange Dauer
gesichert werden. Den besten
Beweis liefern uns einige in
Konstanz und anderen Städ
ten des Oberrheins vorzüglich
erhaltene Facadenmalereien
des f6. und \7. Jahrhun-
derts, bei welchen die oben
erwähnten Bedingungen er-
füllt sind.

Nach Angabe Keim's, dessen Verdienste um die Facaden
malerei oben erwähnt sind, kann ein parafinÜberzug, welcher
alle paar Zahre erneuert werden muß, auch Facadenmalereien
in der exponirtesten Lage vollkommen vor den schädlichen
Einflüssen des Wetters schützen. Die Erfahrung hierüber
reicht noch nicht weit zurück; die andere Erfahrung aber,
daß derartige Anterhaltungsarbeiten, weil unbequem und
kostspielig, mit der Zeit einschlasen, ist bereits altbewährt.
Deshalb sollte man an den Schutz mittelst Parafin noch
nicht bei Neuschaffung von Facadenmalerei denken, sondern
denselben nur zur Erhaltung schon vorhandener anwenden.

Die Nutzanwendungen, welche sich aus dem Studium
der alten Facadenmalereien ziehen lasten, dürften in den Haupt-
punkten aus den bisherigen Ausführungen hervorleuchten.

Mögen die alten Meisterwerke Anregung geben zu
neuen Schöpfungen, welche als Ausdruck des Geschmackes
unserer Zeit der Mitwelt verständlich und sympathisch seien;
die vaterländische Geschichte der Neuzeit, die deutsche Märchen
und Sagenwelt, das deutsche Lied und Sprüchwort bieten
für neue figürliche Kompositionen ebenso reichen Stoff, als
die heimische Pflanzenwelt für den ornamentalen Schmuck.
Da es heute auch bedeutende Künstler, wie Schraudolph,

(tZuadermuster.

vom fürstl. Schwarzenberg'scheu Palast auf
dem hradschin zu Prag \5^5.
(wiederhergestellt \87 ^.)
 
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