Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

DOI Heft:
Heft 2
DOI Artikel:
Krell, Paul F.: Die Papiertapete: das Wesen der Papiertapete [und] aus der Geschichte der Papiertapete [und] die Tapetenindustrie in unserer Zeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0031

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
/

+- 2\ -«■

\

verwendet.) Die polydjronüe der Tapete hat eine Verwandt-
schaft mit dein Mosaik, indem die Technik beider verlangt,
daß jeder Farbton bestimmt abgegrenzt werde und in gleich-
mäßiger Stärke die ihm zugewiesenen Partien ausfülle. Bei
der Tapete besteht aber außerdem die Forderung, daß nicht
verwandte Farbtöne auseinanderzuhalten sind, damit sie nicht,
bei dem Druck in einander verfließend, Mißtöne erzeugen.

Man sieht, wie die anscheinend so leicht und einfach
hingeworfenen Dessins der Tapeten in ihrer Entstehung von
einer Reihe zwingender Faktoren abhängig sind. Der Ent-
wurf eines neuen guten Tapetenmusters (es braucht noch
gar kein besonders ingeniöses zu fein) ist demnach eine nicht
gering anzuschlagende künstlerische That.

2. Aus der Geschichte der Papiertapete.

Das Inslebentreten der papiertapete hatte zur Voraus-
setzung die Erfindung des Papiers. Dieses aber wurde
schon in den ersten Zeiten des Mittelalters von den Arabern
nach Europa gebracht, während inan erst um die Mitte des
f5. Jahrhunderts begonnen haben dürfte, bemalte und
fchablonirte Papierbogen zur Wanddckoration zu verwenden.
Der um den Beginn des'jS. Jahrhunderts in Aufnahme
kommende Modeldruck wurde zunächst nicht sowohl zum
Bedrucken von Papier, als vielmehr von Geweben ver-
schiedener Art, vorab des Kattuns benützt. Die Gobelins
(resp. Arrazzi) und die Ledertapeten, welche in jener Zeit
storirten, waren zu kostbar, als daß sie jnicht den Wunsch
nach einer, den mittleren Ständen in: Preise zusagenden
Wandverkleidung hätten erwecken sollen. Das zunächst für
das Leder ergriffene Ersatzmittel, das Wachstuch, konnte
noch nicht völlig entsprechen. Dagegen wurden Ueberzüge
aus bedrucktem Kattun und anderen gewebten Stoffen dem
Bedürfnisse schon ziemlich gerecht.

Von der Verwendung des Papiers zur Wandverkleidung
wurde man einigermaßen dadurch zurückgeschreckt, daß man
dasselbe dazu in einzelnen Bogen zusammenkleben mußte,
denn man hatte es noch nicht so weit gebracht, endloses
Papier Herstellen zu können. Ungeachtet dessen gelangte
die papiertapetensabrikation in der Zeit von der Mitte des
vorigen Jahrhunderts bis zuin Anfang des jetzigen in selb-
ständige Bahnen. Sie machte sich dabei zwar unabhängig
von der Kattundruckerei, blieb jedoch mit ihr fortgesetzt in
einer engen Verbindung, die auch bis auf den heutigen Tag
besteht. — Die Saftfarben, deren man sich beim Kattun-
druck bediente, hielt man anfangs auch für den Tapetendruck
geeignet, mußte aber schließlich erkennen, daß nur durch die
Ausnahme der Deckfarben eine bedeutende Entwickelung
der Fabrikation sich erreichen lasse.

Im Jahre \Q2C) war es noch eine Neuheit, eine Papier-
Maschine auszuzustellen, welche Bögen von 2 Meter Länge
erzeugen konnte, wie dieß in der Fabrik des, um das Tapeten-
wesen hochverdienten Johann Zuber in Rixheim im
Elsaß geschah. Dem unablässigen Bemühen eines gewissen,
in Diensten dieser Fabrik stehenden Rieder gelang es aber
allmählig, Rollenpapier von q-0—50 Meter Länge zu er-
zeugen. Diese technische Errungenschaft führte zu einen: groß-
artigen Aufschwung der Tapetenindustrie, welche aber erst
I 350 von den: letzten Hemmniß, das sich ihrer vollen Ent-
faltung entgegenstellte, befreit wurde. Bis zu den: genannten
Jahre erfolgte nämlich der Druck der Tapeten, welcher ur-

X_

fprünglich ausschließlich Handdruck gewesen, durch letzteren
oder durch eine von Hand betriebene Maschine. Die Eng-
länder waren es, welche an Stelle dieser Handmaschine die
Dampf- Tapetendruck - M aschine setzten.

Die Einrichtung einer solchen, in der Grundanlage mit
der verbesserten, heute gebrauchten übereinstimmend, ist
folgende: Um eine große Trommel mit horizontal stehender
Achse reiht sich eine Anzahl von Walzen. Au jeder der
letzteren gesellt sich ein Farbkasten, aus welchem mittelst eines
Flanells die Farbe auf sie übertragen wird. Die Rundung
I der großen Trommel dreht sich langsam, schneller dreht sich
die Oberfläche der Walzen und wandern die Flanelle. Zwischen
der Trommel und den Walzen ist gerade so viel Zwischen-
raum, um das Tapetenpapier hindurchzulassen, welches kein:
paffircn von jeder WalzeIinen farbigen Aufdruck erhält. Die

-z. Schlafzimmer- und- Boudoirtapete.

^Englischer Kupferdruck; stilisirte Blumen.

Umrisse der ornamentalen Details sind auf den walzen durch
eingesetzte Messingstreisen, welche aus der Kante stehen, wieder-
gegeben. Zwischen den Messingstreifen, die bei::: Drucken
gleichfalls farbenübertragend funktioniren, befindet sich ge-
preßter Filz. — wenn das Tapetenpapier die letzte Walze
paffirt hat, wird es von der Aufhängemaschine (accrocheuse)
schräg aufwärts gezogen und sodann, indem :::an es lang
herabfallende Schleifen, sog. „Bahnen", bilden läßt, ungefähr
auf die Dauer von einer halben Stunde in dem erhitzten
Raun:e entlang und wieder zurückgesührt. Sind dann auf
diese Weise die aufgedruckten Farben getrocknet, so läßt man
die fertige Tapete auf Ballen sich ausrollen. ^ W-
Aus der Einführung der Dampf-Tapetendruckmafchine
und den: billigen zeitersparenden Transportmittel der Eisen -
bahnen erwuchs die Massenproduktion. Damit steigerte
sich der Wettkampf der inzwischen immer zahlreicher ent-
standenen Tapetenfabriken auf das Heftigste. Erst suchte

Keilschrift des Bayer. Kunstgeweibe-Vereins München.

J8<H- Heft 2. (Bg. 2.)

/
 
Annotationen