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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Krell, Paul F.: Die Papiertapete: das Wesen der Papiertapete [und] aus der Geschichte der Papiertapete [und] die Tapetenindustrie in unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0032

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man durch Erhöhung der Effekte und durch Erfindung neuer,
Aufsehen erregender Gattungen von Tapeten einander den
Rang abzulaufen. So entstanden in den fünfziger und sech-
ziger Jahren jene naturalistischen Muster, welche nach Art
von Wandmalereien Gartenlauben und Blumenhecken vor-
zutäuschen suchten. Dann erschien auf der pariser Welt-
ausstellung von s867 Ballin mit seinen Gewebe-Imitati-
onen, einer eminent getreuen Wiedergabe von Sammten
(Velours), Brokaten, Stickereien, Spitzen, vorhangstoffen,
Applikationsarbeiten u. s. w. — Nach und nach wurde von
den Dessinateuren überhaupt das ganze Gebiet des Aunst-
gewerbes an Motiven ausgeplündert. Die Lederpressungen,
die polz- und Metalleinlagen und die Gravirungen, die
Emails, die Fayencen, die Mosaiken, die geschliffenen bunten
Marmorsteine, die schön geäderten pölzer, nichts ließen sie
unbeachtet, aus Allem schöpfte ihre Phantasie Material zu
neuen Gestaltungen.

Damals waren es namentlich England und Frank-
reich, welche einander zu übertrumpfen suchten. Zugleich
wurde dabei ein Duell zwischen dein p and druck und dein in-
zwischen vervollkommneten Maschinendruck ausgefochten.—
Mittelst des panddrucks lassen sich schönere Gebilde Herstellen,
als durch öcu Maschinendruck, denn jede Farbe wird dabei zu-
erst getrocknet, ehe die nächste aufgedruckt wird. Dafür kommt
aber auch der panddruck wesentlich theurer zu stehen.

Bei dem erwähnten Wettkampf, in welchem die Eng-
länder den von ihnen hauptsächlich kultivirteii Maschinen-
druck vertrateii, trug den Sieg die Schönheit nicht davon.
Um die Aonkurrenz der itt ihrer Art vortrefflichen uiid
billigen englischen Maschinentapeten auszuhalten, griffen die

L. 5alontapete.

Deutscher Handdruck in 7^ Farben; bunte Naturblumen.

6. Salontaxete.

Englischer Aupferdruck; Naturblumen.

Franzosen schließlich zuin äußersten Mittel und nahmen als
Tapetenpapier den allerbilligsten Stoff, jene geringen Papier-
sorten, welche schon von Pause aus einen farbigen Ton
haben. Indem sie direkt darauf druckten, ersparten sie sich
den Fond. Durch das Auftreten dieser Naturel-Tapete,
wie man sie nennt, bekam das ganze Tapetenwesen eine
bedenkliche Neigung gegen jenes Niveau hin, welches die
Devise trägt: „Billig und schlecht".

3. Die Tapctenindustrie in unserer Zeit.

Aus welchem Punkt, erhebt sich schließlich die Frage,
steht nun die Tapetenindustrie in unseren Tagen? Diejenigen
Länder, welche dabei vor Allem in Betracht komnien, sind
Deutschland, Frankreich und England.

Deutschland beschäftigt sich namentlich mit der Er-
zeugung von sog. Stilmustern, d. h. mit der Verarbeitung
der Formen der verschiedenen historischen Stilinotive. Frank-
reich excellirt in Blumenmustern und in den sog. Phan-
tasien! u st e r n. E n g l a n d, welches an seinen historischen
Traditionen stets mit großer Zähigkeit feftgehalten hat, wird
nicht müde, den sog. Tudor- und den Elisabeth-Stil in
immer neuem Zuschnitt zu behandeln. Daneben wird ein
naturalistisches Genre kultivirt. So recht als Erzeugniß eng-
lischen Geschmackes anzusehen sind die sehr hell gehaltenen
in lithographischer, bezw. Aquatintamanier ge-
fertigten Aupferdrucktapeten. Dieselben sind mit ver-
dünnten Lackfarben gedruckt, um abgewaschen werden zu
können; seit man weiß, daß der Staub Bakterien enthält,
ist man an den rauhen, staubfangenden Tapeten stutzig ge-

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