Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Gmelin, L.: Kunstgewerbliches von der Weltausstellung in Chicago, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0038

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Da der Durchschnitts-Amerikaner in seiner Wohnung
keine größeren Gesellschaften zu geben pflegt — alle bessere
Hotels haben für solche Zwecke hübsche Serien von Räumen —,
so ist auch das Speisezimmer in der Regel nur von solchen
Abmessungen, daß ein ausziehbarer Eßtisch für höchstens
\2 Perfonen darin bequem platz findet, während das
Buffet häufig in eine Mauernische eingebaut und mit der
im Untergeschoß befindlichen Rüche durch einen Aufzug ver-
bunden ist; außer den — hier natürlich einheitlich gestalteten
Stühlen finden sich oft nur noch kleine Tischchen zum
Abstellen von Speisegeräth vor.


Lingangsflur in einem NewOorker Banfe.

Arbeitszimmer und Schlafzimmer sind in der Regel im
I. und II. Obergeschoß untergebracht. Für das Arbeits-
zimmer sind außer dem Schreibtisch die Büchergestelle sehr
bezeichnend, welche sich durch außerordentlich praktische Vor-
richtungen zum Drehen, zum Aufstellen offener Bücher, zum
Aufklappen kleiner pulte rc. auszeichnen; hier werden auch
Bibliotheken kleineren Umfangs aufgestellt.

Das Schlafzimmer ist wohl derjenige Raum, der
von unseren Gewohnheiten am meisten abweicht. Wenn auch
das mit hoher Rückwand versehene Doppelbett schon in Eng-
land die Regel bildet, so fällt dagegen das gänzliche Fehlen
eines Nachtkästchens und die Beseitigung des Waschtisches
auf; der letztere ist meist in eine anstoßende Uammer ver-

bannt, die auch als Badezimmer benutzt wird. Da man
vielfach Wandkästen zur Unterbringung der Wäsche und
Uleider einrichtet, so sind hier Uommoden und Uleiderschränke
viel seltenere Erscheinungen als bei uns; wo eben ein so
hoher Prozentsatz der städtischen Bevölkerung auf Mieth-
wohnungen angewiesen ist, wie in Deutschland, da gewähren
die an sich gewiß praktischen Wandschränke nicht den Nutzen
wie anderwärts. Ganz umgangen werden Uommoden rc.
auch im einfacheren amerikanischen Schlafziinmer nicht —,
im reicheren natürlich noch weniger; aber an der Art, wie
dieselben meist mit dem Spiegel, sehr oft außerdem mit anderen
Stücken zusammengesetzt sind, merkt man, daß möglichst an
Platz gespart werden sollte. Denn Schlafzimmer werden vielfach
von einzelnen Familienmitgliedern tagsüber als Aufenthaltsort
benutzt; um für diesen Zweck das Schlafzimmer möglichst ge-
eignet zu machen, hat man wegen der Unappheit des Raumes
allerlei, bisweilen höchst drollige Zusammensetzungen ganz ver-
schiedenartiger Möbel konstruirt, wie wir später sehen werden.
Ob die sehr weit verbreitete Verwendung des Meffings zu
Bettstellen mehr dem Uampf gegen das Ungeziefer seinen
Ursprung verdankt, oder mehr allgemeinen hygienischen An
schauungen entsprungen ist, mag dahingestellt bleiben.

Die dekorative Behandlung der Wände richtet sich nach
den Geldmitteln und nach den Zwecken der Räume. Während
bei den Wohnungen der Wohlhabenderen Holztäfelungen,
Ledertapeten, Stoffe die Wände bekleiden, sind letztere bei
beschränkteren Verhältnissen meist tapeziert; zugleich ist das bei
uns übliche Gesims unter der Decke durch einen zu dem Wand-
inuster passenden Tapetenfries ersetzt. Auch das zur Ta
pezierung der Decke verwendete Tapetenmuster ist gleich dem
Fries in Uebereinstimmung mit dem Wandmuster komponirt.
Wan sieht, besonders in Schlafzimmern, sehr auf glatte, oft
sogar — aus hygienischen Rücksichten — auf abwaschbare
Tapeten! — Wo die Wände — wie in öffentlichen Lo
kalen — nicht tapeziert sind, da kommen die sonderbarsten Ver
zierungen vor. Sehr häufig wird dem noch nassen Wand
verputz eine Musterung verliehen, z. B. durch Einpressen
korbartiger Flechtwerke, durch Einzeichnen von Wellenlinien
mittelst eines kammähnlichen Werkzeugs; dazwischen setzt
man kleine runde Spiegelchen verschiedener Größe ein und
gibt dann dem Verputz einen leichten, grünen, mit Silber
bronze untermischten Farbton. Zn anderen Fällen ist wand
und Decke vollständig mit Facetten-Spiegeln bedeckt, deren
Maaße sich zwischen Thaler- und Handgröße bewegen; sie
sind dann bisweilen zu Ornamenten zusammengestellt, an
denen sich Akanthus, Maaßwerk, Mäander, Spirale rc.
im tollsten Durcheinander zu einem wahren Hexensabath
vereinigen.

An größeren der Geffentlichkeit dienenden Anstalten, —
Hotels, Versicherungsanstalten rc., — wendet man mit gutem
Grund oft sehr reichliche Mittel zur Ausstattung; der Ameri-
kaner weiß sehr wohl, von welchem Einfluß eine schöne,
vornehme Erscheinung auf die Beurtheilung der Leistungs-
fähigkeit und Solidität einer solchen Anstalt ist. Daher ver-
schmäht man hier unächtes Material durchaus. Die öffent-
lichen Bureaus der Banken find in hohen weiten Sälen
untergebracht, deren ganze — oft sehr schöne — Architektur
aus Stein hergestellt ist, in welche die einzelnen Bureaux
gemächer aus Holz eingebaut sind. Die Eintrittshallen der
besseren Hotels sind durchaus mit polirtem Marmor oder
 
Annotationen