Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Gmelin, L.: Kunstgewerbliches von der Weltausstellung in Chicago, [4]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0044

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
gestell und dabei in feinster Ausführung — Mahagony mit |
Messinggarnirung — angeboten; es scheint also, daß solche
Dinge auch bei den Wohlhabenden Anklang finden.')

Die combinirten Möbel ergeben zwar stets ein unsym-
inetrisches Ganzes; aber sie wirken gerade dadurch recht an-
muthig, so jänunerlich sie auch in der Detaildurchbildung
meist sind. Manches derartige Stück wäre wohl werth, ver-
bessert und in deutsche Wohnungen eingesührt zu werden.

Da ist z. B. ein Aastenmöbel, welches zu unterst mit einer
breiten Schublade versehen, darüber aber unsymmetrisch ge-
theilt ist, — etwa im Verhältniß 3/5 : °/§; der breitere Theil,
welcher bis zur Brusthöhe reicht und hier von einem Spiegel
überragt wird, gliedert sich in mehreren Schubladen ungleicher
k)öhe, — während der schmalere einen Aleiderschrank bildet,
der bis zur Aopfhöhe reicht, — bequem zur Aufstellung
eines Lichtes während des Toilettemachens. Bei anderen
Stücken dieser Art erscheint der untere Theil wie eine Truhe,
aus deren einer, als Sitz benutzbarer lhälfte ein hoher Spiegel
steht, während auf der andern ein Aastenmöbel mit Schub-

Lilberner Tafelaufsatz.

von £. Tiffany & Co., New-L)ork. — Längsdurchmesser der Unterplatte circa 50 cm.

laden bis zur Schulterhöhe aufsteigt. Ebenso werden Schreib-
pulte, Aornrnoden, Büchergestelle unter sich wie mit Aleider-
schränken, Spiegeln u. s. w. vereinigt.

Für die amerikanischen Bettladen ist es bezeichnend,
daß deren Aopfstück ausnahmslos als ziemlich hohe Wand
ausgebildet wird; auf dekorative Ausstattung derselben, wie
überhaupt der Bettlade, scheint man bisweilen Werth zu
legen. — Daß die Bettgestelle, wie schon oben erwähnt,
sonst vielfach aus Metall (namentlich Messing) gefertigt
werden, hat feine guten Gründe; in New-tzork soll es so-
gar Hotels I. Ranges geben, in deren Betten es nicht ganz
geheuer ist! Tragen diese Metallmöbel, deren Borbilder aus
England stammen, im Allgemeinen ein einfaches Aeußere,

>) Daß ein solches aufgeklapptes Bett bisweilen seine Gestalt
von einem Bücherschrank, cincin Kamin, einer Kommode, einem Schreib-
tisch oder einem jdianino borgt, hat nach dem Gesagten nichts Be-
fremdliches mehr; für amerikanischen kjumbug aber inöchte man die
Notiz halten, daß auf der Ausstellung Klappbetten vorgeführt wurden,
deren Maske aus einem wirklichen, spielbaren Pianino bestand, welches
also dazu bestimmt ist, jede Nacht auf den Boden umgelegt zu werden:
Dasselbe Möbel, dessen feingliedriger Vrganismus vielleicht tagsüber
der edlen Kunst dient, wird Nachts zu Sklavendiensten erniedrigt —
sein Rücken trägt das Nachtlager des Musikfreundes! I I

so zeigte die Ausstellung doch auch Beispiele reicher dekora-
tiver Ausbildung, wie z. V. ein prächtiges Himmelbett im
Empire-Stil aus vergoldetem Messing mit pnrpurrothen
Vorhängen rc.

Bei der Beurtheilung des amerikanischen Mobiliars
muß vtan sich stets vor Augen halten, mit welchen tech-
nischen und künstlerischen Hilfsmitteln man drüben
arbeitet; während die ersteren unbegrenzt sind, fehlt es an
letztern fast durchweg. Nirgends besser als hier kann man
wahrnehmen, welchen Werth eine solide künstlerische Tradi-
tion besitzt. Solange die ainerikanische Möbelindustrie ihre
Formen allein aus dem Zweck und der Technik heraus
schafft, da muß man anerkennen, daß sie Gutes, ja bis zu
einem gewissen Grad auch Schönes hervorbringt; sobald sie
diesen Weg verläßt und sich auf das rein dekorative Gebiet
begibt, nainentlich aber, wenn sie — sei es aus Unkenntniß,
sei es aus Auflehnung gegen die künstlerischen Ueberliefer-
ungen des „alten Europa" — eigene, neue Wege suchen
will, da irrt sie unter dein schauderhaftesten künstlerischen
Unkraut umher. — Einen vortrefflichen Beleg dafür bieten
die metallenen Bettstellen, weil dieselben meist keine höhere
künstlerische Durchbildung erfahren; denn gerade weil der
Amerikaner die Gestaltung dieser Stücke nur aus Zweck
und Stoff herleitet, also durchaus selbständig und logisch
vorgeht und auf jedes Ornament verzichtet, darum erfreuen
dieselben durch ihr anspruchsloses, solides Aussehen: die
blanken, nur mit wenigen Ringen verzierten Messingsäulchen
und -Stäbe sind mehr werth als alle nach unverstandenen
europäischen Mustern geschnitzten Ornamente! Bei der
Beurtheilung dieser und ähnlicher Dinge kommt freilich hin-
zu, daß der Europäer denselben auch kein aus Ueberlieferung
beruhendes Vorurtheil entgegenbringt.

Die an Vertäferungen und Möbeln sehr beliebten recht-
eckigen Füllungen, welche in allen möglichen Formaten und
Größen auftreten'), wirken zwar auf die Dauer steif und
kalt; aber sie sind immer viel besser als die wellenförmig
oder in andern wunderlichen Arünnnungen ausgeschnittenen
Rahmen und Füllungen. Man kann nicht sagen, daß kein
Gefühl für feine, vornehme Gesannntwirkung vorhanden
wäre; aber wenn z. B. — wie auf der Ausstellung zu
sehen war — in einem Rococosalon die Wandpilaster keine
Spur von Gesimse tragen und sofort die Hohlkehle mit dem
Rocaille-Ornament anfängt, da mag die Farben-Harmonie
zwischen dem damastenen Wandbezug und den cremefarben
und golden behandelten Möbeln noch so unübertrefflich sein
— der eine schrille Mißton wirft bei einem halbwegs Fein-
fühligen die ganze Harmonie über den Kaufen. Aehnlich
geht es auch mit vielen Details. Naturalistische Hflanzen-
gebilde werden z. B. zwar nicht immer frei von Manier,
aber doch geschickt geschnitzt; viel seltener schon befriedigen
die nach älteren Stibnustern geschnitzten Ornamente; am
schlimmsten aber steht cs mit etwaigen figürlichen Zuthaten,
welche — so selten man sich auch an solche wagt — fast
ausnahmslos schlecht sind.

Das Sammelsurium verschiedener Stilweisen, das man
bei uns so tief beklagt, herrscht zunächst auch jenseits des
atlantischen Vceans, nur mit dein Unterschied, daß die bei

') Rhombische oder bogenförmige Füllungen kommen gar nicht vor.
 
Annotationen