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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 4
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Gmelin, L.: Kunstgewerbliches von der Weltausstellung in Chicago, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0045

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uns beliebten Stilweisen der Gothik und der Renaissance
säst gar nicht Vorkommen. Die Gothik war aus der ganzen
Ausstellung amerikanischerseits — außer durch einige Staaten-
gebäude — nur durch ein einziges Beispiel vertreten, eine
Borhalle mit Kamin und Treppenaufgang darüber —
malerisch im Motiv, aber reizlos in der Durchführung;
die Renaissance kam nicht viel besser weg.

Das deutlichste Bild von dem, was man zur Zeit in
Amerika an Mobiliar kauft, erhielt man nicht aus der Aus-
stellung, sondern in irgend einem großen Möbelmagazin;
ein Blick in ein solches ist auch aus andern Gründen lehr-
reich: er gibt einen Begriff davon, in welcher Meise und
in welchem Maaßstabe ein solches Geschäft betrieben wird.
Der Inhalt eines solchen Magazins ist — nach verschiedenen
Gesichtspunkten geordnet — in die verschiedenen Stockwerke
eines paufes vertheilt, in welchem meistens auch die Zeichen
bureaus untergebracht sind. Tin Theil ist ausdrücklich als
»imporreä« bezeichnet, und hier finden sich sowohl zahlreiche
feinere Tiuzelftücke vorn Rococo bis zum (Empire in einem
großem Saal vereinigt, als auch — wieder in andern Ge-
mächern ■— ganze Zimmergarnituren sammt Tapeten urrd
Gelbildern in verschiedenen Stilen, darunter z. B. schwere
geschnitzte Benetianer Möbel; dann folgt in endloser Zahl
das einheimische Fabrikat, und zwar in einzelne 5äle ge
trennt das Mobiliar für Parlors, für Speisezimmer, für
Schlafzimmer, für Bibliotheken und Vorzimmer u. s. w.,

— die messingenen und emaillirten eisernen Bettstellen ic.
Tin Saal enthält lauter Kommoden mit Spiegelaufsatz, !zu
vielen Dutzenden, — ein andrer fast lauter Sitzmöbel, wo
vielleicht 50—80 Sophas stehen und von den etlichen hundert
Stühlen die Hälfte von der Decke herabhängt. •—- So eine
amerikanische Möbelfabrik hat über 500 Stuhlmuster auf
Lager ■— wenigstens nach deren eigener Angabe; wenn
diese auch reklamenhaft vielleicht aufs Doppelte übertrieben
ist, so bleibt doch noch genug übrig. Daß bei einem solchen
Betrieb für das K u n st Handwerk kein Raum zur Bethätig
ung bleibt, ist selbstverständlich; die hohen Preise, die man
drüben für menschliche Arbeitsleistung zahlt, setzen dem Bor
dringen des Kunsthandwerks zu den Möbeln und Gebranchs-
geräthen des Mittelstandes einen unübersteiglichen Damm
entgegen. Das eigentliche Kunstgewerbe wird deshalb in
Amerika nie den breiten Boden gewinnen, den es bei uns
besitzt, auch wenn das Bedürfniß danach und das Ber-
ständniß dafür in alle Kreise dringen sollte.

Bon einein Kunstgewerbe im engeren Sinn, d. h. von
jener Schaffensweise, welche sich bemüht, jedem einzelnen
Trzeugniß ein individuelles Gepräge zu verleihen, ist aus
amerikanischem Boden nur in wenigen Gebieten etwas zu
verspüren, uud nur in solchen, welche dem Bedürfniß nach
Luxus ihr Dasein verdanken und dasselbe auch befriedigen,

— nicht nur im Sinne der Freude, die der Besitzer daran
hat, sondern auch in dein Sinne, daß der Besitzer damit Staat
inachen oder sein werthes „Ich" damit in's rechte Licht
setzen kann.

Diese Vorbemerkung trifft vor allen Dingen die Ldel-
metallarbeiten und unter diesen wieder diejenigen,
welche zum persönlichen Schmuck dienen, und bei
welchen allerdings die Metallarbeit im vergleich zu der
brillanten Wirkung der geschliffenen Steine stets untergeordnet

dasteht. Neben der landläufigen TirZros-Waare, unter welcher
allenfalls die neuen Schmucksachen mit Alligatoren Zähnen,
pyritkrystallen ff und Aehul., wegen ihrer Griginalität einige
Beachtung verdienten, ist eigentlich nur eine Gruppe von
Ausstellungsgegenständen zu nennen, aber allerdings eine
solche, daß sie alle andern derartigen Arbeiten zusammen
genommen in den Schatten stellte: die Schmuckausstellung
von Tiffauy & To. in New port. Wenn etwas geeignet
war, den europäischen Ausstellungsbesuchern Acktung vor
amerikanischem Kunstgewerbe einzuflößen — wenigstens in
Bezug auf das wollen — so waren es die beiden, in
der Mitte des Industriepalastes untergebrachten Silberfirmen
Tiffany und Gorham. Soviel Tadelnswerthes im Tinzelnen
zu finden war und so oft man sich auch sage» mochte, daß
nur die hier angesetzten — und auch gezahlten — Preise
Leistungen von solchem Umfang und mit solchem Arbeits-
Aufwand ermöglichten, ■— so wenig konnte man sich doch
dem Tindruck entziehen, daß dieses Auftreten eine ernsthafte

silberne Theekanne.

von Gorliam Manufacturing Co., Nerv pork. — höhe bis zum Gefäßrund: \7 cm.

Loncurrenz gegenüber den europäischen Arbeiten bedeute, —
uiehr vielleicht in Betreff der größeren Silberarbeiten als
hinsichtlich der eigentlichen Schmucksachen, von denen wir
nun zunächst reden wollen.

Mit welchem Trnst und in welchem großen Stil der
jetzt 8^ jährige Tiffauy sein Geschäft betreibt, geht vielleicht
am deutlichsten daraus hervor, daß er für die Beschaffung
und Untersuchung der Tdel- und Halbedelsteine einen wissen-
schaftlich gebildeten Mineralogen angestellt hat; dieseui Bor
gehen entsprach auch die über 500 Nummern umfassende
Sammlung solcher Steine im Urzustände, welche in Tiffany's
Kiosk aufgestellt war. Was es an Tdel- und bsalbedel-
steinen in der ganzen Welt gibt, war hier in mehreren
Tremplaren vertreten: Diamanten aus Südafrika, Gpale

') Man verwendet hiefür Ausschnitte aus Arystallgruxpen, deren,
einzelne Arystalle höchstens bis Gerstenkorngröße reichen; in Folge der
unregelmäßigen Aneinanderreihung der einzelnen metallglänzenden
Arystalle ruft ein solcher Ausschnitt noch in Sehweite den Eindruck
hervor, als habe man es hier etwa mit einem geschliffenen, Hellen
Topas zu thun.
 
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