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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 4
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Gmelin, L.: Kunstgewerbliches von der Weltausstellung in Chicago, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0047

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Garnitur hat die arabische 'Kunst pathenstelle versehen, —
zahlreiche in Silber getriebene, theils emaillirte, theils mit
Halbedelsteinen besetzte Kannen und Lumpen ') weisen auf
Indien, — die aztekische Kunst treibt ihren Spuk u. A. aus
einer Servirplatte, — an schlanken Phairtasievaseu, deren
Körper mit regelrecht geordneten Insekten, Schnecken, Schild-
kröten, Euleuköpfen 2) bedeckt sind, verspüren wir den Geist
der Japaner oder des modernen Naturalismus, — ebenso
bei den vollständig mit naturalistischem Pflanzenwerk be-
deckten Thee-Servicen. Die verschiedenartigsten Elemente
sind mcift geschickt, wenn auch nicht immer tadellos in ein-
ander verarbeitet.

Als besonders bezeichnende Arbeit ist die sog. Magnolia
vase zu nennen, — fast einen Meter hoch in Silber ge-
trieben (Thonvasen von puebla nachgebildet) und in ihrer
unteren Hälfte mit Pflanzen aus allen Klimaten Amerikas,
in ihrein Gbertheil mit Magnoliablüthen (in mattirtem
Maleremail ausgeführt) dicht bedeckt. Künstlerisch bedeuten-
der, — in der Technik an japanische Bronzen, in Form
und Dekoration an griechische Thonvasen erinnernd —
waren einige Henkel-Kannen, in deren glänzender Fläche
inan bei genauerem Zusehen andersfarbige Blumenranken
entdeckte; diese Tauschirungen sollen aus Legirungen von
Gold und Eisen, bezw. Kupfer und Silber hergestellt sein.

Mit Tafelsilber wird ein besonders großer Luxus in
Amerika getrieben; man bekommt einen Maaßstab dafür,
wenn man erfährt, daß bei einem vollständigen Tafclsilber
allein an Eßgeräthen für jeden einzelnen Tischgast ver-
schiedene Stücke angenommen sind. Große Keppigkeit ent-
faltet man in den einzelnen Schüsseln rc.; dagegen vermeidet
man hohe, die Uebersicht der Tafel störende Tafelaufsätze.
Man liebt es besonders, die Tafel reich mit lebenden Blumen
zu schmücken und sorgt auch für passende Gefäße. Die auf
S. 3^ abgebildete elliptische Schüssel, welche zugleich von
einem Kranz von Kerzen versehen ist, möge als Beispiel
eines solchen niederen Tafelaufsatzes dienen. Die Liebhaberei
für Löffelsammlungen hat eine Unmasse der verschiedensten
Modelle bei allen amerikanischen Silber-Industriellen hervor-
gerufen; Gorhain allein hatte über 300 verschiedene Modelle
zur Schau gestellt!

hinsichtlich der künstlerischen Detaildurchbildung ist zu
bemerken, daß die naturalistischen Pflanzendarstellungen stets
verhältnißmäßig gut getrieben und ciselirt sind; Nachempfind-
ungen älterer Stilarten kränkeln fast ausnahmslos. Am
schwächsten aber sind durchschnittlich die figürlichen Sachen;
bei inanchen Menschendarstellungen weiß man nicht, ob
ihre eigenthümlich ungeschickte, aber saubere Durchbildung
das Ergebniß künstlerischen Unvermögens, oder absichtlicher
Stilisirung ist. — Für die feine Wirkung des oxydirten
Silbers und einer theilweisen Vergoldung zeigt sich wenig
Verständniß; meist bleibt das Silber in seiner reinen Farbe
stehen, polirt oder mattirt.

Ziemlich auf gleicher Stufe mit Tiffany stehen die Ar-
beiten von Oorbam Manufacturing Co. in New-Pork, einer

*) Eigenartige Ejumpen, die “Love-Cups”, sind in Amerika in
Gebrauch: weite topfartige Trinkgefäße, mit zwei oder drei Henkeln;
diese Gefäße pflegen bei Gelagen zu kreisen.

a) An anderen Vasen ähnlicher Art lugten zwischen einem Wust
von Akanthuskraut in regelmäßigen Abständen kleine, kaum haselnuß-
große, Ainderköpfe hervor.

Werkstätte, die bereits auf das für Anrerika ganz respektable
Alter von 98 Jahren zurückblicken kann.') Der Ausstellungs-
gruppe dieser Firma gehen allerdings die blendenden Edel-
steine und Schmucksachen ab, — aber dafür hat sie die
russischen Emails, geschnittene und gravirte Gläser, silber-
montirte Majoliken, Lederarbeiten und Aehnliches in ihr
Bereich gezogen. Als eine hauptleistung kann die über
6 Fuß große Tolumbus-Statue bezeichnet werden, welche
nach einent Modell von Bartholdy fl in Sterling-Silber fl
gegossen ist und zwar mit Ausnahme des weit vorgestreckten
rechten Armes aus einem Stück; für den Guß derselben
sollen Form und Kern ein Ueberzug von Graphit erhalten
haben, und zur raschern und vollständigeren Austreibung
der Luft soll die Luftpumpe während des Gußes in An-
wendung gekommen sein.

Eine besondere Besprechung verdienen die silbernen
Montirungen von Gläsern und Rockwood Fayencen (Abb.
S. 39). Die Fassung derselben erfolgt mittelst galvanischen
Niederschlages; dabei werden einzelne Stellen ausgespart,
andere ausgeschnitten oder weggeätzt und der stehenbleibende
Rest gravirt und polirt. Durch welches Mittel die Gber-
fläche des Glases leitend gemacht wird, bewahrt man als
Geheimniß; der sonst übliche Graphit kann nicht dabei ver-
wendet werden, da die sichtbare Innenfläche des Silbers
stets weiß erscheint.

Was die amerikanische Abtheilung sonst an Silber-
waaren gebracht, kommt neben den Arbeiten der beiden
genannten Firmen gar nicht in Betracht; nicht unerwähnt
darf übrigens bleiben, daß in kirchlichen Geräthen die Firina
Gorham an Benziger Bros. (New-Pork) beachtenswerthe
Nebenbuhler besitzt, die mit Hilfe des Schutzzolls auch das
betreffende europäische Geschäft zu beseitigen sich anschicken!

Der Bedarf an Schmiedeisenarbeiten ist in Nord-
amerika ein viel geringerer als bei uns; geschmiedete Vber-
lichtgitter sind so selten wie Treppengeländer, und vollends
geschmiedete Einfriedigungen oder kunstreiche Thore gehören
fast in den Bereich der Fabel. Dennoch hatte die Ausstellung
einige tüchtige Arbeiten dieser Art aufzuweisen — allerdings
viele Stücke, denen man es ansah, daß sie unter den hammer-
schlägen deutscher Arbeiter hervorgingen/) so namentlich das
etwa 8 m hohe Portal von The Winslow Bros., Chicago,
neben welchem dessen andere Sachen sich wie Frentdlinge
ausnahmen. Ein anderer Kunstschmied aus Chicago, der
zum Neberfluß den gut Münchnerischen Namen Paul
Seidel führt, hatte sogar u. A. geschmiedetes Kleingeräthe
ausgestellt, dessen wirklicher Erzeugungsort (München) in jeder
Blattspitze zu erkennen war. — Ein gewisser Luxus machte
sich oft an Befchlägtheilen bemerklich. Die Schlüssel sind

9 Lharles, St. Tiffany hat dagegen erst mit ;ooc> Dollars
angefangen und zwar befaßte er sich zuerst nur mit dem verkauf von
Phantasieartikeln; heute ist das Geschäft im wesentlichen für alle
Luxusartikel in Amerika maßgebend — seien es nun Porzellanvasen,
Sonnenschirme oder Briefpapiere.

9 Dem französischen Bildhauer der Freiheitsstatue im kjafen von
New-Pork.

9 Mt Sterling-Silber bezeichnet man in Amerika den Gehalt
von 925°/°° reinen Silbers; viele Geschäfte bezeichnen ihr Silber aus-
drücklich mit diesem Namen.

fl Lin „Kunstschmied" aus Lhicago hatte etwa ein Jahr vor
der Ausstellung in München — vielleicht auch an anderen Vrten —
tüchtige Arbeiter für hohen Lohn angeworben.
 
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