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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 5
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Stockbauer, Joseph: Keramische Spezialitäten
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0051

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In Vergessenheit gerathene

lmmWk WWlMA.

Von Or. 3. Stockbauer.

Aus den Randzeichnungen £7. Muelich's zu den Bußpsalmen von Vrlando di Lasso.

Ausgenommen von I. Daschner.

Nachdruck verboten.

er die Sammlungen unserer Museen aufmerk
sam studirt, dem geht es oft wie dem Wanderer
im Hochgebirge: er kennt die Berge und ihre
Formen, er kennt die Ortschaften und weiß
ihre Entfernungen von einander, in Büchern hat er davon
gelesen, von Bekannten davon erzählen gehört, vieles hat
er selbst gesehen. Aber wenn er aufmerksam Umschau hält,
da entdeckt er bald da, bald dort etwas Neues, wovon man
nichts erzählt, findet ganz vergessene Schönheiten und ist
eben so erfreut davon wie erstaunt darüber, daß man solche
Orte und Dinge erst entdecken muß.

So enthalten auch unsere Sammlungen auf allen Ge-
bieten gewerblicher Thätigkeit solche vergessene Schönheiten,
die ans rechte Licht zu stellen oft recht lohnend fein dürfte.
Wir wollen zum Beweise dessen ein ganz kleines Gebiet,
das der alten Faience-Industrie nämlich, stüchtig streifen und
an der pand der bcistehenden Abbildungen einige aus der
Mode gekommene Gegenstände erwähnen.

Die Faience-Industrie war eine so recht eigentliche Aunst-
gewerbeindustrie; sie diente dem Bcdürsniß, aber in künst-
lerischer Form. Die weitaus meisten Gegenstände bestimmte
sie für Tisch und Tafel, daneben aber suchte sie sich auch
im ganzen Hause geltend zu machen. Steingut und Por-
zellan haben die Faience mehr von unserm Tisch verdrängt
und damit sind uns auch viele Formen verloren gegangen,
die dieses Schicksal sicher nicht verdient haben. Wie schön
und zweckmäßig ist z. B. der sternförmige Teller mit den
verschiedenen Einsätzen, der ein wahres Zierstück der Tafel
war. Leider sind vollständige Exemplare kaum mehr zu
haben; entweder sind die Platten selbst oder es sind die
Einsätze verloren gegangen und man kann ein Gesammt-
bild sich nur durch die Phantasie ergänzen. Die Vertiefungen
dieser Teller hatten Einsätze — vergleiche die Abbildungen
auf der folgenden Seite — und diese Einsätze wurden mit
verschiedenen Delikatessen gefüllt. So kam die Platte auf
den Tisch, bildete einen Tafelschmuck, und schließlich wurden
die Einsätze den Gästen herumgereicht und vorgesetzt (Ab-
bildung 2 bis ^). *)

Ein Tafelaufsatz mit Adlerfiguren und einem
oberen llntersatz für einen Blumentopf spricht für sich selbst,
ebenso die Rococoplatte mit dem kleinen muschelförmigen
Aussatz in der Mitte (Abbildungen f und 5).

I. Tafelaufsatz mit Blumenuntersatz.

Boyreuther Fabrikat. 15. Jahrhundert. 26 cm. hoch.

Schwerer verständlich ist das runde, mit einem Deckel
geschlossene Gefäß (Abb. 6). In vielen Gegenden war es
Sitte, daß Aindbetterinnen von ihren Verwandten und Be-
kannten Eßwaaren als Geschenke erhielten. Derartige Ge-
schenke wurden in besondern Gefäßen überreicht und diese selbst

*) Die Driginalien zu den Abbildungen j bis 9 und \2 befinden sich im Besitze des Bayer. Gewerbe-Museums zu Nürnberg, in dessen
Zeichenatelier von Desterlein die Aufnahmen 7, 8 und 9 gefertigt wurden.

Zeitschrift des bayer. Aunftgewerbe-vereins München.

*89«. Heft 5. (Bg. *.)

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