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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 5
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Glücksmann, Heinrich: Des Handwerks gute alte Zeit, [1]: ein Bild aus der Kunstgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0055

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>z- 45 *4-

9. Wand-Blumenkörbchen.

Ansbacher oder Bayreuther Faience. f7 cm. breit.

führung an; diese oblag den Gesellen, seinen Mitarbeitern,
den Verwirklichen! seiner Ideen. Der Lehrling war Nach
wuchs, Schüler; — die Gesellen waren seine Lehrer, der
Meister fungirte nur als eine Art Vberbehörde und Prüfungs-
kommistär. Die Innungsgesetze, über welche die „geschworenen
Meister", die Aeltesten des Gewerbes, wachten, bestimmten
das Alter des Lehrlings, die Probezeit, das Ausdingegeld
und ineist sehr hohe Lehrgeld und die Dauer der Lehrzeit,
Bestimmungen, die selbstredend für die verschiedenen Hand-
werke verschieden waren; man' wurde leichter Rüfer und
Schleifer als Maler oder Dommaurer. Der Eintritt in eine
Lehre hing von strengen Bedingungen ab, deren erste das
männliche Geschlecht verlangte, aber bis gegen das
Ende des l8. Jahrhunderts hin oft umgangen wurde. Es
war Handwerksmeistern nicht verwehrt, Frau und Tochter
in ihrem Gewerbe zu unterweisen; Mittwen von Meistern
waren rechtmäßige Zunftmitglieder, auch wenn sie vour
pandwerk nichts verstanden, und es gab, da manche Stadt-
rechte die Annahme von Rnaben und Mädchen in die Lehre
gleich stellten, auch wirkliche weibliche Lehrlinge, „Lehrtöchter".
Mir erfahren dann nicht nur von weiblichen Meistern im
Weben, Garnziehen, Goldspinnen, Wappensticken, Schneidern
und ähnlichen, der Frauenhand passenden Gewerben; es
gab auch weibliche Rürschner, Bäcker, Fleischer, Gürtler
und Riemenschneider, Tuchscheerer, Färber und Lohgerber,
ja, in England gehörte das Bierbrauen zu den ausschließlich
weiblichen pandwerken. — Strenger beachtet wurde die
zweite Bedingung der Aufnahme in den Lehrlingsstand:
die eheliche und ehrliche Geburt, die von manchen
Zünften auch aus Eltern und Großeltern ausgedehnt wurde.
Verschiedene Berufe, die wir heute zum Theile hochschätzen,
galten damals für unehrlich, so: Musiker, Schauspieler,
Müller, Schäfer, Förster, Zahnärzte, Gerichtsdiener u. a.,
und Rinder solcher Väter wurden, auch wenn diese die
bravsten Leute von der Welt waren, nicht zur Erlernung
eines ehrsamen Handwerks zugelaffen, ebensowenig als Söhne
von Leuten slavischer Abkunst Zutritt in die deutschen Ge-
werbe-Innungen erhielten. Jeder Meister durfte nur einen

ein Blitz erschlug; diese peilige gilt heute noch als Schutz-
patronin der Artillerie, und die Pulverkammer der franzö-
sischen Rriegsschiffe heißt ihr zu Ehren 8aime-Larbe. —
Büchsenmacher, Bogner und Schützen verehrten den heil.
Sebastian, weil er durch Pfeile um's Leben kam, Drechsler
den hl. Erasmus, weil ihm der grausame Raster Diocletian,
der vielen Blutzeugen des Thristenthums die heilige Gloriole
anmarterte, mittelst einer Drechslerwinde die Gedärme hatte
auswinden lasten, Gerber den Bartholomäus, weil er leben-
digen Leibes geschunden wurde, Messerschmiede und Schwert-
feger den Mauritius, der unter den Schwerthieben verblutete,
Nagelschmiede den gekreuzigten peiland selbst, Steinmetze
den hl. Stephanus, der sterbend noch für seine Steiniger
betete, Böttcher und Rüser den hl. Georg, der in einem
mit Nägeln ausgeschlagenen Fasse todt gerollt wurde, den
aber auch die Sattler zum Patron hatten, weil er beim
Drachenkampfe „so gut im Sattel saß". Drollig berührt
es, daß die Brillenmacher den hl. Fridolin zum Patron
wählten, weil er sich eines Augenglases bediente, freilich
erst im Alter von ;Z0 Jahren, Rnopfmacher und posamen-
tirer den Hohepriester Aaron wegen seines reichen Gewandes,
Metzger und Bürstenbinder den Antonius, weil in seiner
Legende ein Schwein vorkomnit, Perrückenmacher und Friseure
die hl. Magdalena wegen ihres reichen Paares, Färber den
hl. Moriz, weil er, als Mohr, echt gefärbt war und Räche
den hl. Laurentius, weil er auf dem Roste gebraten wurde.

Später arbeiteten sich in den Zünften, die sich gemach
zu kleinen Republiken int Staate auswuchsen, weltliche
Hauptzwecke durch: Erzeugung und Rräftigung innigen
Zusammenlebens, Unterstützung der Dürftigen und Rranken,
der Wittwen und Waisen, pebung der Leistungsfähigkeit,
Entwicklung der Standesehre u. f. w. All' das spricht sich
in den erhaltenen Zunftgesetzen aus, die auch den Einblick
in die hierarchische Gliederung der Gewerbegilden gestatten,
die sich trotz Abwurfs der großen Rette, welche Einen an
Alle und Alle an Einen band, im Rleinen bis heute er-
halten hat. Meister, Gesellen und Lehrlinge setzten den
Handwerkerstand zusammen. Der Meister war iin wirklichen
und im geistigen Sinne das Haupt der Werkstätte, er herrschte
und dachte, er übernahm die Arbeit und ordnete deren Aus-

8. Stand-Blumenkörbchen.

Ansbacher oder Bayreutster Laience. \9 cm- breit.
 
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