Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

DOI Heft:
Heft 5
DOI Artikel:
Glücksmann, Heinrich: Des Handwerks gute alte Zeit, [1]: ein Bild aus der Kunstgeschichte
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0057

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
■h ^7 *4-

/

\

gang" war damals schwieriger als heutzutage. Der Meister
nahm einen neuen Gesellen nur aus, wenn er sich durch einen
Brief des früheren Arbeitgebers über den „Abschied in allen
Ehren" ausweisen konnte. Diese Briefe waren die Urahnen
unserer Dienstboten- und Gesellenbücher, von denen sie sich
nur darin unterschieden, daß sie häufiger gefälscht wurden;
Nachforschungen waren in jener Zeit des schwerfälligen Ver-
kehrs nicht leicht, oft unmöglich.

Der Gesellenlohn war verschieden nach Gewerbe, Ge-
schicklichkeit und Arbeitsleistung; man zahlte nach Stücken
oder nach der Arbeitszeit, aber die qualitativ bessere Arbeit
in jedem Falle besser. Die Gesellen entrichteten dagegen dein
Meister ein bestimmtes Aostgeld. Das nächtliche Ausbleiben
war strenge verboten. Nur zu gewissen Zeiten durften die
jungen Leute in den Gesellenschenken Zusammenkommen, doch
standen sie auch hier unter der Zucht der Zunftgesetze. Das
Maß des Mein- oder Biergenusses war genau bestimmt,
und über dieses sollte der dem Zunftmeister gegenüber ver-
antwortliche Mirth nicht hinausgehen, vielmehr jedes solche
Begehren zur Anzeige bringen. Unzüchtige Lieder, unflätige
Reden waren verboten und mit schwereil Strafen — bis zu
lebenslänglichem Ausschluß aus der Zunft — belegt; Spiele
wurden nicht geduldet, die Zeche mußte bezahlt werden. Man
sieht, die Zunft ließ es sich angelegen sein, ihren Nachwuchs
auch außerhalb der Merkstätte vor Sittenverderbniß zu wahren;
sie wollte der Träger von Zucht und Sitte sein, der püter
von Ordnung und Ehrbarkeit iiil städtischen Gewerbsbetriebe,
die Pflanzstätte einer tüchtigen Gewerbsjugend und Erzeuger
und Erzieher eines kräftigen, moralisch kernigen Bürgerthums.
Freilich wurden die gutgemeinten Satzungen nicht immer
treulich eingehalten; da und dort erwies sich die flotte Lcbens-
lust stärker als der starre Zwang und schlug ihm manches
Schnippchen, oft im Vereine mit den Mächlern des Gesetzes.
SoI schlich sich der „blaue Montag" als Verhöhnung der
Satzung in das pandwerkerlcben ein, ein improvisirter Ruhe-
tag, an denl der Mochenverdienst verjubelt wurde und oft
auch noch die Areide des Mirthes zu thun bekain, der lieber
sein „Geschäftchen" nrachte als die Meldung beim Zunft-
meister. Früher hieß der Tag der „gute Montag", und
als solcher wird er in vielen Verordnungen erwähnt; die
Namensänderung, von Einigen auf die früher übliche blaue
Ausschmückung der Airchen in den Fasten bezogen, wollen
Andere als Beweis gelten lassen, daß sich die Gesellen an
den: Tage regelinäßig „blau" prügelten. Eine Nürnberger
Verordnung von s530 verbot den Gesellen, vor 3 Uhr Nach-
mittags „guten Montag" zu machen; sie wurde befolgt, aber
die Leutchen halfen sich, indem sie den Dienstag, oft auch noch
den Mittwoch dazu schlugen. Die Meister, welche Arbeitskräfte
brauchten, mußten zum bösen Spiele gute Miene machen und über
den verletzten Zunftgesetzen ein Auge oder gar beide zudrücken.

Meister konnte der Geselle erst nach einer Reihe von
Zähren werden, deren einen Theil er in der Fremde, den
andern in der Vaterstadt arbeitend verbringen mußte. Weil
eben damals Alles pandwerk war, mußten mit Rücksicht auf
die technischen Schwierigkeiten und höheren geistigen Erforder-
nisse einzelner Gewerbe die Vorschriften bezüglich der Gesellen-
zeit variiren, doch wurde bei besonderer Begabung oder für
Geld und gute Morte von der Vorschrift Umgang genommen.
Das von den Gesellen ohne jeden Beistand auszuführende
Meisterstück bildete die Brücke von: Gesellenthum zum Meister-

recht. Diese Arbeit mußte überzeugend darthun, daß ihr
Verfertiger ein rechter Meister sei, daß er in seinem Hand-
werk Tüchtiges zu leisten und auch Andere zu derselben Tüchtig-
keit heranzubilden verinöge. Die „geschworenen Meister" be-
stimmten die Ausgabe, das Material und die Lieferungs-
frist, und versammelten sich wieder zur Prüfung der Arbeit.
Für jeden Fehler, auch für den geringsten, der kaum einer
war, waren Strafgelder ausgesetzt, die theilweise in die „Lade"
— so hieß die Zunftkasse — gelegt, theilweise vertrunken
wurden; wie überhaupt der Mäßigkeitsgloriole zum Trotze,
mit der sich die Zünfte in ihren Gesetzen umgaben, sowohl
bei der Meister- als bei der Gesellenlade für einen guten
und nicht zu kargen Trunk immer gesorgt war; darin waren
die braven Handwerker jenes vielgerühmten Zeitalters ihrer
von Tacitus geschilderten Ahnherren würdige Sprossen: sie
tranken immer noch eins. — Mar das Meisterstück gebilligt,
so folgte das „Meisteressen", dem auch Frauen und Töchter
der Meister zugezogen waren, womit der junge Tollege in
zarter Meise gemahnt wurde, daß ihn: nun die Gründung
einer Familie obliege, und daß sein perz und seine Augen
nicht in die Ferne schweifen müssen. Doch auch der Meister
war nicht völlig frei in seinem Schaffen und Wirken. Die
ängstliche Sorge für die Standesehre sprach sich in den Zunst-
satzungen nicht allein in Bezug aus ihre Mitglieder, auch in
Bezug auf deren Arbeiten aus. Es wurde keine Pfuscherei
geduldet. Die Gilde als Ganzes bewachte den Einzelnen,
daß er nur Gutes und Schönes lieferte. Zu diesem Zwecke
war die „Schau" eingeführt, bei der sich eine gewählte Tom-
Mission durch gründliche Besichtigung überzeugte, ob eine
abzuliefernde Arbeit das pandwer? nicht schändete, dessen
Produkt sie war. Diese Einrichtung weckte den Ehrgeiz,
und in: Bestreben, die ganze Gilde zu überraschen und alles
bisher Erreichte zu überstrahle::, wurde der arbeitenden pand
auch der denkende Aopf, die Phantasie gesellt, wurde der
Stoff durch die Forn: geadelt, wurde das pandwerk zur Aunst
erhoben, ohne sich dieser Erhebung bewußt zu sein. So kan:
es, daß der Steinmetz Ad an: Ar afft in Nürnberg den
todten Stein zu gegliedertem Leben weckte und der Vater der
deutschen Bildhauerei als Aunst wurde, daß Peter Vischer,
der Erzgießer, der seinen: Vater in: pandwerk folgte und
seine fünf Söhne darin erzog, die wundersan: zierlichen
Bildungen des berühmten Sebaldusgrabmals mit hoheits-
voller Schönheit erfüllte, daß der Holzschnitzer Veit Stoß
die lieblichsten Engelgestalten aus Eichenklötzen schnitt, daß
ein Goldschmiedssohn und Goldschmied selbst, Al brecht
Dürer zum Reformator der deutschen Aunst und zum
Aünstler der Reformation wurde, daß er nordische Araft
mit wälscher Feinheit in Bildern paarte, die seinen Zeit-
genossen Rafael Sanzio zu dem Ausrufe begeisterten:
„Dieser würde uns alle übertreffen, hätte er wie wir die
Vorbilder des Alterthums vor Augen gehabt!", — daß er
sein Buch von der menschlichen Gestalt schrieb und seiner
Vaterstadt zu Schutz und Schirn: gewaltige Thürine baute,
alles ohne sich erhaben zu fühlen über Schuster und Schneider.
Dürer hatte in Nürnberg eine schlichte Malerbude, ein Loch,
mit dem sich heute kein Schildermaler begnügen würde, Peter
Vischer gab sich als ehrsamer Rothgießermelfter, und Er-
bauer von Domen unterschieden sich nur durch ihr höheres
Aönnen von ihren Mitarbeitern, die den Mörtel mischten
und die Steine fügten.

X
 
Annotationen