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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 6
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Glücksmann, Heinrich: Des Handwerks gute alte Zeit, [2]: ein Bild aus der Kunstgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0064

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!es Mandiverk gute alte Kit.

Lin Bild aus der Kulturgeschichte.

Vortrag von DeiNkich Glücksmann, Schriftsteller in Wien, gehalten im Bayer. Kunstgewerbeverein am 14. März l8H3.

Nachdruck verboten.

(Schluß.)

UTH in den Baukünstlern erwacht bald das
Selbstbewußtsein; sie beginnen zu ahnen, daß
ihnen ihre Werke die Unsterblichkeit zu sichern
vermögen und streben sie an mit Aufbietung
ihres besten Könnens; sind sie davon befriedigt, so bringen
auch sie ihr Bildniß an einer Stelle des Bauwerks an.
Diese Regung edler Eitelkeit macht sie aber nicht stolz, ent-
hebt sie nicht der Zunft, deren Gesetzen sie sich beugen im
Leben wie in der Kunst. Wenn wir bei aller Reichhaltigkeit
der Formen, bei der Fülle von Ornamenten, die un gesucht
aus der freiesten Erfindung sprudeln, doch bei allen deutschen
Bauten der gothischen Epoche einer durchgehenden Ueber-
einstimmung im Prinzipiellen und Hauptsächlichen begegnen,
so erklärt dies der geistige Zusammenhang der Bauhütten,
die sich überall bildeten, wo Dorne gebaut wurden: eng ge-
schlossene Verbindungen von Baumeistern, Steinmetzen und
Maurern, welche auf den Erfahrungen der bisherigen be-
deutendsten Baukünstler basirende Gesetze zur Grundlage
hatten und — eigentlich nichts anderes als Hochschulen der
Architektur — den Nachwuchs im strengen Einhalten der
alt erprobten Regeln erzogen und jedes wilde Wuchern selbst-
ständiger Phantasie verhinderten. Mit den Zünften waren
die Bauhütten nicht identisch. Ursprünglich im Kloster
entstanden, waren sie Bruderschaften, die ihre Bauten dein
Schutze irgend eines Heiligen überantworteten. Als Künste
und Gewerbe die Klosterzelle verließen, blieben die Vereinig-
ungen bestehen und waren da lange vor den Zünften. Als
sich diese zum Schutze der Handwerke in den Städten bildeten,
schufen sich die deutschen und österreichischen Baustätten selbst
gegenseitigen Schutz, indem sie sich unter die Botmäßigkeit
der Hütte von Straßburg stellten, die fortan in Streit- und
Rechtsfragen als oberste Instanz galt. Doch gab es in:
römisch-deutschen Reich noch weitere drei Haupthütten, die
von Wien, Zürich und Köln. Bezüglich der Wiener Hütte
heißt es in einer alten Straßburger Urkunde: „Die Wiener
Haupthütten bey Sanct Stephan hat ihr Gebüht Ober und
Nieder bayerland, auch das Land ob der Ennß, Böheimb,
Währen, Steiermarkt, Kärndten und Krain, und ganz nach
der Donau obhin, das soll gehorsamb seyn der Haupthüttn
zu Wienn, und den zehnten pfinning reichen." — Unter-
einander waren die Bauhütten auch in Verbindung, die in
zeitweiligem Zusammentritt entsendeter Meister ihre Form
fand. Die Unterweisungen der Jünger sollen in einer Ge-
heimlehre bestanden haben, die mit den Bauhütten starb, —
wie eine Wiener Kunstzeitschrift wissen wollte: erst mit
Friedrich Schmidt, dem Meister des Wiener Rathhauses.

Auch auf einem Kunstgebiete, das jede handwerks-
mäßige Thätigkeit ausschließt, auf dem sich nie der Hand-
werker zum berufenen Künstler aufschwingt, auch auf dem
Gebiete der Dichtkunst triumphirte in jener Zeit der Ge-
werbeblüthe die Zunft. Ihr Geist lebt, wohl verklärt, im
„Meistergesang". Die Meistersänger — Richard Wagner
hat uns sie prächtig gezeichnet — gehörten dem Handwerker-
stands an; nüchterne Verständigkeit leitete ihre Anschauungen,

und sie übten die Dichtkunst vornehmlich vom praktischen
Standpunkte als Mittel ehrbarer Unterhaltung, als Mittel
zur Kräftigung des christlichen Gefühls und des sittlichen
Lebens. Natürlich waren und blieben die meisten der Meister-
sänger nur Handwerker, nur mehr oder minder gewandte
Formreiter. Die zunstmäßige Uebung der Poesie band den
Inhalt in starre formale Regeln, wodurch die Entwicklung
frei schaffender Talente fast unmöglich gemacht wurde, —
und es gehörte das gewaltige Genie des Schneidersohnes
und Schusters Hans Sachs dazu, um über die unter-
bindenden Zunftsatzungen hinweg eine dichterische Wirkung
zu erzielen. In den Meistersängerschulen war die bekannte
zünftige Gliederung eingesührt: der Lehrling hatte seine Lehr-
zeit durchzumachen, erbat dann die „Freyung" und hatte
später sein „Meisterstück" zu liefern, genau nach Angaben
der Meister. Von: Standpunkte der Schönheit ist also diese
Poesie ziemlich bedeutungslos; für die Zeit hatte sie aber
ihren Werth. Wie schulmäßig und schülerhaft sie in: Ganzen
auch geübt wurde, wie sehr ihren Pflegern auch jede höhere
Anschauung vom Wesen der Poesie mangelte, es lag doch
ein idealer Zug in den: Treiben, und dieses Reimespiel
rettete den: deutschen Volke die Bildung und den Geistes-
schwung, eine That von ungeheuerer Bedeutung, den: deutschen
Gewerbe nicht hoch genug anzuschreiben.

Man entnimmt schon dem bis nun Erzählten, daß in
der Zeit, die wir vor Augen haben, der Handwerker die
Hauptperson des öffentlichen Lebens war. Er wurde reich,
geehrt, angesehen — die Fugger's waren Webermeister
in Augsburg, ihre Enkel sind deutsche Fürsten —, und
durch die Ausfuhr der gewerblichen Erzeugnisse kan: Gold
und Glanz in die Städte, in denen das Gewerbe blühte.
Aeneas Sylvius, der spätere Papst Pius II., un: die Mitte
des (5. Iahrhunders päpstlicher Legat an: kaiserlichen Hofe,
hat von einer der bayerischen Gewerbestädte geschrieben:
„ . . . Wo ist da ein Gasthos, wo man nicht aus Silber
trinkt? Welche Bürgersfrau prangt nicht :nit goldenem Ge-
schmeide? . . . Wie viele Bürgerhäuser, der Könige würdig,
findest du da! And wie viele Könige möchten wünschen, so
herrrlich zu wohnen wie da die gewöhnlichen Bürger, fast
alle Handwerker und Kaufleute! ..."

Die Männer der Arbeit waren nach solchen Erfolgen
nicht wenig stolz auf ihren Stand, den rein zu erhalten sie
sich bemühten. Als einst der Sohn eines Schmiedes dem
Vater mittheilte, daß er :nit Ruhn: Doctor der Rechte werden
könnte, berief der Alte die Zunft und legte ihr die Sache
vor. Die Meister sagten: es sei nicht Herkommens und
ein unerhörtes und ungereimtes Ding, daß Schmiedeskinder
Doctores würden, und es sei billig, daß es dein: alten Her-
kommen bliebe. Der alte Schmied antwortete: weil es also
sei, solle sein Sohn auch nicht gegen die alte löbliche Ge-
wohnheit sündigen, oder er wolle ihm init seinem Hammer
die Hirnschale entzweischlagen. In diesem Sinne schrieb er
auch dem gelehrten Sohne und beschwor ihn, doch ja ihm und
der Stadt nicht den Schimpf anzuthun und Doctor zu werden.
 
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