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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 7
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Wohnung und Heim
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0073

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modern und so selbständig gewesen, daß wir das Ganze und jeden
Theil in der That nur nach unseren Bedürfnissen, nicht nach
irgend welcher Vorlage oder irgend welchem Schema gemacht haben —
haben wir bei dieser Arbeit, sag' ich, wirklich gewagt, ganz wir selber
zu sein: so steht uns nun eine große Ueberraschung bevor. Gbgleich
wir noch gar nicht an Schönheit gedacht haben, wird nämlich unser Plan
schon eine Menge von Schönheitskeimen enthalten, ja, er wird sogar
schon viel schöner, weil viel bezeichnender sein, als so ein Modeschema.

Gestalten wir ihn weiter, so heißt es: möglichst viel davon auch
nach außen sagen, möglichst wenig vertuschen! Nicht zu Gunsten
einer äußerlichen Symmetrie Unterschiede verwischen, die im Innern
begründet sind. Nicht der Gleichförmigkeit zu lieb, z. B. die einzelnen
Fenster größer oder kleiner machen, als es uns als Bewohnern der
betreffenden Räume überall am besten paßt und als die Technik des
Baues das ohne Zwang und große Kosten gestattete. So gewinnen
wir Lharakter. Und nun mag der Architekt sehen, wie er das alles
so anordnet und ausführt, daß er, ohne die Zweckmäßigkeit zu verletzen,
zur Schönheit der Tharaktcristik noch die Schönheit der Formen und
Linien fügt, die wohlgcfälligkeit für's Auge. Ist er ein tüchtiger
Mann, so wird er nun viel leichter als bei der Schablonenbauerei
etwas Malerisches zu Stande bringen.-

Sehr wichtig sür den Eindruck des Behagens ist es, daß wir
beim Eintritt in einen Raum all seine ksaupttheile zugleich mit dem
Auge umfassen können, daß also z. B., wenn wir von der Thüre aus
die geaenüberliegende Wand betrachten, Decke, Fußboden und Seiten-
wände noch mit hineinwirken in das Bild. Ferner, so schön es ist,
wenn benachbarte Räume mit Durchblicken u. s. w. in einander spielen,
so wichtig ist es, daß doch den einzelnen eine gewisse Geschlossenheit
erhalten bleibt. Durch den Ausgleich des Widerspruchs, der hier scheinbar
liegt, lassen sich die reizvollsten Wirkungen erzielen, z. B. dann, wenn
der Abschluß durch ksolzbalustraden oder ksöherlegung des Fußbodens
für den kleineren Raum bewirkt wird. Besondere Beachtung verlangen
aus diesem Grund die Fenster; wenn es irgend angeht, lasse man nur
eine Lichtquelle den Raum durchfluten oder lege man die mehreren
so nahe aneinander, daß sie als eine wirken. Und braucht man sie
groß, so setze man ja nicht seinen Stolz in möglichst umfangreiche Spiegel-
scheiben , denn für das Auge hieße das ein möglichst großes Nichts.
Große Fenster verlangen Gliederung, die man ja auf verschiedenste
weise erlangen kann, durch Thcilung mit Stein oder ksolz oder Metall
und da, wo das keine schöne Aussicht verdecken würde, durch buntes
Glas oder Butzenscheiben, die überhaupt zum gemüthlichen Abschluß
eines Zimmers so geeignet sind, wie kaum ein zweites Mittel. Farbe
— ja, das Wort bedeutet ein großes, großes Kapitel. Farbe ist der
beste Stimmungserzeuger für eine Wohnung — und der billigste. Aber
von allgemeinen Regeln ließe sich gerade hier doch eigentlich nur
die eine aufstcllen, die so einfach klingt und so viel besagt;
bilde dein Auge, und dann gehorche ihm, unbekümmert um
das, was andere thun, deren Auge für Farbe nicht gebildet ist.

Das möchte ich empfehlen: wenig Schwarz und noch weniger
weiß, denn das sind keine Farben und sie erkälten das Zimmer,
wo sie sich vordrängen, weg deshalb mit dem weiß der Thüren,
der Fensterfaffungen, der Defen, durch das jedes Behagen von
Anfang an verbannt wird. Alsdann ruhige, nicht „knallende"'
aber doch entschiedene und tiefe Farben in breiten Flächen als
Grund, glänzende Gegenstände nur in bescheidener Verwendung
darauf. — — Bei der Wahl von Butzenfenstern, altdeutschen
farbigen Vcscn, Krön- und Wandleuchtern achte man darauf,
daß nicht gar zu viele Lichtpunkte den seinen Zauber zerstören,
der in dem stcrnhastcn Aufglänzen einiger weniger liegt; einfach
halbkugelsörmig ausgehöhlte Gfenkacheln, z. B. die nur je
einen Lichtpunkt zeigen — und zwar einen, der zn wandern
scheint bei jedem Schritt des Beschauers — sind auf die Dauer-
ungleich erfreulicher, als mit reicher Drnamentik bepreßte.
Ueberhaupt die Drnamentik — ach ja, unsere Industrie-
ornamentik! Der Meister benutzt das Grnamcnt so, daß es,
eine Augenfreude an und für sich, zugleich die Stelle, an der
sich's befindet, heraushebt und künstlerisch kennzeichnet, ksat
man aber keinen Meister zum Gehilfen, so thut man beinahe am
besten, wenn man, so viel cs angcht, auf die Mitwirkung des
Drnaments dankend verzichtet, denn wie bei uns die Verhältnisse
liegen, verdirbt es von zehn Fällen in neun da, wo es fördern
soll. Ganz besonders gilt das von unseren Tapeten, deren

Muster zumeist viel zu laut aus dem Grundton hervorsprechen. Wir
lassen uns da oft durch den Eindruck täuschen, den die Tapeten
machen, so lange nichts vor ihnen steht oder auf ihnen hängt; wir
bedenkcn beim Ankauf zu wenig, daß ein Vrnament eben kein Bild
für sich ist. Kommen Möbel, Bilder, Konsole, Uhren dazu, dann erst
werden wir des Unheils gewahr, — wie den schönen stolzen Linien
schmerzhaft die Glieder zerschnitten werden und wie sic ihrerseits um
unsere Siebensachen auf der wand zu allen Seiten herauswachsen und
hineinstechen. Ich gestehe es, wo einfache Holztäfelung doch einmal
zu theuer ist, da nehme ich vor unseren Durchschnittstapcten am liebsten
kurzweg den Farbentopf zur Hand, streiche die Herrlichkeit mit einem
einzigen schönen Tone zu und schaffe mir so einen ruhigen Untergrund.
Ist es nicht auch würdiger, den Schmuck durch wohlgewählte Dinge
auf der Tapete zu haben, als ihn in ermüdender Gleichförmigkeit
von der Tapete geliefert zu bekommen?

Nun fragt es sich, welcherlei Möbel schaffen wir an? Immer
bedacht, erwärmendes inneres Leben zu bilden, werden wir bei An-
käufen und Bestellungen uns wieder unserer kleinen Betrachtung von
vorhin erinnern und darauf halten, daß stilgemäß sei, was wir er-
werben. Mit wenig Morten wird so viel Mißbrauch getrieben und
über wenige Begriffe herrscht bciin Publikum wie bei Kaufleuten und
Fabrikanten eine so schlimme Verwirrung, als hinsichtlich des Stil-
begriffes. -Und dann gilt es, den Gegenstand als das zu kenn-

zeichnen, was er ist, auf daß er in seiner Erscheinung sage, aus dein
und dem Stoffe bestehe ich und dem und jenem Zwecke diene ich;
kurz, dies bin ich und dies will ich. Ich bin aus geschnittenem
Holz, sage z. B. der Stuhl, du siehst, mein Holz ist nicht wie ge-
bogenes behandelt, du kannst dich also getrost darauf setzen, es bricht
nicht — und sieh, wie behaglich ich meine Armlehnen ausbrcite, dich
zu umfassen, laden sie dich nicht ein? Meine Beine stehen sicher, sage
der Tisch, du darfst mir schon anvertrauen, was du ablegcn willst.
Und willst du's verschließen, sage der Schrank, so sieh, wie fest meine
Thüre ist. wie das Ggnze, so sollen die Theile sprechen. Die Lampe
soll nicht nur in ihrer Gesammterscheinung sagen, daß sie eine Lampe
ist, nicht etwa eine zum Lampe spielen gezwungene Blumenvase; sondern
der Fuß soll sich auch deutlich kennzeichnen als festzustehen geeigneter
Fuß, der Griff als Griff, der Delbehälter als Velbehälter, und was
Metall an ihr ist, soll sich klar zeigen als Metall und was Glas ist
als Glas. Ehedem waren Armbänder beliebt, die in Gold verhexten
Lederriemen glichen, porzellanschalen, die vergoldetes Korbgestecht nach-
machten, Majolikateller, die sich große Mühe gaben, auszusehen, als
wären sie richtige Naturblätter. Solcherlei kunstgewerbliches Schwindel-
zeng sagt am einfachsten, was hier nicht Stil ist.

Nun hat sich freilich der Stil die Stile geschaffen, die Durch-
geistigung eines Gegenstandes, daß er von seinem Sein und Sollen

Gesticktes Leinentuch.

Me Ornamente dazwischen hellroch und graugrün, Lin-
roth mit graugrünen Zwischenornamenten und dann umgekehrt.

Halbe wirkliche Größe.

Blumen ponceauroth mit mattgraugrün,
faffung je ^ Dreiecke
 
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