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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 8
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Bock, Fr.: Byzantinische Purpurstoffe mit eingewebten neugriechischen Inschriften: "Pallium litteratum" mit Elephantenmuster im reliquienschreine Karls des Großen des Aachener Münsters
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Unsere kunstgeschichtlichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0082

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Friedrich I. unmittelbar in den provisorischen Schrein hinein-
gelegt worden als verdeckende stille — sudarium, suaire —
der Gebeine seines großen Vorgängers.

Würde man dieser letzten Hypothese beipslichten, so
liegt die andere Annahme nahe, daß, als der Tukel des
Rothbarts, 'Kaiser Friedrich II., (215 in Aachen verweilte,
Stift und Bürgerschaft die Gelegenheit nicht unbenutzt ließen,
um durch den jungen Kaiser die ossa beari Caroli M. von
der provisorischen Begräbnißstätte in. das neue kostbare
mauaoleum »quoll tecerum Kquenses« übertragen zu lassen.
Da der neue Reliquienschrein an erhöhter Stelle ini karo-
lingischen Thörchen aufgestellt war, so bestieg der Kaiser,
wie ein alter Chronist berichtet, eine Treppenleiter — machina—
um mit eigener Hand die goldene tumba verschließen zu können.
Bei dieser feierlichen Veranlassung dürfte nun unser Tle-
phantenstoff aus der provisorischen Begräbnißstätte, den Tagen
Kaiser Friedrich Barbarossa angehörend, in das neue glanz-
volle »keretrum« übertragen worden sein. Bei dieser feier-
lichen translatio reliquiarum b. Caroli M. und dem kaiser-
lichen Verschluß der neuen arca wurde, nach unserem Dafür-
halten, zugleich mit der mehr als einem halben Jahrhundert
älteren Tlephantentextur auch jener reichgemusterte schwere
Seidenstoff in Gestalt einer großen, abgewebten Decke als
obere bedeckende Hülle — cortina, stragula — in dem neuen
goldenen Reliquienschrein deponirt, die wir unter Fig. 2 im
verkleinerten Maßstabe nur in einein retournirenden Muster
bildlich wiedergegeben haben.

In unserem unten citirten Werkes ist im Anhänge auf
Blatt 3 dieses merkwürdige Grabtuch, heute noch äußerst
wohl erhalten im Karlsschrein befindlich, nur in Amrissen
bildlich veranschaulicht und auf Seite \ 13 näher beschrieben.
Unsere bereits in: Jahre j866 in den: gedachten Werke
vertretene Ansicht, daß diese prächtige Funeraldecke dem Be-
ginne des f3. Jahrhunderts, also den Tagen des Hohen-
staufen Friedrich II. angehäre, halten wir auch heute, nach

') vergleiche Karls des Großen Pfalzkaxelle und ihre Kunstschätze,
I. Band, Seite \ \5. Löln u. Neuß, Druck und Verlag der L. Schwann'-
schen Verlagsbuchhandlung, z866.

detit wir in den letzten Jahren eine so große Zahl ähnlich
gemusterter, gleichzeitiger Seidengewebe, sizilianisch-maurischer
Provenienz, näher in Augenschein zu nehmen Gelegenheit
hatten, noch immer ausrecht. Dem bereits früher Gesagten
fügen wir noch hinzu, daß die unter Fig. 2 in ihrem retour-
nirenden Dessin abgebildete Grabdecke, welche in ihrer charak-
teristischen Musterung rapportirende Palmetten, umgeben von
kleineren phantastischen Thiergebilden, wtd noch orientalisch
stilisirtes pfianzenwcrk zeigt, mit jenen charakteristisch ge-
musterten Seidengeweben durchaus übereinstimmt, wie solche
in der ärarischen Gewandmanusaktur zu Palermo — in felice
urbe Panormi — zunächst für den £jof der letzten normän-
ischen Könige und ihre direkten Nachfolger, die Hohenstaufen,
im \2. und im Anfang des j5. Jahrhunderts angefertigt
wurden.

Wie die Formen und Gebilde der Architektur und ihre
Ornamente für ihre Tntstehungszeit in den verschiedenen
Zeitläuften beredtes Zeugniß ablegen, so geben auch aus
dem Gebiete der Textilkunst die Musterung, die Farbstim-
mung und die Webertechnik fast untrügliche Anhaltspunkte an
die Hand, um auf Grundlage dieser drei Kennzeichen und
im Hinblick auf formverwandte Parallelen einen ziemlich
sicheren Schluß auf die Tntstehungszeit der betreffenden deffi-
nirten Seidengewebe fällen zu können. Wendet man das
eben Gesagte auf die beiden historisch merkwürdigen pallia
holoserica an, die in der vorliegenden Schrift unter Fig. 2
und auf Tafel 30 und 3 s Abbildung und Beschreibung ge-
funden haben, so sieht man sich veranlaßt,' zuzugeben, daß
das so oft besprochene Tlephantengewebe, abgebildet auf
der beifolgenden Tafel, wie bereits im Vorhergehenden be-
merkt, der Blüthezeit der kaiserlich monopolisirten Seiden-
fabrikation des Zeuxippos zu Byzanz aus der zweiten Hälfte
des \2. Jahrhunderts angehöre, wohingegen die Musterung
der unter Fig. 2 theilweife dargestellten Grabesdecke die Höhe
der sizilianisch-maurischen Seidenindustrie des königlichen
Gewandhauses zu Palermo, das französische Schriftsteller
»hotel de Tiraz« zu nennen belieben, unter dem vorletzten
Hohenstaufen im Beginne des \o. Jahrhunderts kennzeichnet.

OCttjfette kunstgewerblichen MuskerblMer.

Taf. 29. 5t. Antoniusaltar in der 5t. Annakirche
zu München. Entworfen von Prof. Gabr. 5 ei dl, München. -
Die 5teimnetz- und Bildhauerarbeiten hiefür lieferte nach Modellen
von Bildhauer Ant. Pruska, München, die Aktiengesellschaft Kiefer
in Kiefersfelden. Die vier polirten 5äulenfchäfte find aus Adneter
rothem 5chnöll-Marmor, die Kapitelle :c. aus Kapfelberger Kalkstein;
die Wandverkleidung besteht aus Friesen von xolirtem Bleu beige mit
Einlagen aus Laräiglio fioritto und gelbem Veroneser Marmor. Die
Nischenmalerei rührt von Maler Alois Müller, München, her.

Taf. 30 & 5\. 5eidenstoff im Reliquienschrein Karls
des Großen iin Aachener Münster. Byzantinisches Gewebe
aus dem \2. Jahrhundert. Griginalzeichnung von Regierungs-Bau-
meister G. w i ck 0 x, Wiesbaden.

Nähere Beschreibung siehe den Paupttert: „Byzantinische Purpur-
ftoffe" Seite SS ff.

Taf. 32. Gravirte Zinnkanne. Entwurf von Aug. Glaser,
München. (Darstellung in */* der wirklichen Größe.)

\

Hierzu „Runstgewerbliche Rundschau" Ar. 8.

verantw. Red.: Prof. L. Gmelin. — perausgegeben vom Bayer. Lunftgewerbe-Vcrein. — Verlag von M. Schorß. Druck von Lnorr Sf Lirth, München.

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