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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 9
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Schmid, Wolfgang: Hans Muelich: Miniaturmaler am Hofe Albrechts V. von Bayern, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0084

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kam Altdorfer, ähnlich wie AI. Grünewald zu einer gewisser-
maßen impressionistischen Behandlung atmosphärischer Effekte.
Er versteht es, die Natur in ihren Aeußerungen in die
Stimmung der dargestellten Handlungen einzustimmen. Einem
solchen Aünstler haftet sehr natürlich immer ein Hang zur
Phantastik an; seine Gemälde in der Münchener Pinakothek
geben ein deutliches Bild seines künstlerischen Charakters.
Gleichzeitig mit Altdorfer war in Regensburg noch thätig
AI. Ostendorfer und Feselen; doch war der erstgenannte der
weitaus tüchtigste. Die fast vollständige Uebereinstimmung
des künstlerischen Charakters Aluelichs mit denr Altdorfer's
geben mit eben so großer Sicherheit wie eine Urkunde an,
wer der Lehrer des jungen Münchner Alalers gewesen.

Zwischen 1541 und 1545 führte
sein künstlerischer Drang den Meister
nach Ztalien. Wir können zwar die
einzelnen Stationen seiner Reise nicht
bestimmen, doch lassen verschiedene
Züge seiner spätem Werke uns ganz
sicher erkennen, welchen Einfluß die
farbenprächtige venezianische Schule,
zu der er sich schon von Natur aus
und durch seinen Lehrer Altdorfer
hingezogen fühlte, auf ihn ausüben
mußte. Besonders imponirte ihm auch
Michelangelo, dessen wuchtige Ge-
stalten er sehr oft skizzirt hat; denn
in seinen Miniaturen finden sich viele
Anklänge an den Florentiner in der
Stellung der Figuren und der Be-
handlung der Muskulatur. Nach
Skizze des jüngsten Gerichtes fertigte
Muelich zwischen 1545 und 1550
selbst eine verkleinerte Copie desselben,
allerdings in freier Auffassung und
mit eigener Farbengebung.

Die gelehrte Bildung Muelich's
muß eine ebenfalls ganz eminente
gewesen sein; die vielfachen Bezieh-
ungen in seinen Darstellungen in den
Miniaturen, welche oft dem modernen
Beschauer ganz unklar bleiben, be-
weisen seine ungewöhnliche Belesenheit
in der Bibel, den seltneren Airchen-
schriftstellern und der klassischen Literatur. Seine Werke
richten sich ausschließlich an die Gebildeten seiner Zeit, in
deren Areis er sich bewegte. Schon frühe verkehrte er auch
bei Hofe, so daß seine Aunst eine durchaus höfische ist, keine
dem Hofe schmeichelnde, säst- und kraftlose, sondern eine
lebensfrische Aunst, die den Werth dessen, was sie für
Hofgunst hingibt, wohl kennt. Doch war Muelich nicht
Hofmaler, sondern Bürger und Meister von München.
Diese seine im gewissen Sinne unabhängige Stellung trug
jedenfalls dazu bei, im Verkehr mit dem Hofe ihm neben
der persönlichen auch die künstlerische Selbstständigkeit zu
sichern. Die Einnahmen aus seinen Werken sind für jene
Zeit theilweise sogar enorme zu nennen, so daß Noth ihn
nie bedrängt haben wird.

Am 155LJ verheirathete sich Muelich, erhielt von seiner
Frau Elisabeth vier Töchter und starb nach einem an Er-

folgen reichen Leben am lO. März 1573. Seine Frau
überlebte ihn noch 28 Jahre.

Verschiedene Selbstporträts zeigen unseren Meister in
seiner Jugendzeit voll frischen Lebensmuthes, während er
uns im Alter als seiner Patrizier erscheint.

Verfolgen wir Muelichs künstlerischen Entwicklungs-
gang, so müssen wir stets Rücksicht nehmen auf die Technik,
in der er arbeitet. Malt er in Oel, besonders Porträts,
so schließt er sich in der ganzen Auffassung wesentlich an
die Meister vom Ende des (5. und beginnenden 16. Jahr-
hunderts an, während der künstlerische Charakter seiner
Miniaturmalereien, soweit sie freie Bewegung in Aomposition
und Farbengebung gestatteten, ganz vom Geiste der Renais-
sance getragen ist.

Mit dem Jahre 153Y beginnt die Reihe der erhaltenen
Werke Aluelichs mit einer Areuzi-
gung in Madrid befindlich. 1540
sind datirt und monogrammirt
ein Portrait des Hörmann von
Guttenberg (Wien), eines patri
ziers (Pinakothek, München).

Dann folgt 1542 das Bilditiß
einer Frau (Pinakothek), (543 das
eines älteren Mannes (Wien).

1545 uralte Muelich dann den
17 jährigen Prinzen Albrecht,

(späteren Herzog Albrecht V.) (in
Schleißheim), (550 fertigte er eine
kleine Skizze des Aopfes der Leiche
Herzog Wilhelm IV. (National-
Mufeum).

Von 1555 stammt ein lebens-
großes Porträt des Herzogs Al
brecht V. (Wilhelmsgymnasium
München). Dann folgte eine lange
Pause bis 1572, in der von Oel-
gemäldenMuelichs nichts erhalten
ist, wahrscheinlich weil er in dieser
Zeit sich fast nur mit Buchnralerei
beschäftigte. Zn dem genannten
(Fahre schuf er aber sein letztes
großes Werk, den Hochaltar der
Frauenkirche zu (Fngolstadt?) Von
ihm stammen hievon die Entwürfe zu den Holzschnitzereien
des Altarschreins und die Hauptgemälde. An anderen ist
die Mitwirkung von Schülerhänden unverkennbar.

Alle diese Werke in Oel zeigen eine sehr wirksame
harmonische Farbenzusammenstellung. Die Fleischfarbe des
Gesichts und der Hände ist sehr gut getroffen, doch fehlt
das Leben, so daß besonders den Porträts eine gewisse Starr-
heit des Ausdrucks nicht abzusprechen ist. Vollendet ist die
Behandlung der Gewänder und besonders des Pelzwerkes.
Vom (Fahre 1545 an sehen wir nun Muelich in den Be-
ziehungen zum Hose, die sich im Lause der Zeit immer
inniger gestalteten und die durch die Aufträge, welche Al-
brecht V. denr Aünstler in Erkenntniß seines speziellen
Wesens zukommen ließ, am meisten zur Entwicklung seines
eigenartigen künstlerischen Charakters beigetragen haben.

*) Abgebildet Jahrgang ;885 dieser Zeitschrift, Tafel 26—28.

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