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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 9
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G.: Eine Geschichte der Ornamentik
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0089

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•¥• 79 -4'

von großer Bedeutung für dos griechische Akanthusblatt war
das Lrechtheion; hier tritt in verschiedenen Drnamenttheilen die zum
Akanthusblatt gewordene Palmette zum ersten Mal aus. Es würde
indessen zu weit führen, an dieser Stelle den Nachweis an Palinetten
auf Stelen, an Palmettenkränzen, an Säulenkapitellen (nach Abbildungen
auf Lckythen) u. s. w. zu verfolgen; ebensowenig können wir hier der
weiteren Entwicklung der Akanthusranke bis in die spätrömische Zeit
nachgehen, wo dieselbe in ein Lntwicklungsstadinm tritt, welches zur
Grundlage einer neuen selbständigen Grnamentik werden sollte.

Den vierten und letzten Abschnitt „die Arabeske" leitet Riegel mit
der Behauptung ein: „die Arabeske ist das Pflanzenranken-
ornament der sarazenischen Künste, d. h. der Kunst des
Orients im Mittelalter und in der neueren Zeit"; — zu den wichtigsten
Auseinandersetzungen dieses Abschnittes gehört deshalb der Nachweis,

folgt und zwar schon von der byzantinischen Kunst an, die ja zunächst
nichts Anderes ist als die spätantike Kunst im oströmischen Reiche.
In diesem Abschnitt führt Riegl nun das noch näher aus, was er
in seinem Buch über die altorientalischen Teppiche zum ersten Mal
als Thatsache deutlich ausgesprochen hat, daß nämlich die sogenannte
sarazenische Grnamentik aus dem Boden der byzantinischen Kunst
herausgewachsen ist. Die zahlreichen Abbildungen, die überhaupt die
steten Begleiter des Textes sind, lassen auch ohne joict Worte deutlich
erkennen, wie mit den einzelnen Drnamenttheilen allmählig verschiedene
Wandelungen vor sich gegangen sind u. s. w. Die vorgeführten Bei-
spiele zeigen unverkennbar, von wie großen: Einfluß die Technik,
wozu allerdings auch das technische Unvermögen zu rechnen ist, nicht
auf die Art des Drnaments, wohl aber auf dessen Durchbildung ge-
wesen ist. Line ganze Reihe von Drnamenttheilen tritt uns hier als

daß die Arabeske thatsächlich aus dem sxätantiken, byzantinischen
Ranken- bezw. Blatt-Drnament hervorgegangen ist. Um dies nach-
zuweisen, analysirt Riegl eine aus den: Jahrhundert stammende

Wandarabeske, stellt derselben aber sofort eine arabische Miniatur-
malerei vom Jahre zur Seite, welche die noch unverdorbenen
Urformen jener modern türkischen Vrnamentmotive enthält und welche
schon sehr deutlich zeigt, wie durch allmäliges vergessen des ursprüng-
lichen Sinnes einer Form, eine Veränderung der letzteren herbeigeführt
wird, wie also neue Formen entstehen. Dazu kommt, daß während
von den Griechen eine mehr freiere, naturalisirende Gestaltung dos
Pflanzenornaments angebahnt und von den Römern erst weitergeführt,
dann aber mehr vernachlässigt worden war, nunmehr wieder das
geometrische Element mächtiger auftritt; „war das Ziel der griech-
ischen Künstler eine Verlebendigung der Palmettenranken, so erscheint
als dasjenige der sarazenischen Künstler umgekehrt die Schematisirung,
Geomctrisirung, Abstraktion." Dieser Tendenz entspricht auch das
starke Ueberhandnehmen der geometrischen BandverschlinguNgen.

Nachdem so die Zielpunkte klar bezeichnet sind, wird nun die
Entwicklung, welche zu diesen Zielen geführt hat, im einzelnen ver-

neu entgegen, während dieselben doch oft nichts anders sind, als ab-
sichtlich vereinfachte, geomctrisirte, oder unabsichtlich durch inangelhafte
Technik verschlechterte und von den später» Nachahmern immer mehr
mißverstandene Blätter und Blüthen.

vcrinag Riegl gerade in diesem zuletzt genannien Betreff vielleicht
nicht völlig dem Standpunkt des Drnamentisten gerecht zu werden, so
tragen seine Untersuchungen bei aller Scharssinnigkeit doch niemals
den Stenipcl des Stubengelehrtenthums; man erkennt deutlich, daß
der Verfasser tausende von Denkmälern mit ehrlichen, wollen und
offenem Blick geprüft hat. Den Zeichner von Berus berührt es dabei
besonders wohlthuend, daß Riegl auch dem künstlerischen Empfinden,
und zwar schon auf den untersten Stufen der Grnamentik, sein Recht
einräumt.

Das Buch kann allen, die sich mit Grnamentik überhaupt be-
fassen, aufs wärmste empfohlen werden, besonders aber denjenigen,
welche gewaltsan, neue Pflanzentypen direkt aus der Natur in die
Grnamentik verpflanzen wollen; sie werden aus dem Buche lernen,
daß die Grnamentik viel mehr künstlerisch schöpferischer Thätig-
keit als der Naturnachahmung entsprossen ist. 6.
 
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