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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 10
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Schmid, Wolfgang: Hans Muelich: Miniaturmaler am Hofe Albrechts V. von Bayern, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0092

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•J-


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Rahmenwerk umgibt den Raum für Noten und Text
der Pfählten und ragt bald oben oder unten, bald links
oder rechts mit verschieden großen An-
sätzen iit denselben hinein. Int All
gemeinen sind maßgebend die Formen
der deutschen Renaissance, manchmal
in ungezwungener Weise untermischt
mit gothischen Elementen: die Rahmen
sind aus dem bekannten Rollwerk ge-
bildet, doch sind mit ihnen iit höchst
freier und dekorativ wirkender Weise
Blunten- und Fruchtschnüre verbunden.
Reizende Putten, ernste Allegorien und
phantastische Fabelwesen, iit denen ntan-
cher Zug der Ausdrucksweise Dürers
nachklingt, spielen iit den Zweigen,
thronen iit den Arkaden, lagern auf
den Voluten. In die so gestaltete Ilm-
rahmung sind in ganz zwangloser An-
ordnung, in der verschiedensten Größe
und mit ganz unregelmäßiger Be-
grenzung eine Anzahl von Bilder ein-
gesügt, welche theilweise deit Text der
Psalmen direkt illustriren, theilweise
den Gedanken desselben weiter aus-
spinnen. Die Tomposition dieser Dar-
stellung ist meist wirklich bewunderns
werth. In den prächtigsten Kostümen
bewegen sich die handelnden in bibli
schen wie profanen Szenen. Int Hinter-
grund weist eine weite Fernsicht in
reizende Landschaften auf die in Muelich
ja wieder vortretende coloristische Rich-
tung der Regensburger Miniatoren
schule. Die Architekturen zeigen jene
phantastischen Renaissancesormen, wie
sie auch Altdorfer schon kannte. Bei
den einzelnen Figuren, unter welchen
uns manche bekannte aus den Werken
Michel Angelos, Tarpaccios u. A.
wieder entgegentreten, sind die Beweg-
ungsmotive mit frischer oft übertriebener
Kraft, aber gesunder Natürlichkeit ge-
geben. So sehr sich aber Muelich
manchesmal in wirklich meisterhaften
Verkürzungen (speziell des Truzifixes)
gefällt, so sind doch die meisten seiner
Figuren in der Zeichnung sehr nachlässig
und die Formen mehr durch Farbe, als
durch Linien ausgedrückt. Die Tombi-
nationen der ornantentalen, Formen
sind bis ans Unendliche grenzende, jede
Seite bringt Neues, Ueberraschendes,
das Ganze eine fast überreiche Fülle
geistreicher Einfälle.

Das umrahntende Rollwerk ist itt
holzbraunent Ton gehalten mit auf
gesetzten goldenen Lichtern. Auf diesem
aber in seiner ruhigen Wirkung höchst
nothwendigen Grutid heben sich die natürlichen Farbett der

X___

Blumen und Früchte, der glänzenden
Edelsteine wirksam ab. Seinen eigent-
lichen künstlerischen Tharakter aber
zeigt Muelich in den bildlichen Dar
stellungen; hier versteht er es, die oft
übersatten Farben zu einer wohlthuen
den Harmonie zusamntenzustintmen.

Ueber fernliegenden Landschaften von
tiefem leuchtendem Blau verhüllen roth
glühende Wolken den Lichtquell, der mit
goldenen Strahlen Alles übergießt, Ar-
chitekturen, Bäunte, Menschen, Thiere.

Nicht beide Bände der psalmen sind
von gleicher künstlerischer Qualität; im
ersten Bande beschränkt sich Muelich in
klarer Erkenntniß seines eigenen Wesens
auf das rein Dekorative: das Rahmen-
werk bildet den hauptheil itttö die Bilder
fügen sich gut iit dasselbe hinein; das
Ganze bekommt so eine einheitliche groß-
artige Wirkung. Int zweiten Band aber
legt er den Nachdruck auf die Bilder und
läßt dett ornatitentalen Theil zurück-
treten. Dadurch verliert sich die einheit
liche Stimmung und iit den Tompo-
sitionen der Bilder zeigt sich eigent
sich ebenfalls ein Rückschritt durch ein
Zurückgreifen auf die figurenwimmeln-
den Schlachtenbilder Altdorfers. Den
ersten Band stellte Muelich von f 562
—65, den zweiten von \565—70 fertig.

In beiden sind noch Porträts des Her-
zogs und der Herzogin, von Orlando
di Lasso tttid Muelich selbst enthalten,
eminente Arbeiten.

Von \572 datirt Muelich's letztes
großes Merk, der Hauptaltar der Frauen-
kirche zu Ingolstadt. Die Malereien
des Mittelbildes, der Flügel, der Pre-
della und des Aufsatzes sind theilweise
voit außerordentlicher Schönheit; doch
interessiren sie an dieser Stelle weniger
als der Bau selbst mit seinen Gesimsen
und dem Aufsatz in reinen Renais-
sanceformen. Die Entwürfe zu den
Schnitzarbeiten stantnten von Rluelich
selbst und zeigen so recht die volle Ueber-
setzbarkeit der Formen, die seine reiche
Phantasie itt den Miniaturen zeigt ft.

Mit diesen Zeilen gelangen aus-
gewählte Stücke von den Randleisten
der zwei Bände psalnten zur Repro-
duktion. Trägt nun der übersetzende
Zeichner überhaupt die Originale gleich-
sant mit einem leisen Anklang von
Dialekt vor, so geht bei Rluelich spe-
ziell durch die Wiedergabe in Schwarz

-) Näheres über diesen Altar enthält
Jahrgang ;885 dieser Zeitschrift pag. so;

Abbildungen Tafel 26—28.

_/

Nach Muelich (8).
immerhin monotonen,
 
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