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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 10
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Der Neubau des Bayerischen Nationalmuseums zu München
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0099

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während hinten die Gartenkünste der Rokokozeit vor Augen geführt
werden. An Laubgängen, schattigen Ruheplätzen und an Aussicht
in das Grün des englischen Gartens ist kein Mangel, selbst wenn
eiinnal ein Theil des rückwärtigen Platzes für eine Erweiterung des
Museumsbaues in Anspruch genommen werden sollte.

Das erste Stockwerk gehört ausschließlich den Fachsammlungen:
Lisenarbeiten, Bronzen, Siegel, Münzen, Holzschnitzereien, Textilien,
Schuhe, Musikinstrumente, physikalische Instrumente, „Zeittrachten",
Glas, Keramik, Buchdruckerei, Gypsabgüffe rc. Ein zweites Stockwerk
ist nur im Mittelbau (der die Verwaltungsräume enthält) und bei
einem Theil des westlichen Flügels gedacht, Hier (in und zwischen
den runden Thurmbauten) wird die Schmederer'sche Krippensammlung
Aufstellung finden.

Für die Fachsammlungen, die ja immer mit Verkaussmagazinen
eine gewisse unangenehme Aehnlichkeit haben, werden wohl bei An-
laß der Neuaufstellung manche Verbesserungen zur Durchführung ge-
langen. Beispielsweise sollten die modernen Arbeiten — Sxitzen-
vorhänge, Fliesen — beseitigt werden, vielleicht würde man überhaupt
gut daran thun, für die Aufnahmefähigkeit eines Gegenstandes ein
bestimmtes Jahr als annähernde Zeitgrenze festzusetzen und späteren
Zeiten entstammende Dinge nur dann aufzunehmen, wenn sie von
geschichtlichem Werth sind, z. B. Erinnerungen an das Königshaus,
an den 70 er Krieg und Aehnliches. Eine andere Frage ist, ob man
nicht — wie dies schon früher von anderer Seite vorgeschlagen wurde

— bei diesen Fachgruppen jeweils eine Auswahl der besten und be-
zeichnendsten Gegenstände zu einer Schausaminlung zusammenstellen
und die übrigen nur dem fachmännischen Studium zugänglich machen
soll; bei Ermangelung einer solchen Scheidung wird es deni Laien sehr
erschwert, sich in dem Riesenmaterial zurecht zu finden.

In den Kreisen des Kunsthandwerkcs wird die Herstellung be-
sonderer Ausstellnngs- und Arbeitsräume für die Abendstunden be-
sonders freudig begrüßt werden; durch geschickte Eintheilung der für
den Museumsneubau genehmigten Mittel, ist es dem Architekten ge-
lungen, eine Reserve für diesen, an der Südwestecke geplanten Flügel
zu erübrigen. Damit wird einem längst und tiefempfundenen Be-
dürfniß wenigstens einigermaßen genügt. Wer Gelegenheit gehabt
hat, in London oder Paris der Vortheile theilhaftig zu werden, die
darin liegen, daß mehrere der dortigen Museen bis xo Uhr Abends
geöffnet und nicht nur taghell beleuchtet, sondern im Winter auch ge-
nügend erwärmt sind, der kann die Bedeutung dieses Flügelbaues nicht
hoch genug taxiren. Es wird dadurch — wenn auch in anderer Form

— den Wünschen einigermaßen Rechnung getragen, welche wir schon
wiederholt (Beiblatt (8§3, 5. \2 und 26) ausgesprochen haben.

0b eine Heizung eingerichtet werden soll, ist noch unentschieden;
die namhaften Kosten, die ihr Betrieb nach sich zöge, lassen die Sache
einigermaßen bedenklich erscheinen. Wie wir hören, besteht an maß-
gebender Stelle auch die Befürchtung, daß mit der Heizung Mißbrauch
getrieben werden könne, indem das Museum dann leicht als wärme-
stube der ärmeren Klaffen benutzt werden würde, wie man in Berlin
beobachtet haben will. Aber abgesehen davon, daß es weniger schlimm
wäre, wenn sich arme Leute in, Museum als im Bierhaus erwärmten,
scheint uns diese Gefahr bei der excentrischen Lage des Museums und
dein Umstand, daß wöchentlich nur an zwei Tagen freier Eintritt be-
steht, nicht so groß, um das Aufgeben einer mäßigen Beheizung zu
rechtfertigen.

Anders liegt die Sache mit der Beleuchtung in den Abendstunden.
Es ist keine Frage, daß in einer Großstadt wie London, zumal dort an
Sonn- und Feiertagen die Museumsthüren ängstlich geschlossen gehalten
werden, das Bedürfniß, die Abendzeit zum Museunisbesuch verwenden
zu können, viel mächtiger ist; außerdem würde die Bestellung des Anf-
sichtspersonals für die Abendstunden — auch wenn, wie im British-
Museum immer nur ein Theil der Sammlungen geöffnet wäre — Kosten
verursachen, die mit dein Nutzen nicht im richtigen verhältniß stünden.

Für die Feuersicherheit ist in weitestgehender Weise gesorgt; ^es
werden nirgends hölzerne Konstruktionstheile verwendet. Uebcrdieß sind
an verschiedenen Stellen des Gebäudes Durchfahrten so angeordnet,
daß sich im schlimmsten Fall die Spritzen der Feuerwehr ungehindert
um den ganzen Bau, durch alle Höfe bewegen können.

- Das alte Museum hat bekanntlich nur eine Treppe, ein Uebcl-
stand, der im Fall eines Brandes sehr verhängnißvoll werden könnte;
in dem Neubau sind außer der großen Haupttreppe an besonders ge-
eigneten Punkten kleinere Nebentrexxen eingesetzt, wodurch jenem
Uebelstand abgeholfen ist. Wenn nach dieser Richtung noch ein Wunsch
übrig bliebe, so wäre es etwa der, es möchten hin und wieder einige
weitere Thüren in den Zwischenwänden angeordnet werden, welche
manche Wege abzukürzen geeignet wären. Nicht allein für den Fall
einer Gefahr ist es wünschonswerth, nicht an die einmal vorgeschriebene
„Marschroute" der Chronologie gebunden zu sein, sondern auch stets
dann, wenn man nur in einem zeitlich eng begrenzten Gebiet zu thun
hat und sich nicht gezwungen sehen will, alle anderen Kulturperioden
an sich vorbei passiren zu lassen.

Der ganze Bau, dessen Grundsteinlegung noch in diesem Jahre
erfolgen soll, wird bis j. Juli ^98 vollendet fein; wenn wir dann
für die Einrichtung ein Jahr hinzurechnen, so wird noch vor Ablauf
des Jahrhunderts das neue Nationalmuseum dem Bayerischen Volke
„zu Ehr und Vorbild" übergeben werden können.

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Nach Muelich (20).
 
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