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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 12
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Zais, Ernst: Die Frankenthaler Porzellanfabrik
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0113

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von der Fabrikkasse 3000 fl. für Abtretung seines Arkanums.
Indes die Masse, die man nach diesem Rezept herstellte,
bewies sich als derart schlecht, daß der größte Theil der
aus ihr angefertigten Maaren als untauglich betrachtet werden
mußte. Mit der Farbenbereitung machte sich der Direktor
erst aus dem Farbenarkanum vertraut, das man von Peter
Anton pannong für 500 fl. erworben hatte. Acht Jahre
lang war Bergdoll nicht zu bewegen gewesen, vollständige
Proben seiner Aenntnisfe abzulegen. Attt jedermann in
Anfrieden lebend, hatte er cs nach und nach dahin zu bringen
gewußt, sich von fast allen seinen Anrtsverrichtungen zu
befreien; er stützte sich dabei auf eine Protektion, die zu
nennen ein hoher Beamter Bedenken trug.

Attt dem Jahre f770 begann eine Reform der Franken-
thaler Fabrik. Im Anfang des genannten Jahres, zu einer
Zeit, als in der kurpfälzischen Anstalt durch die Unfähigkeit
des Direktors Bergdoll die Noth auf's pöchste gestiegen,

q. Terrine.

Dekor: Bunte Vögel und grüner „Mosaikrand". — (1/3 der wirklichen Größe.)

ein unglaublicher Unfug eingerissen wax, traf in Franken-
thal zufällig der braunschweigische Modellmeister Simon
Feylner ein. Feylner, geboren zu Meiden im Fürstenthum
Sulzbach, hatte s753 die Fabrik zu pöchst, wo er als Blumen-
maler beschäftigt gewesen, verlassen, um in die Fürstenberger
Manufaktur überzutreten. Dort war er als Modellmeister
thätig. Diese Stellung gab Feylner aus, da er sich mit der
Absicht trug, in seiner Vaterstadt Meiden eine Porzellan-
fabrik anzulegen. Der Modellmeister wurde mit offenen
Armen in Frankcnthal empfangen. Im April s770 trat
er als Inspektor in die Dienste der Fabrik. Unter Feylner,
einem Mann von hervorragenden Fähigkeiten, nahm die
Manufaktur in technischer Beziehung einen neuen Aufschwung.
Bergdoll, ebenso sein Schwiegersohn, der Aondirektor Lang,
wurden erst s775 mit einem Martegeld verabschiedet.

Einige Monate vor dem Eintreffen Feylners zu Franken-
thal hatte die Fabrik Unterhandlungen mit einem französischen
Aeramiker begonnen, mit Pierre Berthevin, der von s765
bis ^769 Vorstand der schwedischen Fabrik Marieberg

gewesen war und sich im perbst s76si im paag aufhielt.
Die Unterhandlungen waren durch den kurpfälzischen Ge-
sandten im paag, Freiherrn von Eornet, eingeleitet worden.
Anfang November s76fl traf Berthevin in Mannheim
ein. Im Lauf der folgenden Monate stellte er Versuche
an, auf Porzellan zu drucken, Versuche, die reichlich vom
Aurfürsten belohnt wurden, u. a. mit der Verleihung einer
Konzession für eine in Mosbach zu errichtende Fayence-
fabrik. Es scheint indes, daß die Frankenthaler Manufaktur
niemals von der Berthevinschen Erfindung Gebrauch machte.

Der neuen, der kurfürstlichen Verwaltung gelang es
ebenso wenig wie ihrem Vorgänger pannong, aus der Fabrik
ein fruchtbringendes Unternehmen zu machen. Von \762
bis Ende \777> erforderte die Manufaktur einen Zuschuß von
69,79 \ fl., der aus verschiedenen Rassen floß. Es war eine
chronische Erscheinung, daß die Löhne der Arbeiter monate-
lang im Betrag von einigen tausend Gulden rückständig
blieben. s780 war die Noth unter den Arbeitern so groß,
daß die Bedürfnisse des täglichen Lebens nicht mehr be-
stritten werden konnten. Bäcker und Metzger sahen sich ge-
zwungen, Brod und Fleisch anderthalb Jahre lang auf
Borg zu geben. Die Zunftmeister wandten sich im Namen
der Geschäftsleute an den Aurfürsten, der 5000 fl. anwies.
Das scheint nur ein Tropfen gewesen zu sein. s78f wurde
nachgewiesen, daß in der Fabrik die Löhne seit drei Jahren,
von Abschlagszahlungen abgesehen, nicht ausbezahlt worden
feien. Die Arbeiter, bedrückt durch die Schulden für paus -
miethe und Lebsnsnrittel, stellen ihre trostlose Lage dem
Aurfürsten vor. Ihnen schließen sich in den folgenden Jahren
wiederholt an die Bäckermeister, der Stadtdirektor, Bürger-
meister und Rath, wie es scheint, ohne Erfolg. Zehn Maler
und Bosfirer erlagen der gerichtlichen Gant. In der Fabrik
herrschte ein solcher Unwille, daß nran eine offene Auflehnung
befürchtete. Als dem Historienmaler Minterstein eine erbetene
Abschlagszahlung nicht gewährt wurde, weigerte er sich, eine
Arbeit, die er gerade unter den pänden hatte, ein Porträt
Aarl Theodors, zu vollenden.

Eine Perabsetzung der Arbeiterzahl, eine Maßregel,
zu der man sich \77% entschloß, trug nichts dazu bei, den
Geldverlegenheiten der Fabrik zu steuern. In demselben
Jahr beliefen sich die Ausstände der Manufaktur auf mehr
als 8000 fl.; unter den Schuldern befanden sich jedoch Per-
sonen, die man wegen ihrer „poheit" nicht zu belangen wagte.

Der pannong'sche Maarenvorrath, soweit er sich zu
Frankenthal und im Verkaufsgewölbe zu Mannheim befand,
berechnete sich bei der Uebernahme durch den Aurfürsten
auf 39,02^ fl.; dem Pauptmagazin gingen zu von s762
bis Ende {77% bunte Maaren im Merthe von 253,00\ fl.,
blaue Maaren im Merthe von 60,225 fl. Ende t 774 stellte
sich der Frankenthaler Vorrath auf 62,297 fl., der Bestand
des Mannheimer und des Frankfurter Lagers auf 55,798 fl.
Der Absatz der Fabrikate war sehr gering. ! 774 hatte man
der Anstalt einen neuen Oberdirektor in der Person des Aon-
ferenzministers Grafen Goltstein gegeben. Auch er vermochte
nicht, die Fabrik von den finanziellen Schwierigkeiten, mit
denen sie belastet war, zu befreien, viel weniger, die künst-
liche Schöpfung auf eigene Füße zu stellen.

s780 wurde das Lager auf f 50,000 fl. geschätzt; es
galt indes als unanbringlich. Der Aurfürst meinte, man
solle es in großen Städten, wie pamburg und Amsterdam,
 
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