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BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 2
mit einer Statuette in der erhobenen
Linken und daneben eine Göttin oder
Allegorie des Kampfes mit der Lanze.
Ins Dunkel stürzt eine Personifikation
der überwundenen Barbarei. Das Ver'
sinken in die Nacht wird durch die
dunkle Färbung der ganzen Gestalt und
durch die Fledermaus, das Nachttier,
versinnbildet. Putten schweben umher,
die wohl mehr zur Belebung des Raumes
als zur weiteren Charakteristik der
Allegorie angebracht sind.
Hauptfigur aus dem Deckenbilde des
Palazzo Caiselli.
Wie bei Tiepolo überhaupt, ist das
Schweben der Figuren auch auf diesem
Bilde in überzeugender Weise zum Aus'
druck gebracht. Tiepolo versteht das wie
kein anderer. Das hängt damit zusamt
men, daß er sich jederzeit über den
platten Realismus erhoben hat. Jeder er'
kennt bei Tiepolos Figuren sofort, daß
sie Schein sind, duftiger, farbiger Schein
in Menschengestalt. Andere malten wirk'
liehe Menschen in Haltungen, wie sie
beim Stürzen, Fallen wirklich vor'
kommen, oder sie möchten dem Be'
schauer zumuten, sich vorzustellen, daß
ein Körper mit Knochen, Fleisch und
Blut sich schwebend in der Luft er'
halten könne. Sie malen realistische
Körper in einer Umgebung, in der sie
sich niemals zu halten vermöchten. Die
einfachsten Erwägungen hindern uns
daran, derlei Darstellungen auch nur
mit der geringsten Illusion zu betrachten.
Was macht nun Tiepolo? Er zaubert
uns Kunstgestalten vor, die nahezu
durchscheinend wirken, wie aus buntem,
dünnem Papier geformt. Diese lösen
keine Gedankenverbindungen mit Kör--
pergewicht und Schwere aus. Seine
Schwebefiguren sind hell gehalten, be'
wegen sich überdies zumeist in Richtum
gen, die nicht auf den Beschauer zielen,
sondern in die Ferne deuten. Das ist
alles psychologisch wichtig und gehört
dazu, eine Figur künstlerisch vorzüglich
als schwebend darzustellen. Stürzende
Gestalten mögen materieller, substam
ziöser dargestellt werden, was auch bei
Tiepolo vorkommt.
Es sind zarte, duftige Farben, die
uns auf dem Deckenbilde des Palazzo
Caiselli begegnen, so an dem weißgrünli-
chen Kleid der Hauptfigur. Der Genius des
Kampfes mit der Lanze in der Hand trägt
ein hellzinnoberrotes Kleid mit schwefel'
gelben Lichtern. In technischer Beziehung
ist die Freiheit der Mache unzweifel'
haft. An verschiedenen Stellen bemerkt
man überdies Tiepolos bekanntes Hinein'
zeichnen mit dunklen Tinten in die
farbigen Flächen. Der Künstler hat das
von der Freskotechnik in die Ölmalerei
herüber genommen.
Die Leinwand mißt ungefähr 6 m
in der Länge und 3 m in der Breite.
Eine Überlieferung in der gräf'
lichen Familie spricht noch davon, daß
Tiepolo das Bild in einem der Räume
des Erdgeschosses ausgeführt oder daß
er dort Wohnung hatte. Urkunden, die
sich auf das Bild selbst beziehen, sind
jetzt nicht mehr vorhanden, doch weiß
man darum, daß vor Jahren noch welche
da waren. Eine Verbindung mit der
BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 2
mit einer Statuette in der erhobenen
Linken und daneben eine Göttin oder
Allegorie des Kampfes mit der Lanze.
Ins Dunkel stürzt eine Personifikation
der überwundenen Barbarei. Das Ver'
sinken in die Nacht wird durch die
dunkle Färbung der ganzen Gestalt und
durch die Fledermaus, das Nachttier,
versinnbildet. Putten schweben umher,
die wohl mehr zur Belebung des Raumes
als zur weiteren Charakteristik der
Allegorie angebracht sind.
Hauptfigur aus dem Deckenbilde des
Palazzo Caiselli.
Wie bei Tiepolo überhaupt, ist das
Schweben der Figuren auch auf diesem
Bilde in überzeugender Weise zum Aus'
druck gebracht. Tiepolo versteht das wie
kein anderer. Das hängt damit zusamt
men, daß er sich jederzeit über den
platten Realismus erhoben hat. Jeder er'
kennt bei Tiepolos Figuren sofort, daß
sie Schein sind, duftiger, farbiger Schein
in Menschengestalt. Andere malten wirk'
liehe Menschen in Haltungen, wie sie
beim Stürzen, Fallen wirklich vor'
kommen, oder sie möchten dem Be'
schauer zumuten, sich vorzustellen, daß
ein Körper mit Knochen, Fleisch und
Blut sich schwebend in der Luft er'
halten könne. Sie malen realistische
Körper in einer Umgebung, in der sie
sich niemals zu halten vermöchten. Die
einfachsten Erwägungen hindern uns
daran, derlei Darstellungen auch nur
mit der geringsten Illusion zu betrachten.
Was macht nun Tiepolo? Er zaubert
uns Kunstgestalten vor, die nahezu
durchscheinend wirken, wie aus buntem,
dünnem Papier geformt. Diese lösen
keine Gedankenverbindungen mit Kör--
pergewicht und Schwere aus. Seine
Schwebefiguren sind hell gehalten, be'
wegen sich überdies zumeist in Richtum
gen, die nicht auf den Beschauer zielen,
sondern in die Ferne deuten. Das ist
alles psychologisch wichtig und gehört
dazu, eine Figur künstlerisch vorzüglich
als schwebend darzustellen. Stürzende
Gestalten mögen materieller, substam
ziöser dargestellt werden, was auch bei
Tiepolo vorkommt.
Es sind zarte, duftige Farben, die
uns auf dem Deckenbilde des Palazzo
Caiselli begegnen, so an dem weißgrünli-
chen Kleid der Hauptfigur. Der Genius des
Kampfes mit der Lanze in der Hand trägt
ein hellzinnoberrotes Kleid mit schwefel'
gelben Lichtern. In technischer Beziehung
ist die Freiheit der Mache unzweifel'
haft. An verschiedenen Stellen bemerkt
man überdies Tiepolos bekanntes Hinein'
zeichnen mit dunklen Tinten in die
farbigen Flächen. Der Künstler hat das
von der Freskotechnik in die Ölmalerei
herüber genommen.
Die Leinwand mißt ungefähr 6 m
in der Länge und 3 m in der Breite.
Eine Überlieferung in der gräf'
lichen Familie spricht noch davon, daß
Tiepolo das Bild in einem der Räume
des Erdgeschosses ausgeführt oder daß
er dort Wohnung hatte. Urkunden, die
sich auf das Bild selbst beziehen, sind
jetzt nicht mehr vorhanden, doch weiß
man darum, daß vor Jahren noch welche
da waren. Eine Verbindung mit der