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BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 3
Helene Fourmant, an der Diana wieder'
erkennen. Das würde eine Entstehung
nach der zweiten Vermählung des Mei'
sters im Dezember 1630 bedingen. Ich
muß zwar eingestehen, daß mich diese
angebliche Ähnlichkeit nicht bezwingt,
doch rechne ich damit, daß sich Rubens
seit der spanischen Reise zwei Jahre
lang weniger als Maler, denn als Diplo'
mat betätigt hat, und daß das Gemälde
wohl kaum vor dem Ende 1630 gemalt
worden ist. Am sichersten gehen wir
mit den weiten Grenzen von Anfang
1631 bis gegen die letzte Zeit des Mei'
sters 1640. Rooses nennt die Jahre 1636
bis 1638 (l’oeuvre de Rubens V, 336).
Nach dem zu schließen, was sich aus
der Literatur zusammenfinden läßt, ist
das Gemälde nicht auf Bestellung ge'
malt, sondern als eigentliches „freies“
Kunstwerk entstanden und deshalb im
Besitze des Malers verblieben. Schon we'
nige Jahrzehnte nach des Meisters Ab'
leben erfährt man von dem Gemälde,
es sei ein Lieblingsbild des Künstlers
gewesen und bei ihm selbst aufbewahrt
worden, so langte er lebte. „Pendant la
vie.“ „II le laissa en mourant ä son
meilleur ami.“ So berichtet R. de Piles
in der „Dissertation sur les ouvrages
des plus fameux peintres, dediee ä
Mr. le Duc de Richelieu“ (Paris, chez
N. Langlois 1681)*). De Piles gibt auch
eine Beschreibung und Charakteristik
des Bildes einschließlich der Abmes'
sungen („le tableau a six pieds de large
sur quatre pieds de haut“). Er führt
es demnach als Br eit bild an mit halb'
lebensgroßen Figuren; er beschreibt es
als Bestandteil der Sammlung Riehe'
lieu. Das gibt alles zu Erörterungen
*) Über die verschiedenen Ausgaben
dieser selten gewordenen Schrift gibt M. Rooses
Auskunft im Rubens-Bulletyn, Bd. V, Lief. 3,
S. 138 ff. Danach käme das Aktäonbild in
der ersten Auflage von 1677 noch nicht vor,
auch in der zweiten nicht, sondern erst in der
dritten von 1681.
Anlaß, die nun in aller Kürze zusam-
mengefaßt werden mögen.
Das Bild ist seit den Zeiten der
Richelieus verkleinert worden. Die
linke Hälfte, die man nach alten Kopien
des ganzen kennt, wurde entfernt. Nur
die Gruppe mit Diana ist als Original
erhalten’1'). Die Angehörigkeit an die
Sammlung Richelieu wird durch De
Piles klärlich erwiesen. Wie das Bild
zu Richelieu gelangt ist, das findet sich
zwar beim älteren Michel (Histoire de
la vie de Rubens, 1771) erzählt. Michels
Darstellung erweist sich aber als ein
erfundenes Geschichtchen, unverzulässig,
unwahrscheinlich, auch wenn es oft
nacherzählt worden ist**). Die Witwe
Rubens hätte aus Prüderie die Absicht
gehegt, das Bild zu verbrennen, der
nackten Dianafigur wegen. Dann sei sie
aber durch den Abgesandten Richelieus
überredet worden, das Werk um 3000
spanische Taler zu verkaufen. Wir
wissen schon aus der besseren Quelle,
aus De Piles, daß dieses Bild überhaupt
nicht Helenen, sondern einem Freund
des Rubens vermacht worden ist. Dem'
nach sucht man es vergeblich im Nach'
laßverzeichnis des Meisters, man mag
aufschlagen, welche Ausgabe man
will***). Fest steht nur eines, daß es in
die Sammlung Richelieu gelangt ist, wop
*) Hiezu De Groot: „Galerie Schubart“
(München, Bruckmann, ohne Jahr), S. 7 ff. Zu
den alten Stichen auch Schneevogt S. 121,
Nr. 154. Nach Angabe des Auktionskataloges
mißt das Bild jetzt 1*50 X i-i8 m.
**) Z. B. auch in dem sonst so wertvollen
Heftchen „Catalogue of the works in the
possession of Sir Peter Paul Rubens“ (for
private circulation, 1839).
***) of, jn jer ..Revue universelle des
arts“ 1855 (I), S. 268 ff., ob in dem oben er-
wähnten englischen „Catalogue“, ob bei
Smith IX, 355 ff. Es kommt auch nicht vor
in den Urkunden, die durch Genard (im Ant'
werpsch archievenblad II), durch Rooses (im
Rubens-Bulletyn, IV. Bd.), N. Sainsbury und
durch andere veröffentlicht worden sind. Zu
einer umfassenden Arbeit über den Nachlaß
des Rubens läge reichliches Material vor.
BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 3
Helene Fourmant, an der Diana wieder'
erkennen. Das würde eine Entstehung
nach der zweiten Vermählung des Mei'
sters im Dezember 1630 bedingen. Ich
muß zwar eingestehen, daß mich diese
angebliche Ähnlichkeit nicht bezwingt,
doch rechne ich damit, daß sich Rubens
seit der spanischen Reise zwei Jahre
lang weniger als Maler, denn als Diplo'
mat betätigt hat, und daß das Gemälde
wohl kaum vor dem Ende 1630 gemalt
worden ist. Am sichersten gehen wir
mit den weiten Grenzen von Anfang
1631 bis gegen die letzte Zeit des Mei'
sters 1640. Rooses nennt die Jahre 1636
bis 1638 (l’oeuvre de Rubens V, 336).
Nach dem zu schließen, was sich aus
der Literatur zusammenfinden läßt, ist
das Gemälde nicht auf Bestellung ge'
malt, sondern als eigentliches „freies“
Kunstwerk entstanden und deshalb im
Besitze des Malers verblieben. Schon we'
nige Jahrzehnte nach des Meisters Ab'
leben erfährt man von dem Gemälde,
es sei ein Lieblingsbild des Künstlers
gewesen und bei ihm selbst aufbewahrt
worden, so langte er lebte. „Pendant la
vie.“ „II le laissa en mourant ä son
meilleur ami.“ So berichtet R. de Piles
in der „Dissertation sur les ouvrages
des plus fameux peintres, dediee ä
Mr. le Duc de Richelieu“ (Paris, chez
N. Langlois 1681)*). De Piles gibt auch
eine Beschreibung und Charakteristik
des Bildes einschließlich der Abmes'
sungen („le tableau a six pieds de large
sur quatre pieds de haut“). Er führt
es demnach als Br eit bild an mit halb'
lebensgroßen Figuren; er beschreibt es
als Bestandteil der Sammlung Riehe'
lieu. Das gibt alles zu Erörterungen
*) Über die verschiedenen Ausgaben
dieser selten gewordenen Schrift gibt M. Rooses
Auskunft im Rubens-Bulletyn, Bd. V, Lief. 3,
S. 138 ff. Danach käme das Aktäonbild in
der ersten Auflage von 1677 noch nicht vor,
auch in der zweiten nicht, sondern erst in der
dritten von 1681.
Anlaß, die nun in aller Kürze zusam-
mengefaßt werden mögen.
Das Bild ist seit den Zeiten der
Richelieus verkleinert worden. Die
linke Hälfte, die man nach alten Kopien
des ganzen kennt, wurde entfernt. Nur
die Gruppe mit Diana ist als Original
erhalten’1'). Die Angehörigkeit an die
Sammlung Richelieu wird durch De
Piles klärlich erwiesen. Wie das Bild
zu Richelieu gelangt ist, das findet sich
zwar beim älteren Michel (Histoire de
la vie de Rubens, 1771) erzählt. Michels
Darstellung erweist sich aber als ein
erfundenes Geschichtchen, unverzulässig,
unwahrscheinlich, auch wenn es oft
nacherzählt worden ist**). Die Witwe
Rubens hätte aus Prüderie die Absicht
gehegt, das Bild zu verbrennen, der
nackten Dianafigur wegen. Dann sei sie
aber durch den Abgesandten Richelieus
überredet worden, das Werk um 3000
spanische Taler zu verkaufen. Wir
wissen schon aus der besseren Quelle,
aus De Piles, daß dieses Bild überhaupt
nicht Helenen, sondern einem Freund
des Rubens vermacht worden ist. Dem'
nach sucht man es vergeblich im Nach'
laßverzeichnis des Meisters, man mag
aufschlagen, welche Ausgabe man
will***). Fest steht nur eines, daß es in
die Sammlung Richelieu gelangt ist, wop
*) Hiezu De Groot: „Galerie Schubart“
(München, Bruckmann, ohne Jahr), S. 7 ff. Zu
den alten Stichen auch Schneevogt S. 121,
Nr. 154. Nach Angabe des Auktionskataloges
mißt das Bild jetzt 1*50 X i-i8 m.
**) Z. B. auch in dem sonst so wertvollen
Heftchen „Catalogue of the works in the
possession of Sir Peter Paul Rubens“ (for
private circulation, 1839).
***) of, jn jer ..Revue universelle des
arts“ 1855 (I), S. 268 ff., ob in dem oben er-
wähnten englischen „Catalogue“, ob bei
Smith IX, 355 ff. Es kommt auch nicht vor
in den Urkunden, die durch Genard (im Ant'
werpsch archievenblad II), durch Rooses (im
Rubens-Bulletyn, IV. Bd.), N. Sainsbury und
durch andere veröffentlicht worden sind. Zu
einer umfassenden Arbeit über den Nachlaß
des Rubens läge reichliches Material vor.