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Boeck, Kurt
Indische Gletscherfahrten: Reisen und Erlebnisse im Himalaja — Stuttgart [u.a.], 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.16241#0207
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„Der erste August gilt in Kals für einen Unglückstag!" murmelle
der Tiroler in den Bart und biß sich auf die Lippen, wohl weil er
bemerkte, wie fchwer ihm jeder weitre Schritt Steigens wurde. Jch kam
mir vor, als wäre alle Kraft von mir genommen, oder als litt ich an
einer grenzenlosen Migräne; ich glaubte vor Kopfschmerzen toll werden
zu follen, als wir um zehneinhalb Uhr mit beinah taumelnden Füßen
die Gipfelfteine des Schonschal betraten. Um halb vier Uhr früh
waren wir vom Bungalo abmarschiert und bis auf eine kleine Rast
von zehn Minnten in ununterbrochnem Steigen geblieben; ich war
aber fest überzeugt, daß wir in den europäifchen Alpen in dieser
Zeit das Doppelte geleistet haben würden.

Jch versuchte, den prachtvollen, fchwindelerregenden Niederblick
in das Pindarthal aus der Vogelschau mit einem ermutigenden Jodler
zu begrüßen, doch meine fonst ziemlich klangvolle Stimme versagte
und war matt und heiser. Jch war erschöpft wie noch nie in meinem
Leben, und auch Hans zifchte:

„Weiß der Teufi, was dös is!"

Jch möchte hier gleich erwähnen, daß wir fpäter wesentlich
größre Höhen bestiegen als den Schonfchal, der nur etwa 16000 Fuß
(4800 m) hoch ist, ohne auch nnr annähernd ähnliche Anzeichen der-
artiger wirklicher Erkrankung zu erleiden.

Welche Umstände wirkten hierbei mit? Fast glaube ich, daß die
Gräfer und Kräuter, deren Ausdünstung der Babu als so giftig
geschildert hatte, eine gewiffe Rolle bei der Entstehung der sogenannten
Bergkrankheit fpielen, wenn auch in einem ganz andren Sinne, als
der Babu es meinte. Jch neige der Ansicht zu, daß der Mangel
an Kohlensäure, die nachgewiesnermaßen neben dem Sauerstoff
und Stickstoff zum Atmen nötig ist, auf hohen Gipfeln dem mensch-
lichen Organismus empfindlicher wjrd als der fchwächer werdende
Luftdruck; durch dichten^ Vegetationsbestand wird aber der Bestand
an Kohlenfäure naturgemäß mehr erschöpft als durch unorganischen
Gipfelboden wie z. B. Felfen oder Schnee. Jedenfalls kann ich nach
 
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