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Brandi, Karl [Bearb.]
Quellen und Forschungen zur Geschichte der Abtei Reichenau (Band 1): Die Reichenauer Urkundenfälschungen: mit 17 Tafeln in Lichtdruck — Heidelberg, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.14855#0040

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22

Die Überlieferung der Reichenauer Urkunden.

Zug ausgenommen», das Servitiuni für den reisenden Kaiser auf Leistungen in Mündersdorf
beschränkt, Freiheit von der Hoftagpflicht, mit Ausnahme besonderer Fälle, [und freie Abtswahl].

Oheim p. 93, 6. — [Nicht bei Stumpf.]
Interpolierte Wiedergabe von Nr. 57.

Die Ünechtheit der von Öheim übersetzten Urkunde ergiebt sich deutlich aus dem Ver-
hältnis zu Nr. 57.

Auf eine wirklich vorhanden gewesene Ausfertigung scheint auch die
77. «Erlütrung von babst Leo zwischend ahn bischoff und abt in der Ow der wihi halb»
zurückzugehen.

Öheim p. 109, 15.

Wie es sich formell mit dieser «Urkunde» verhalten habe, ist nicht ganz deutlich; Öheim
giebt folgendes:

Papst Leo erzählt in Form eines Briefes an Abt Ulrich, wie er bei dessen und des Bischofs
durch Kaiser Heinrich veranlaßten Anwesenheit in Rom, in Gegenwart genannter Zeugen den
Streit zwischen beiden auf Grund der Reichenauischen Privilegien Kaiser Ottos III., der Päpste
Adrian, Leo, Formosus, Sergius, Johannes, Bonifatius, Leo, zu gunsten des Klosters entschieden
• habe, worüber er folgendes Privileg ausstellt: «Leo . . etc.» —

In dieser angeblichen [undatierten] Bulle wird dann, nach Wiederholung des im «Brief»
dargelegten Thatbestandes, das Kloster Reichenau von neuem von der bischöflichen Gewalt
befreit, nachdem der Bischof allen Ansprüchen entsagt habe. — Zeugen: «Adrianus, Leonis(1),
Formosus, Sergius, Johannes, Bonifatius, aber Leo und ander welschen und tütschen personell». —

Haben schon die im Briefe aufgezählten Zeugen allerlei Bedenken [Steindorff, Jahrbb. Heinrichs III.
Bd. II., 81 note]j so erweist die Zeugenreihe der angeblichen Bulle mit völliger Sicherheit die plumpe
Fälschung dieses Teils der Doppelurkunde; man beachte, wie dieselben Namen, welche im Text als diejenigen
der früheren Päpste aufgeführt sind, nochmals in der Unterfertigung benutzt erscheinen. — Es hat also
sicherlich bei Zusammenstellung dieser «Erläuterung» jede echte Vorlage gefehlt, da sich, abgesehen von
der unmöglichen Form, nicht einmal in dem Protokoll ein richtiger Name findet.

Steindorff [a. a. 0.] hält den Inhalt im wesentlichen für echt; — ein derartiger Streit ist gewiß häufiger
vorgekommen, aber ob unter Leo IX., und ob liier zu gunsten der Reichenau entschieden, erscheint mir
sehr zweifelhaft; Herrn, contr. [M. G. V, 99 ff.], der gerade über die Beziehungen Reichenaus zu Leo IX.
besonders ausführlich erzählt, weiß von einem derartigen Streite nichts. — Ein Grund zur Fälschung lag
dagegen im Jahre 1095 vor, wo in einem ähnlichen Konflikt von Urban II. zu Piacenza gegen den Abt
von Reichenau geurteilt wurde, vgl. Berthold [M. G. V, 463:] «cui in praesentia constantiensis episcopi
omnem episcopalem potestatem in clerum et populum augiensis insulae interdixit, quam dudum constantiensi
episcopi concessit . . .». Von diesem Vorkommnis und den damit in Verbindung stehenden Bullen [Berthold
a. a. O.] mag ein Fälscher den Stoff genommen haben; — einer weiteren Untersuchung dieser so schlecht
überlieferten Fälschung wird man sich enthalten müssen.

3. IR-eiclienauer IPapierhandsclirifteiT des XVI.—XVIII. Jahrh.

Außer den Lehnsbüchern des XIV, Jahrh. und den späteren Repertorien und Kopialbüchern
waren auch die im Gen.-Lnnd.-Arch. zu Karlsruhe befindlichen Papierhandschriften mit den konfusen
historischen Elaboraten der Reichenauer Konventualen des XVI.—XVIII. Jahrh.1) auf urkundliches
Material hin durchzusehen.

i) Über Egon, Lazarus Lippus und die übrigen recht schreibseligen Reichenauer Konventualen des 1(3. bis 18.
Jahrh. vgl. Mone, Q. S. I, (85).
 
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