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Brandi, Karl [Oth.]
Quellen und Forschungen zur Geschichte der Abtei Reichenau (Band 1): Die Reichenauer Urkundenfälschungen: mit 17 Tafeln in Lichtdruck — Heidelberg, 1890

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.14855#0086

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68

Zusammenhang und' Entstehungszeit der Fälschungen.

Ludwig d. Fr. nennt 815 [Nr. 12] den:

«abba monasterii Sintleozesauia, quod est situm in ducatu Alemannia?, in pago uidelieet
Undresinse, constructum in honorem sanctae dei genitricis Mariae semperque uirginis et sancti Petri..»
und nun läßt Odalrich 1163 und 1165 schenken:

«ad monasterium sanctae Mariae semper virginis, quod constructum est in insula, quae
vocatur Sintlezzesouua»

und in gleicher Weise drückt er sich in den Fälschungen aus:
Nr. 7: abbas monasterii, quod vocatur Sintlezzesaugia
» 63: ad monasterium, quod vocatur Sintlezzesaugia

» 8: monasterium, quod constructum est in insula, quae in Alamanuiae partibus sita,
Sintlezzesowa nuncupatur. —

Schließlich zeigen nun aber auch alle Fälschungen dieselbe geschwätzige Freude am Erzählen,
und die endlose Weitschweifigkeit, die in den Urkunden des 0., etwa in dem unmotivierten Bericht
über die tragischen Schicksale seiner Verwandten, und den salbungsvollen Arengen so sehr hervor-
trat; sie wurde in den Urschriften durchweg Veranlassung zu einem unordentlich zusammen-
gedrängten, meist über die echten Siegel weit hinausreichenden Kontext. — Es ist ja gewiß ein
allgemeines Merkmal der Fälscher, auffallend lange Elaborate in die Welt zu setzen — denn
überall hatten sie sehr viel auf dem Herzen —, bei unserm O. treten jene Eigenschaften aber in
einem ganz besonders hohen Maße hervor; mit sichtlichem Vergnügen hält er in Nr. 59 dem
Abte [Alavich] eine eindringliche Predigt, viermal scheint es ihm in Nr. 2 erforderlich, das vorher-
gehende durch eine Art Corroboratio zu bekräftigen und man braucht sich nur die Eingänge der
etwa 10 verschiedenen Abschnitte von Nr. 4 zu vergegenwärtigen, um den Reichenauer Scolasticus
in etwas kindlicher Art mit beständigem «und dann, und dann» erzählen zu hören.

3. Ergebnisse.

Die Beobachtungen beim Schrift- und Stilvergleich ergeben nun im Verein mit den früher
erörterten textlichen Beziehungen der Fälschungen zu einander das Folgende.

Zu den verschiedensten Zeiten legten die Reichenauer ohne Scheu Hand an ihre Dokumente;
anfangs begnügten sie sich mit Zusätzen, Ergänzungen und Interpolationen auf unbedeutenden
Rasuren1), um später eine große Anzahl von Kaiserurkunden für die Herstellung von Fälschungen
mehr oder minder vollständig zu vernichten.

Dreimal wurden überhaupt in der Reichenau Fälschungen von Kaiserurkunden in größerem
Maßstabe vorgenommen. Das erste Mal in relativ geschickter Weise vor dem Ende des XI. Jahrb.;
es handelte sich lediglich um Besitzungen2). Zum andern fälschte man zu Anfang des XII. Jahrh.3),
wiederum unter ängstlichem Festhalten an echten Vorlagen, deren Schrift man jetzt jedoch schon
nicht mehr gewandt nachzuahmen verstand; auch dieses Mal handelte es sich anscheinend noch
hauptsächlich um Besitzungen; nur eine Bemerkung4) in dem wesentlich aus den Immunitäts-

>) S. Nr. 17. 20. 42. 2) Nr. 27. 37. [45.] s) Nr. 25. 39.

4) Xr. : [coram nulloj iudice, abbate uidelieet uel preposito siue advoeato [regant aut bannum persolvant]
uel aliquid [seculare negocium habeantj ... et coram nullo iudice, [nisi coram] censali magistro, ab [abbate uel] suo
preposito eis constituto, iusta sociorum deliberatione perdant.
 
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